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EU-Staaten machen den Weg für Zölle auf chinesische E-Autos frei – Politik | ABC-Z

Pedro Sánchez hat einen sanfteren Weg gewählt als der Bundeskanzler. Der sozialistische spanische Ministerpräsident ist der wichtigste Parteifreund, den Olaf Scholz im Kreise der EU-Länder noch hat. Auf dem europäischen Kontinent werden nur in Deutschland mehr Autos hergestellt als in Spanien, und Sánchez hat zuletzt sehr deutlich gemacht, dass auch er kein Fan von Zusatzzöllen auf Elektroautos aus China ist. Dem Aufruf des Kanzlers, an diesem Freitag gegen die umstrittenen Zölle zu stimmen, ist er aber gerade nicht gefolgt. Sánchez entschied sich für eine Enthaltung – und schickte dem entscheidenden Votum im Rat der Mitgliedstaaten stattdessen eine diplomatische Depesche voraus.

Es gelte, „technisch und politisch“ das richtige Gleichgewicht zu finden, schrieb er an EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis. Europa müsse sowohl seine industriellen Interessen verteidigen als auch eine „groß angelegte Konfrontation mit strategischen Akteuren wie China vermeiden“, die zu einem Handelskrieg führen könnte. Es sei daher notwendig, „die Verhandlungen offenzuhalten und alle Möglichkeiten für eine Kompromisslösung auszuschöpfen“.

Deutschland stimmt dagegen, aber das macht keinen Unterschied

Die Zeit dafür läuft jetzt ab. Bis die Zölle in Kraft treten, werden wohl nur noch wenige Wochen vergehen. Bei ihrer Abstimmung im Brüsseler Ratsgebäude am Freitagvormittag gab es unter den EU-Staaten weder eine klare Mehrheit für noch gegen die Zölle. In diesem Fall bedeutet das: Die Kommission hat freie Hand und kann sie in Kraft setzen. Sollten die Verhandlungen mit der chinesischen Staatsführung nicht vorher einen Kompromiss ergeben, würden sie von Ende Oktober an gelten. Erst mit einer Einigung danach würde die Kommission die Zölle wieder zurücknehmen, so hat sie es zuletzt versprochen.

Deutschlands Nein, das Olaf Scholz gegen seine Koalitionspartner von den Grünen durchgesetzt hat, machte keinen Unterschied. Mit der Bundesregierung stimmten nach Informationen der Süddeutschen Zeitung aus diplomatischen Kreisen Ungarn, die Slowakei, Slowenien und Malta gegen die Zölle. Unter anderem Frankreich und Italien votierten dafür. Zwölf Mitgliedstaaten, darunter Spanien, enthielten sich der Stimme. Lediglich mit einer qualifizierten Mehrheit gegen die Zölle – ein Votum von mindestens 15 Mitgliedstaaten, die mehr als 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren – hätte der Rat der EU-Länder die Zölle definitiv verhindern können.

Nach der Sommerpause 2023 hatte Kommissionschefin Ursula von der Leyen die Zölle erstmals in einer Rede im Straßburger EU-Parlament angekündigt, womit das ganze Verfahren von Beginn an politisch aufgeladen war. „Wir müssen uns gegen unfaire Praktiken wehren“, sagte sie da. Die Weltmärkte würden „mit billigeren chinesischen Elektroautos überschwemmt“. Der Preis dieser Autos werde „durch riesige staatliche Subventionen künstlich gedrückt“, was den Markt verzerre. Deshalb leite die Kommission eine Anti-Subventionsuntersuchung ein.

Es soll wie ein technisches Verfahren aussehen, nicht wie Handelskrieg

Um ihr Vorgehen zu rechtfertigen, gibt sich Europas oberste Handelsbehörde seitdem alle Mühe, es als ein rein technisches Verfahren darzustellen: Kurz nach von der Leyens Rede fing sie offiziell an zu ermitteln, inwiefern China seine E-Auto-Hersteller subventioniert. Das Ergebnis war da schon absehbar. Sie sieht es als erwiesen an, dass die Regierung der Volksrepublik ihre Hersteller massiv unterstützt, weshalb Chinas Autokonzerne ihre Fahrzeuge in der EU deutlich günstiger verkaufen können als die europäischen Konkurrenten. Die Zölle gelten der Kommission als Mittel der Wahl gegen dieses Ungleichgewicht, sie würden nach ihrer Einführung zunächst für fünf Jahre gelten und als Aufschlag auf den bereits bestehenden Importzoll von zehn Prozent fällig.

Demnach müsste der US-Konzern Tesla, der seine Modelle 3 und Y in China fertigen lässt, demnach 7,8 Prozent zusätzlich zahlen. BYD erhielte einen Zollaufschlag von 17 Prozent; für Autos des chinesischen Geely-Konzerns hat die Kommission 18,8 Prozent berechnet. Der höchste Satz von 35,3 Prozent gälte für SAIC mit dessen Marke MG. Alle anderen Hersteller, die nicht im Fokus der Untersuchung standen, müssten den Durchschnitt von 21,3 Prozent zahlen, darunter auch Volkswagen, BMW oder Mercedes. Hart treffen würde das etwa die Seat-Tochter Cupra aus dem Volkswagen-Konzern, die ihr E-Modell Tavascan in China produzieren lässt. Seat-Chef Wayne Griffiths warnte Anfang September, dem Modell drohe das Aus, sollten die Zölle eingeführt werden.

Der BMW-Chef spricht von einem „fatalen Signal für die europäische Autoindustrie“

Was mitten hineinführt in die Diskussion darüber, ob die Kommission ihr eigentliches Ziel erreicht, die europäischen Hersteller im Wettbewerb zu schützen. Der mächtige deutsche Auto-Verband VDA etwa bestreitet das. Die Zölle wären „ein weiterer Schritt weg von globaler Zusammenarbeit“, sagte die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie, Hildegard Müller, vor der Abstimmung. „Durch diese Maßnahme wächst das Risiko eines globalen Handelskonflikts weiter an.“ BMW-Chef Oliver Zipse sprach am Freitag von einem „fatalen Signal für die europäische Autoindustrie“.

Neben der Gefahr eines eskalierenden Handelsstreits – China hat bereits Strafzölle auf Schweinefleisch, Branntwein und große Autos angekündigt – hält man in den Reihen der deutschen Hersteller auch die Höhe der Zölle für nicht nachvollziehbar. Warum Tesla nur 7,8 Prozent, andere Autobauer, die nicht im Fokus der Untersuchung standen, aber einen Durchschnitt von als 20 Prozent zahlen müssten, sei schwierig zu erklären.

Ökonomen der Brüsseler Denkfabrik Bruegel hatten bereits im Sommer argumentiert: Während die Ausgleichszölle in gewissem Umfang angemessen sein können, fielen sie angesichts der Berechnungsmethoden womöglich zu hoch aus. Eine Verhandlungslösung mit China sei zu bevorzugen. Dazu rief am Freitag auch der Vorsitzende des Handelsausschusses im EU-Parlament, Bernd Lange (SPD), auf: „Beide Seiten müssen besonnen bleiben, und die intensiven Gespräche der letzten Monate und Wochen müssen unbedingt fortgesetzt werden“, sagte er.

Befürworter der Maßnahme argumentieren dagegen vor allem geopolitisch. Sollten die Zusatzzölle wie geplant eingeführt werden, „wird die Kommission zu Beginn ihres neuen Mandats gestärkt und gewinnt an Schwung, um sich weiterhin mit Marktverzerrungen, kritischen Abhängigkeiten und neuen Sicherheitsherausforderungen in verschiedenen Branchen zu befassen“, sagt Janka Oertel, China-Expertin der Denkfrabrik European Council on Foreign Relations. „Sie wird auch ein klares Signal an Peking senden, dass Brüssel ernst genommen werden muss.“

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