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Ewiges Eis schmilzt dorthin: Emden in 75 Jahren unter Wasser | ABC-Z

Berlin taz | Lima, die Hauptstadt Perus, liegt in einem der trockensten Gebiete dieser Welt. Hier fallen jährlich im Schnitt lediglich 13 Millimeter Niederschlag pro Quadratmeter. Zum Vergleich: In der Sahara beträgt der durchschnittliche Niederschlag 45 Millimeter. Es gibt drei Flüsschen, die das Trinkwasser aus den Anden nach Lima transportieren, den Rio Chillón im Norden, den Río Rímac im Zentrum und den Rio Lurin im Süden.

Gespeist werden diese Lebensadern für die elf Millionen Menschen im Großraum Limas von Andengletschern. Aber diese werden wegen der steigenden Temperaturen spätestens in zehn Jahren verschwunden sein: Weltweit ist das rasante Schmelzen der Gletscher eindrückliches Zeichen der Klimaerhitzung.

Allerdings sind die Anden nicht einmal der Hotspot des Gletschersterbens. Eine Studie zeigt: Die Gebirge mit dem rapidesten Verlust an ewigem Eis sind die Alpen und die Pyrenäen. Hier sind die Gletscher den Forschern zufolge seit dem Jahr 2000 bereits um etwa 39 Prozent geschrumpft. Im weltweiten Durchschnitt ging die Eismasse im gleichen Zeitraum lediglich um 5 Prozent zurück.

„Die Alpen- und Pyrenäengletscher sind vergleichsweise klein“, erklärt Tobias Bolch vom Institut für Geodäsie der TU Graz, der an der Studie beteiligt war. Dies sei ein Nachteil: „Gletscher haben generell einen kühlenden Effekt auf das Mikroklima ihrer Umgebung. Bei kleinen Gletschern ist dieser Effekt jedoch nur schwach ausgeprägt.“ Deshalb seien diese viel anfälliger. Zudem liegen die meisten der Gletscher in den Alpen und Pyrenäen in geringer Höhenlage. Dort steigt die Temperatur besonders stark.

Fünfmal der Bodensee

Aktuell gibt es weltweit noch rund 275.000 Gletscher, in denen riesige Mengen an Süßwasser gespeichert sind. Doch dieser Speicher schrumpft rasant: Seit dem Jahr 2000 haben allein die Eismassen an Land pro Jahr rund 273 Milliarden Tonnen Eis verloren. Dadurch ist jährlich fünfeinhalbmal so viel Wasser zusammengekommen, wie im Bodensee ist. Dieser fasst ungefähr 50 Milliarden Tonnen Süßwasser. Der Meeresspiegel stieg allein durch das Schmelzwasser aus diesem Speicher um 1,8 Zentimeter.

Gletscher wie etwa der grönländische Eisschild oder die auf der Antarktis sind in dieser Rechnung nicht mit berücksichtigt. Eine im vergangenen Monat im Wissenschaftsmagazin Science erschienene Studie der Universität Hamburg zeigt, dass durch das schmelzende Eis in Grönland mindestens 20 Zentimeter dazukommen. Ohne Klimaschutz, so prognostiziert der Weltklimarat IPCC, wird es binnen der kommenden 75 Jahre einen Anstieg von bis zu 1,1 Meter geben. Das ostfriesische Emden etwa liegt 1 Meter über dem aktuellen Meeresspiegel und wäre damit überschwemmt.

Die Vereinten Nationen haben 2025 zum „Internationalen Jahr der Erhaltung der Gletscher“ ausgerufen, um deren Bedeutung wieder mehr ins Bewusstsein zu rücken. Für die Trinkwasserversorgung, aber auch für die Landwirtschaft oder die Industrie – mehr als zwei Milliarden Menschen sind auf intakte Gletscher angewiesen, die die Flüsse speisen. Am 21. März wollen die Vereinten Nationen nun erstmals einen Weltgletschertag begehen.

Zugspitze bald eisfrei

Der rasante Glescherschwund lässt sich auch am höchsten Berg Deutschlands, der Zugspitze, beobachten: Im 19. Jahrhundert dehnte sich der Schneeferner noch auf 300 Hektar aus, vor etwa einhundert Jahren zerfiel der größte deutsche Gletscher in einen nördlichen und südlichen Teil. 2018 betrug die Eisdicke am nördlichen Schneeferner an seiner tiefsten Stelle noch etwa 10 Meter, heute sind es keine 6 Meter mehr. Der südliche Teil ist bereits verschwunden. „Spätestens 2030 wird die Zugspitze eisfrei sein“, sagt die österreichische Glaziologin Andrea Fischer. Auch eisfreie Ostalpen seien nicht mehr allzu fern.

Die von Nature veröffentlichte Studie beziffert die Rasanz der Entwicklung: In der zweiten Hälfte des Untersuchungszeitraums waren die Eisverluste um 36 Prozent höher als im Zeitabschnitt 2000 bis 2011. „In den europäischen Alpen haben wir die Abflussspitze schon überschritten“, sagt Tobias Bolch. Die Gletscher Mitteleuropas fallen so als kontinuierliche Wasserlieferanten weg, mit dramatischen Folgen für eine der wichtigsten Binnenschifffahrtsstraße Europas, den Rhein.

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