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Evolution: Genetische Vorliebe für Alkohol und Promille? – Wissen | ABC-Z

Jetzt zur Wiesn-Zeit ist München wieder im Ausnahmezustand. Die Stadt ist voll mit Menschen, die sich gerade noch so auf den Beinen halten können oder mit glasigen Augen in der S-Bahn sitzen und sich darauf konzentrieren, sich nicht auf die Lederhose oder das Dirndl ihrer Begleitung zu übergeben. Sanitäter behandeln im Dauereinsatz Tausende Alkoholopfer, die es nicht mehr nach Hause geschafft haben.

Warum tun ansonsten vernünftige Menschen das? Was bringt Mütter, Väter, Steuerberater und Lehrerinnen dazu, derart viel Alkohol zu trinken, bis sie einfach umkippen? Möglicherweise ist die Lust des Menschen auf Alkohol evolutionär tief verwurzelt. Das behauptet zumindest die „Drunken-Monkey-Hypothese“, die jetzt von einer aktuellen Studie im Wissenschaftsjournal Science Advances gestützt wird.

Nach der Hypothese vom betrunkenen Affen ist die Vorliebe des Menschen für Ethanol bereits vor zig Millionen Jahren entstanden. Damals waren reife, vergorene und daher alkoholhaltige Früchte ein wichtiger Nahrungsbestandteil der damals lebenden Primaten, aus denen sich später der Homo sapiens entwickelt hat.

Laut der aktuellen Untersuchung, an der auch der Urheber der Drunken-Monkey-Hypothese beteiligt war, der Biologe Robert Dudley von der University of California in Berkeley, nehmen wild lebende Schimpansen am Tag durchschnittlich 14 Gramm Alkohol zu sich. „Das entspricht einem amerikanischen Standard-Drink“, sagt Aleksey Maro, der ebenfalls in Berkeley forscht, gemäß einer Pressemitteilung seiner Universität; 0,3 Liter Bier enthalten etwa zwölf Gramm Alkohol. Für die Untersuchung hat Maro wochenlang zwei Schimpansengruppen in Uganda und der Elfenbeinküste beobachtet und den Alkoholgehalt von 21 Fruchtsorten bestimmt, die die Tiere fressen. „Wenn man das Körpergewicht berücksichtigt, entspricht es eigentlich bis zu zwei Drinks“, sagt Maro.  Schließlich wiege ein Schimpanse im Schnitt etwa halb so viel wie ein Mensch.

Fingertiere trinken gern ein Gläschen

Schimpansen und Menschen sind aber nicht die einzigen Primaten, die Alkohol mögen. Auch Plumploris, die sich in Zeitlupe durch die Baumwipfel asiatischer Regenwälder bewegen und die struppigen Fingertiere, mit dem leicht wahnsinnigen Blick, sagen nicht nein, wenn man ihnen ein Gläschen anbietet. Das haben Forscher tatsächlich getan und dabei herausgefunden, dass die Tiere stets das Gefäß mit der höchsten Alkoholkonzentration wählen. Wenn sie alles ausgetrunken hatten, schauten sie noch mal tief ins Glas, um ganz sicherzugehen, dass nichts mehr übrig war.

Im Unterschied zu anderen Drogen, die Menschen erst seit vergleichsweise kurzer Zeit konsumieren, sei das Verlangen nach Alkohol schon sehr früh in der Entwicklungsgeschichte der Primaten im Erbgut verankert worden, so die Autoren der neuen Untersuchung. Der Geruch von Alkohol, der in reifen Früchten durch die Vergärung von Zucker entsteht, wies den Vorfahren des Homo sapiens den Weg zu einer der wenigen und damit umso wertvolleren zucker- und kalorienhaltigen Nahrungsquellen, vermutet Dudley.

Zudem könnte das gemeinsame Konsumieren von Alkohol seiner Ansicht nach den Sinn haben, die Zusammengehörigkeit einer Gruppe zu stärken. Das wäre eine Erklärung dafür, warum Schimpansen vergorene, alkoholhaltige Früchte gemeinsam essen und miteinander teilen. Das menschliche Pendant dieses Verhaltens ist wohl das überfüllte Bierzelt auf der Wiesn.

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