Sport

Ex-Aufsichtsrat Bay spricht über mit dem Investor-Kandidaten für den TSV 1860 München | ABC-Z

AZ: Herr Bay, wieviel Schlaf haben Sie als Ex-Vizepräsident und Stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des TSV 1860 undals Mitverhandler des geplanten Anteilsverkaufs von Investor Hasan Ismaik in den vergangenen Wochen bekommen?
KARL-CHRISTIAN BAY:
Es kommt ja nicht nur auf die Länge, sondern auch auf die Qualität des Schlafes an. Ich bin also trotz regelmäßig kurzer Nächte wach genug, um den Realitäten ins Auge zu blicken.

“Ich habe im Herbst 2024 mitgeholfen, eine drohende Insolvenz abzuwenden”

 Am 5. Juli war bekanntlich einer Pressemitteilung zu entnehmen, dass Herr Ismaik durch eine “Schweizer Familien-Holding” abgelöst wird. Können Sie uns den Ablauf der Verhandlungen aus Ihrer Sicht skizzieren?
Wenngleich in den letzten Tagen vermeintlich hierzu bereits alles gesagt wurde, möchte ich gerne die Gelegenheit nutzen und die Schuldzuweisungen und Vermutungen beseitigen. Ich muss etwas ausholen, um die Geschehnisse zu rekonstruieren: Ich habe im Herbst 2024 mitgeholfen, unter anderem durch die Ausgestaltung des neuen Darlehensvertrages, für den wir als Präsidium massiv kritisiert wurden, eine drohende Insolvenz abzuwenden. In diesem Kontext haben wir nicht nur diese Lösung gemeinsam mit Ismaiks Unternehmen HAM und seinen Beratern entwickelt, sondern auch über einen möglichen Verkauf der Anteile von HAM gesprochen. Vor dem Hintergrund persönlichen Vertrauens und nachgewiesener Bereitschaft zur Lösungsfindung wurde ein Investorenprozess gestartet. In der Folge hat sich eine ganze Bandbreite an Investoren gemeldet. Das Präsidium hat dabei eine Reihe von Investoren empfohlen. 

Inklusive eines Mannes namens Matthias Thoma?
Nein, dieser Kontakt kam nicht von uns, auch an der Auswahlentscheidung waren wir nicht beteiligt. Ich war zu diesem Zeitpunkt in Verhandlungen mit einem anderen von Vereinsseite präferierten Investor. Die Gespräche mit Herrn Thoma waren aber offensichtlich ebenfalls schon weit fortgeschritten. Ich wurde dann seitens HAM informiert, dass man über den Verzicht des Vorkaufsrechts reden möchte. In den Verhandlungen mit Herrn Thoma über das Vorkaufsrecht habe ich die bekannt gemachten “Gegenleistungen” für den Verzicht des Vereins mit ihm abgestimmt, die Entschuldung der Gesellschaft sowie eine Sanierung des Grünwalder Stadions mit Erbbaurecht sowie den für den e.V. bedeutsamen Turnhallenbau anzustreben. Ich habe zudem versucht, den Kooperationsvertrag zukunftsträchtig zu gestalten, doch hier hat sich Herr Thoma nicht bewegt.

Bleibt nun vorerst Investor des TSV 1860: Hasan Ismaik.
Bleibt nun vorerst Investor des TSV 1860: Hasan Ismaik.
© IMAGO
Bleibt nun vorerst Investor des TSV 1860: Hasan Ismaik.

von IMAGO

“}”>

Transaktion scheiterte “am vergangenen Freitag”

Es folgte, was Fatalisten unter den Löwen als logische Konsequenz deuten: Die angekündigte Anteilsübernahme und gleichzeitig die Verwirklichung von drei der wichtigsten Ziele des Muttervereins erwies sich tatsächlich als zu schön, um wahr zu sein.
Wir haben im Vorfeld der Mitgliederversammlung die stark kritisierte Pressemitteilung mit der Ismaik-Seite und mit dem neuen Investor erarbeitet und veröffentlicht. In den Tagen nach der Mitgliederversammlung haben wir festgestellt, dass sich der Deal entgegen der abgestimmten Zeitschiene verzögert, bis am vergangenen Freitag die letzte Vollzugsbedingung gescheitert ist.

Herr Thoma hat sich kürzlich bei “dieblaue24” erstmals öffentlich geäußert und erklärt, dass er lediglich als Vermittler aufgetreten sei und der Deal noch “eine schwebende Geschichte” sei. Hat der TSV 1860 in dieser Angelegenheit noch ein Nachspiel zu befürchten?
Nach meinen Informationen ist die Transaktion am vergangenen Freitag gescheitert. Insofern bleibt die Gesellschafterkonstellation beim TSV 1860 so bestehen, wie vor der geplanten Transkation. Ich sehe keine Haftungsthemen, denen unser Verein aufgesetzt sein könnte. 

Bay: “In meinem Beisein ging es im Wesentlichen um den Verzicht des Vorkaufsrechts”

Haben Sie im Laufe der Verhandlungen Kenntnis vom Namen des Käufers erlangt, angeblich der “Helvetic Corporate Finance SA”, von der die SZ in der Dienstagsausgabe berichtet hat? Offenbar handelt es sich um eine Briefkastenfirma. 
Zum Zeitpunkt, als ich in die Gespräche eingebunden war, lag bereits eine Prüfung des potenziellen Käufers durch eine renommierte Anwaltskanzlei vor. Zudem haben wir im Rahmen der Verhandlungen und Gespräche mehrfach nachgefragt, ob entsprechende Compliance-Prüfungen erfolgt sind. Aus diesen Ergebnissen ergaben sich keine entsprechenden Erkenntnisse zu einer “Briefkastenfirma”.

Können Sie uns darlegen, wie Herr Thoma Ihnen gegenüber aufgetreten ist?
Als ich in die Gespräche mit Herrn Thoma eingebunden wurde, waren diese schon weit fortgeschritten. In meinem Beisein ging es im Wesentlichen um den Verzicht des Vorkaufsrechts und die Gegenleistungen für den Verzicht des Vereins. Diese Gespräche mit Herrn Thoma verliefen sachlich und ergebnisorientiert.

Wird den TSV 1860 wohl noch länger beschäftigen: Die Thematik rund um das Grünwalder Stadion.
Wird den TSV 1860 wohl noch länger beschäftigen: Die Thematik rund um das Grünwalder Stadion.
© IMAGO
Wird den TSV 1860 wohl noch länger beschäftigen: Die Thematik rund um das Grünwalder Stadion.

von IMAGO

“}”>

Ex-Aufsichtsrat bestätigt Gespräche zwischen Bay und der Stadt München

Herr Thoma soll bereits mit der Stadt über einen Ausbau des Grünwalder Stadions gesprochen haben. Können Sie eine Aussage dazu treffen, wie realistisch diese Pläne sind, die das Potenzial hätten, die Stadionfrage zu lösen?
In der Tat gab es entsprechende Gespräche mit der Stadt München, die nunmehr keine Relevanz mehr haben. Nach meiner Kenntnis wollen sich Herr Ismaik und das Präsidium zu diesem Thema zeitnah zusammensetzen. Die Erörterung dieses Themas sollten wir daher den nun verantwortlichen und handelnden Personen überlassen.

Nach AZ-Informationen sind im Laufe der Verhandlungen erhebliche Zweifel an Thomas Seriosität aufgekommen. Können Sie das bestätigen?
Ja, es sind ernstzunehmende Zweifel entstanden und wir haben diese täglich mit Vertretern der HAM besprochen. 

“Eine renommierte Anwaltskanzlei war mit der Prüfung beauftragt”

Es ist die Frage der Fragen, in der beide Seiten zuletzt die Verantwortung von sich gewiesen haben: Hätten nicht, überspitzt formuliert, sowohl der Verein, als auch HAM eine ganze Schar von Anwaltskanzleien eine nach minimaler Internet-Recherche bereits derart nebulös erscheinende Person durchleuchten müssen? 
Ich bedauere persönlich sehr, dass sich berechtigte Fragen im Hinblick auf die Seriosität und Bonität des Käufers erst nach der Verkündung der Transaktion als nicht zufriedenstellend beantwortet herausgestellt haben. Selbstverständlich musste der Käufer umfassend geprüft werden. Vorliegend war bereits eine renommierte Anwaltskanzlei mit dieser Prüfung beauftragt, deren Erkenntnisse sie zudem mit dem Verein geteilt hat. Wir haben im Rahmen der Verhandlungen wiederholt nachgefragt: Habt ihr den Interessenten eingehenden Prüfungen unterzogen? Die Antwort lautete: “Ja, Compliance-Prüfungen sind erfolgt.” 

Herr Ismaik hat behauptet, das (alte) Präsidium hätte die Nachricht des geplanten Anteilsverkaufes einen Tag vor der Mitgliederversammlung (6. Juli) veröffentlicht, um mit sich seinem Abgang “selbst als Retter zu inszenieren.” 
Ich stehe nach wie vor zu allem, was ich getan habe. Diese Pressemitteilung war im Vorfeld mit allen Parteien abgestimmt, auch der Zeitpunkt der Veröffentlichung. Die Kommunikation über den Verkauf war angesichts unserer Rechenschaftspflicht als Präsidium im Rahmen der Mitgliederversammlung alternativlos. Man stelle sich vor, wir hätten nichts dazu gesagt und in den Tagen nach der Mitgliederversammlung wäre plötzlich der neue Investor, wie geplant, als neuer Mitgesellschafter in München erschienen. Wie bereits mehrfach betont, werde ich mich keiner Verantwortung entziehen, wie man an meinem Rücktritt als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender sieht. Aber ich wehre mich dagegen, Verantwortung für Dinge zu übernehmen, auf die ich keinen Einfluss hatte.

Wünscht sich einen Gesellschafterwechsel für den TSV 1860: Ex-Aufsichtsrat Karl-Christian Bay.
Wünscht sich einen Gesellschafterwechsel für den TSV 1860: Ex-Aufsichtsrat Karl-Christian Bay.
© IMAGO
Wünscht sich einen Gesellschafterwechsel für den TSV 1860: Ex-Aufsichtsrat Karl-Christian Bay.

von IMAGO

“}”>

Bay wünscht sich Gesellschafterwechsel beim TSV 1860

Angesichts der Verkaufsabsichten von Herrn Ismaik war es unseren Informationen zufolge ein folgerichtiger Plan B, Verhandlungen mit dem zweitbesten Bieter zu intensivieren. . .
Ich würde mir für unseren Verein wünschen, dass der Gesellschafterwechsel doch noch vollzogen werden kann und Hasan Ismaik entsprechend seiner eigenen Darstellung, “1860 in gute Hände geben kann.”

Anstelle einer rosigen Zukunft sieht sich der TSV 1860, der zwar sportlich Euphorie erzeugt, nun vereinspolitisch mit einer neuen Eskalationsstufe konfrontiert, wenn es nur um Schuldzuweisungen geht. Wie ließe sich die Situation Ihrer Meinung nach auflösen?
Trotz der öffentlichen Schuldzuweisungen der letzten Tage möchte ich betonen, dass wir im Aufsichtsrat in den vergangenen Jahren einen Weg der produktiven Zusammenarbeit gefunden haben. Ich kann den Beteiligten nur raten, die Realitäten anzuerkennen: Hinsichtlich des Gesamtpakets in einer Transaktion müsste man deutliche Abstriche machen. Dieser eine märchenhafte Investor ist offenbar nicht real. Auch in der Konfrontation gibt es keine Lösung: Teile des e.V. sehen die Insolvenz als Ausstiegsoption Nummer eins, dabei hätte dies massive negative Auswirkungen auf den gesamten Verein. Ich kann nur hoffen, dass alle Beteiligten sehen, wie wunderbar der TSV 1860 ist und dass sich hier etwas entwickeln lässt – auch mit neuen Investoren.

“Transaktionswahrscheinlichkeit hängt aus meiner Sicht von anstehenden Gesprächen ab”

Gesetzt den Fall, dass beide Gesellschafter einen Schritt aufeinander zugehen und die beschriebenen Realitäten anerkennen: Ist Ihrer Einschätzung zufolge vorsichtiger Optimismus angebracht, dass eine Anteilsübernahme doch noch über die Bühne gehen könnte?
Wie hoch eine zukünftige Transaktionswahrscheinlichkeit ist, hängt aus meiner Sicht von den nun anstehenden Gesprächen der Gesellschafter ab.

Back to top button