Ex-Boss Mueller fordert Hunderttausende vom TSV 1860: “Existenzgefährdend” | ABC-Z
München – Hat Oliver Mueller Sechzigs Existenz (im Profifußball) aufs Spiel gesetzt oder hat sich der Ex-Finanzboss gar nichts vorzuwerfen? Zwischen diesen beiden Extremen spielte sich am Freitag das denkwürdige Wiedersehen des 46-Jährigen mit seinem letzten Arbeitgeber ab.
Das Gericht hatte am Vormittag kurzerhand die aufgrund Muellers Kündigungsschutzklage anberaumte Sitzung in Saal 1 verlegt, um dem regen Andrang von gut 30 Löwenfans und mehreren Medienvertretern Rechnung zutragen – keine 40 Minuten nach Beginn der Verhandlung hat Richter Florian Köhn eine Entscheidung vertagt.
Kein Vereinsvertreter war bei Muellers Gerichtstermin anwesend
Der Gütetermin zwischen dem einstigen kaufmännischen Geschäftsführer des TSV 1860 als Kläger und Sechzigs Geschäftsführungs-GmbH als Beklagter vor dem Arbeitsgericht München hat somit keine Einigung nach sich gezogen. Stattdessen hat die Vereinsseite schwerwiegende Vorwürfe gegen Mueller erhoben, während dieser und dessen Anwalt sämtliche Vorwürfe von sich wiesen – ebenso wie den Vorschlag einer gütlichen Einigung für eine mittlere sechsstellige Summe.
Mueller gegen 1860 – das Duell geht in die nächste Runde. 1860-Anwalt Erhard Kött von der Kanzlei “Karras und Kollegen” aus Fulda hatte eingangs die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts infrage gestellt, da Muellers kompliziertes Angestelltenverhältnis über das Unternehmen seiner Frau gelaufen war. Kurios: Seitens 1860 war weder Präsident Robert Reisinger, noch ein anderer Vereinsvertreter anwesend, was bei mehreren Fans wie Allesfahrer Roman Wöll Kopfschütteln auslöste.
Mueller soll “am Rande der Untreue gehandelt” haben
Nachdem Richter Florian Köhn in der Folge auf eine gütliche Einigung hinwirken wollte, zählte 1860-Anwalt Kött “mehrschichtige Kündigungsgründe” auf: Muellers Wirken soll für Sechzigs KGaA “existenzgefährdend” gewesen sein: “Der Kläger hat die Gesellschaft an den Rand der Insolvenz geführt, auch die Lizenz war gefährdet.”
Dies begründete Kött damit, dass Mueller den geplanten und im Aufsichtsrat beschlossenen Etat von 4,5 Millionen überzogen haben soll. Mueller soll “am Rande der Untreue gehandelt” haben, er habe “Pflichtverletzungen begangen”, etwa “Verträge eigenmächtig und ohne Zustimmung seines Geschäftsführerkollegen unterzeichnet”, sowie “Verstöße im Verhalten gegenüber dem Hauptgesellschafter” verübt, also Investor Hasan Ismaik.
Dressel-Deal scheiterte an falscher Kalkulationen von Mueller
So habe sich der Badener etwa aus einem Überbrückungsdarlehen Ismaiks bedient, um den Etat auf 5,5 Millionen aufzustocken, dabei allerdings “enge Voraussetzungen” missachtet. In diesem Zusammenhang habe Mueller der Investorenseite trotz mehrmaliger Anfragen keine Auskünfte erteilt.
Der Anfang Februar eingestellte und Anfang September wieder entlassene Finanzboss habe sich infolgedessen mit seinem Geschäftsführerkollegen Christian Werner “überworfen”, der seine “personellen Planungen aufgrund falscher Kalkulationen nicht abschließen” konnte. Nach AZ-Infos soll die Rückholaktion von Ex-Löwe Dennis Dressel daran gescheitert sein. All dies habe dazu geführt, dass Ismaik im Vorfeld des jüngsten Darlehensvertrags Muellers Kündigung zur Bedingung gemacht haben soll.
Mueller lasse sich nicht “mit 50.000 Euro abspeisen”
Die Gegenseite bestritt sämtliche Vorwürfe vehement. Muellers Anwalt Christian Vogt von der Kanzlei “Michael & Siebert” ließ ausrichten: “Der Kläger hat sich nichts vorzuwerfen.” Die geschilderten Vorwürfe seien “oberflächlich” und Muellers Wirken “keine Alleingänge” gewesen.
Vogt schlussfolgerte daher, dass eine fristlose Kündigung unzulässig sei und sich Mueller daher “nicht mit 50.000 Euro abspeisen” lasse. Diesen Betrag hatte die Vereinsseite in einem Telefonat als “angemessene Obergrenze” für eine Abfindung genannt und argumentiert, dass man sich eine Schadensersatzklage gegen Mueller offenhalte.
Mueller dagegen hat im Gegensatz dazu geradezu astronomische Forderungen: “22 Monate Gehalt mit allen Sachleistungen – wir sprechen von rund 600.000 Euro”, so Anwalt Vogt. Zu den 264.000 Euro Grundgehalt bis Vertragsende Mitte 2026 würden 80.000 Euro Boni, die man auf Nachfrage des Richters nicht aufschlüsseln konnte oder wollte.
Plus 50.000 Euro für Urlaubstage, 31.500 Euro für einen Dienstwagen, den Gegenwert für Muellers VIP-Tickets bei den 1860-Spielen (17.000 Euro) sowie einiger weiterer Posten.
Richter Köhn: “Vielleicht stellt Ihnen der Verein ja noch VIP-Tickets zur Verfügung”
Richter Köhn, der sich als Fan des 1. FC Nürnberg outete und die Verhandlung sportlich nahm, warf süffisant ein: “Wenn Sie die VIP-Tickets als so wertvoll erachten, vielleicht stellt Ihnen der Verein ja noch welche zur Verfügung.” Die Empfehlung des Richters, sich bei 200.000 Euro zu treffen, wurde von beiden Parteien abgelehnt. Fortsetzung folgt – voraussichtlich im März, eventuell auch vor dem Amtsgericht.