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„Es wird mehr als einen Mord an Israelis erfordern“: Im Epizentrum der Hamas-Versteher der Berliner Linken | ABC-Z

Die Realos der Berliner Linken hatten einst eine rote Linie gegen den Anti-Israel-Kurs ihres Bezirksverbands Neukölln gezogen. Nun wurde sie überschritten. Wer zieht wo die Strippen?

In der Berliner Linkspartei gärt der Konflikt über den Umgang mit dem Nahostkonflikt nicht erst seit dem Angriff der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023. Am Freitag kam es beim Parteitag dann zum Antisemitismus-Eklat. Bis dahin wurde das Thema gemieden und mit knapper Mehrheit vertagt – wie beim Parteitag Ende April. Das Lager der Realos und Regierungslinken um die Ex-Senatsmitglieder Klaus Lederer, bis 2016 Landesparteichef, und Elke Breitenbach, hatte damals eine rote Linie gegen den Anti-Israel-Kurs des Bezirksverbands Neukölln gezogen. Nun wurde sie überschritten.

Lederers Lager hatte einen Antrag eingebracht, der linken Antisemitismus anprangert. Zentrale Passagen wurden mit knapper Mehrheit geändert – auf Antrag von Funktionären aus dem Landesvorstand und den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte und Lichtenberg, darunter Abgeordnete und eine Stadträtin. Die Neuköllner mussten nicht mehr selbst agieren. Auch im Landesvorstand sind Teile der Bewegungslinken und des als Sektierer geltenden Neukölln-Lagers schon breit vertreten.

Es gibt kleinere Gruppen der Partei auch in Wedding, Steglitz-Zehlendorf und Charlottenburg, die den bisherigen Kurs der Partei in puncto Antisemitismus und Israel kritisieren, Lederer und Breitenbach deshalb auch persönlich angreifen.

Doch das Epizentrum ist Neukölln. Der Bezirksverband fällt schon seit Jahren auf. Unter anderem 2021, nach einer pro-palästinensischen Demonstration, bei der es zu Ausschreitungen gekommen war, lehnte es die Linke-Fraktion im Bezirk ab, Antisemitismus zu verurteilen oder sich von Gruppen wie Hamas, Muslimbruderschaft und Grauen Wölfen zu distanzieren.

In einem Beitrag für den Tagesspiegel schrieb die Integrationsbeauftragte des Bezirks, Güner Balci, kürzlich: Einige „der schlimmsten Antisemiten“ säßen in der Bezirksverordnetenversammlung. Gemeint war die Linksfraktion. Es seien Personen, die sich mit radikalen Gruppen wie „Palästina spricht“ solidarisierten. „Wir reden von islamistischen Strukturen, die teilweise politische Strukturen unterwandert haben, und die in der Hamas eine Befreiungsorganisation sehen“, schrieb Balci.

Da ist etwa Fraktionschef Ahmed Abed, der bei pro-palästinensischen Demonstrationen oder bei angeblichen Schülerstreiks gegen den Krieg in Gaza auftritt. Als Anwalt vertritt er seit 2021 die BDS-Bewegung, die einen Boykott israelischer Waren, Künstler und Sportler fordert. Sie klagt inzwischen vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen einen Beschluss des Bundestages, der die BDS-Bewegung als antisemitisch eingestuft hatte. Abed vertritt auch Personen aus der pro-palästinensischen Protestbewegung vor Gericht.

Prominentestes Gesicht des Verbands ist der Abgeordnete Ferat Koçak. Erst im September meldete er ein Pro-Palästina-Konzert in Neukölln an. Veranstalter waren kommunistische Splittergruppen. Koçak fällt seit Jahren damit auf, ungeprüft Informationen in den sozialen Medien zu verbreiten, die sich später als falsch herausstellen – auch zu den Folgen des Nahostkonfliktes in Berlin.

Koçak, der 2025 für den Bundestag kandidieren will, hält sich bedeckter als andere seines Bezirksverbands, wenn es um Israel und Palästina geht. Als Beobachter von Palästina-Demonstrationen prangert Koçak eher angebliche Polizeigewalt an als israelfeindliche Sprüche. Etwa bei einer Kundgebung Ende August, als Demonstranten Flaschen und Steine auf Polizisten warfen.

Versammlungsleiter war Daniel Kipka-Anton, Bezirksparteivize in Neukölln und Koçaks Mitarbeiter. Dabei war auch ein anderes Mitglied des Bezirksverbands: Ramsis Kilani. Er gilt als eine Art Influencer der Pro-Palästina-Szene. Kilani hatte 2014 nach eigenen Angaben Teile seiner Familie verloren, nachdem Israel Ziele in Gaza bombardiert hatte. Er fungierte als Sprecher der BDS-nahen und radikalen Gruppe „Palästina Spricht“, deren Mitglieder zahlreiche Anti-Israel-Demos angemeldet haben und Ausschreitungen rechtfertigten.

In Chats, die dem Tagesspiegel vorliegen, schrieb Kilani im Dezember: „Wir sind bereit, den antikolonialen Befreiungskampf durchzuziehen. Ich denke, es wird mehr als einen Mord an Israelis brauchen.“ Der Kampf der Palästinenser gehe „bis zum Sieg“.

Kilani findet, dass Antizionismus, also Israel abzulehnen, ein Zeichen für „Antikolonialismus und Antirassismus“ sei. Bei Parteigruppen der Linken war er gefragter Gastredner. Er trat auch im Oyoun in Neukölln auf, ein mittlerweile vom Senat wegen Antisemitismusvorwürfen gekündigtes postkolonialen Kulturzentrum in Neukölln. Nach dem 7. Oktober 2023 durften Gruppen die Räume nutzen, die den Hamas-Terror rechtfertigen oder unterstützen.

In den sozialen Medien schrieb Kilani, die Hamas-Terroristen hielten „heldenhaft selbstaufopfernd die letzte Linie (für) Gazas Selbstverteidigung“. Er teilt Beiträge, in denen eine Distanzierung vom islamistischen Dschihad abgelehnt wird. Als das Bundesinnenministerium im Juli das vom Iran gesteuerte „Islamischen Zentrum Hamburg“ verboten hat, war das für ihn „antimuslimischer Rassismus“.

Kilani gehört zur trotzkistischen Gruppe „Sozialismus von unten“. Für sie sind die Hamas-Terroristen „Widerstandskämpfer gegen die koloniale“ Macht und der größte Massenmord an Juden seit der Shoah sei ein „Ausbruch aus dem Freiluftgefängnis“. Israel müsse „im Zuge eines antiimperialistischen, revolutionären Aufstands in der gesamten Region zerstört werden“.

Eng verbunden ist der Berliner Linken auch die Gruppe „Berlin Left“, die der „Landesarbeitsgemeinschaft Internationales“ der Partei nahesteht. Selbst in der Bundesparteizentrale, im Karl-Liebknecht-Haus, durfte sie Veranstaltungen abhalten. Auf seiner Internetseite fordert „Berlin Left“ eine „De-Zionisierung“ Palästinas.

Die Übernahme der Linkspartei haben diese Gruppen, die Linke Neukölln und die anderen, schon im Mai 2022 im Oyoun skizziert – bei einer Veranstaltung zur „Rolle der Linken“ im Streit um Nahost. Kilani sagte, die Bewegung dürfe nicht nur „unsere palästinensische Jugend (…) weiter ausbilden und weiter demo-bereit machen“. Eine „organisierende Praxis“ sei nötig. Die Palästina-Bewegung müsse in andere soziale Kämpfe integriert werden. Diese Veranstaltung war laut Senat „Anlass zur Prüfung“ der Förderung des Oyoun.

Nach dem Eklat beim Parteitag am Freitag postete Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau bei X direkt an Kilani: „Ihr wollt unsere Linke zerstören.“ Kilani dagegen erklärte, verantwortlich für die Krise der Partei seien Pau und Lederer, ihre „parlamentarische Orientierung“ und die Regierungsbeteiligung der Linken in Berlin bis 2023. Sie hätten die Solidarität mit den Unterdrückten der „neuen deutschen Staatsräson“ geopfert. (Mitarbeit: Julias Geiler, Madleen Haarbach)

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