Wirtschaft

Europäische Rechenzentren: Wieder subventioniert Deutschland mit Steuergeld an der Realität vorbei | ABC-Z

Die Werbeverkaufsveranstaltung des Chipherstellers Nvidia im Bundeskanzleramt hätte besser nicht laufen können. Zumindest wenn man sie aus dem Mund von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hört, der auf dem „Tag der Industrie“ vom Besuch des Nvidia-Chefs Jensen Huang berichtet hat. „Er hat mir gesagt, ihr Deutschen, ihr könnt Software nicht wirklich gut. Software ist ein chaotisches System. Ständig voller Fehler. Nie perfekt. Das könnt ihr Deutschen nicht“, erinnerte sich Merz an das Gespräch. Und er stimmt dieser These zu.

Eine „Gigafactory“, also ein riesiges Rechenzentrum, dagegen sei nicht Software, fuhr der Nvidia-Chef fort, sondern Maschinenbau. Da gebe es niemanden auf der Welt, der das besser könne als die Deutschen. Ihm sei das so nicht klar gewesen, sagte Merz. Das Land könne eine seiner Fähigkeiten herüberholen in die neue Zeit der Digitalisierung. Die Konsequenz für den Kanzler: „Also machen wir uns auf den Weg, in Deutschland ein Standort zu sein für mindestens eine, vielleicht zwei oder drei große Gigafactories.“

Hoffen auf die KI-Wende

So einfach geht es, wenn man als Popstar der IT-Branche und größter Anbieter von KI-Chips auf der Welt auf Geschäftsreise in Europa ist. Der Kontinent hat den Anschluss verloren an die Tech-Industrie in den USA und China. Jetzt hoffen hiesige Politiker und Manager auf eine Wende durch den Siegeszug der künstlichen Intelligenz.

Die EU-Kommission stellt 20 Milliarden Euro bereit für Investitionen in sogenannte Gigafactories für KI – große Rechenzentren mit jeweils mindestens 100.000 modernen Chips, zum Beispiel von Nvidia. In der neuen Bundesregierung und den Ländern ist die Euphorie groß: endlich holt Europa auf. Doch das Programm könnte sich letztlich als Flop erweisen.

Wer ein abschreckendes Beispiel sucht, muss sich nur die Batterieindustrie ansehen. Vor Jahren sollten EU-Subventionen dafür sorgen, dass auf dem Kontinent große Batteriezellfabriken entstehen, auch sie „Gigafactories“ genannt. Doch die meisten Pläne sind gescheitert, zum Beispiel in Kaiserslautern, wo eine Zellfabrik für Mercedes-Benz und Stellantis (Fiat, Peugeot, Opel) gebaut werden sollte. Ein wesentlicher Grund: Weil sich Elektroautos nicht so gut verkaufen, wie erhofft, werden die großen Kapazitäten nicht gebraucht.

Diese Lehre aus dem Batteriedebakel sollte sich die Politik beim Verteilen neuer Steuergelder für Rechenzentren stets vor Augen halten: Ob ein Angebot gebraucht wird, hängt von der Nachfrage ab. Klar sagen deutsche Unternehmen, dass sie lieber Rechenzentren lokaler Anbieter nutzen würden – wenn sie so gut sind und nicht mehr kosten als die Dienste von Amazon, Google oder Microsoft.

Im Ergebnis liegt der Marktanteil der Telekom in ihrem Heimatmarkt deutlich hinter den US-Konkurrenten, trotz deutscher Rechenzentren. Ob nun ausgerechnet EU-Subventionen diese Marktaufteilung verändern und durch das Angebot neue KI-Unternehmen als Kunden entstehen werden, ist mehr als fraglich.

Der Vorsprung der USA liegt nicht allein in der Existenz von großen Rechenzentren, zu denen ständig neue dazukommen. Sondern in der riesigen Tech-Branche und einem Kapitalmarkt mit großen und risikofreudigen Investoren. Wenn dort „Gigafactories“ gebaut werden, dann weil es eine Nachfrage für deren Rechenleistung gibt. Die Projekte von Tech-Riesen wie Microsoft, Meta und OpenAI sind derart gigantisch, dass die milliardenschweren EU-Pläne dagegen sehr klein wirken.

Es mag für Politiker schön sein, sich auf Leuchtturm-Projekte zu konzentrieren, so wie es die Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Peter Altmaier (CDU) in der Vergangenheit getan haben. Wirklich etwas verändern lässt sich damit aber nicht. Damit in Europa eine KI-Wirtschaft entsteht, braucht es günstige Energie, einen potenten Kapitalmarkt, ein Umfeld, in dem Gründer aus den Universitäten heraus leicht Unternehmen aufbauen können.

Sobald diese Rahmenbedingungen stimmen, kann man sich darüber Gedanken machen, ob der Staat den Aufbau fehlender Teile im System subventionieren muss. Rechenzentren aufzubauen in einem Land, das die Software dafür angeblich gar nicht schaffen kann, ergibt aber keinen Sinn.

Daniel Zwick ist Wirtschaftsredakteur in Berlin und berichtet für WELT über Wirtschafts- und Energiepolitik, Digitalisierung und Staatsmodernisierung.

Back to top button