Es wird eng beim EU-Referendum in Moldau | ABC-Z
Ein pro-EU-Kurs in der Verfassung? Beim Referendum in Moldau liegen Gegner und Befürworter gleichauf. Staatschefin Sandu spricht von Wahlmanipulation. Im Rennen um das Präsidentenamt muss sie wohl in die Stichwahl.
Bei der Wahl in Moldau über das Präsidentenamt liegt Amtsinhaberin Maia Sandu vorn, auch wenn es für sie wahrscheinlich in die Stichwahl geht. Doch ihr Herzensprojekt – den von ihr verfolgten EU-Kurs des Landes auch in der Verfassung festschreiben zu lassen, steht auf der Kippe.
Parallel zur Abstimmung über die Präsidentschaftskandidaten konnten die Bürgerinnen und Bürger in Moldau am Sonntag in einem Referendum darüber abstimmen, ob eine EU-nahe Politik mit dem langfristigen Ziel eines EU-Beitritts Teil der landeseigenen Verfassung werden soll. Nach Auszählung von mehr als 97 Prozent der abgegebenen Stimmen teilte die Wahlkommission auf ihrer Webseite mit, etwa die Hälfte der Wahlberechtigten hätten bei dem Referendum mit Ja zum EU-Kurs gestimmt.
Noch Stunden zuvor hatten die Teilergebnisse der Auszählung auf ein Scheitern des Referendums hingedeutet – die Gegner des Referendums lagen zunächst mit 57 Prozent in Führung. Noch steht aber die Auszählung der im Ausland lebenden Moldawierinnen und Moldawier aus. Experten rechnen bei dieser Wählergruppe mit einem mehrheitlich pro-europäischem Votum.
“Ausländische Kräfte” am Werk?
Noch in der Nacht hatte sich Sandu zum möglichen Scheitern des Referendums geäußert und den Vorwurf der Wahlmanipulation erhoben. Moldau sei “heute und in den vergangenen Monaten mit einem noch nie dagewesenen Angriff auf die Freiheit und Demokratie in unserem Land konfrontiert”, warnte Sandu. “Kriminelle Gruppen, die mit ausländischen Kräften zusammenarbeiten” versuchten, “den demokratischen Prozess zu untergraben”.
Es seien “Millionen Euro” ausgegeben worden, um mit Lügen und Propaganda “Unsicherheit und Instabilität” zu erzeugen. Zudem gebe es Beweise, dass etwa 300.000 Stimmen für ein Nein beim Referendum gekauft worden seien, kritisierte Sandu.
Die Polizei hatte vor dem Wahltag tonnenweise Propagandamaterial beschlagnahmt, mit dem gegen eine EU-Mitgliedschaft des kleinen Landes zwischen der Ukraine und Rumänien Stimmung gemacht werden sollte, wie ARD-Korrespondent Björn Blaschke berichtet. Denn nicht nur die EU hätte Moldau gerne auf ihrer Seite – auch der russische Kreml würde die ehemalige Sowjetrepublik gerne in seinem Lager sehen. Die nach einem EU-Beitritt strebende Führung des verarmten Agrarstaats sieht Russland als größte Bedrohung für die Stabilität der Republik.
Als einflussreicher Akteur in der moldauischen Politik gilt neben Russland der ins Ausland geflüchtete moskautreue Oligarch Ilan Shor, der in seiner Heimat wegen Geldwäsche und Betrug in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde und zur Fahndung ausgeschrieben ist. Russischen Staatsmedien zufolge warf Shor seiner Rivalin Sandu vor, bei der Wahl gescheitert zu sein – Moldau brauche die EU nicht.
Sandu muss wohl in die Stichwahl
Sandu kündigte an, zunächst das Endergebnis der Stimmenauszählung abwarten und dann Entscheidungen treffen zu wollen. Was konkret sie damit meinte, ließ die 52-Jährige offen. Noch ist auch nicht sicher, ob Sandu auch künftig an der Staatsspitze von Moldau stehen wird. Darüber wird voraussichtlich eine Stichwahl Anfang November entscheiden.
Nach Auszählung von rund 97 Prozent der Wählerstimmen lag Sandu am frühen Montagmorgen mit fast 42 Prozent zwar klar vorn, verpasste aber die absolute Mehrheit, um die Wahl schon in der ersten Runde für sich entscheiden zu können.
Sandus Gegner in der Stichwahl wird aller Voraussicht nach der frühere Generalstaatsanwalt Alexandru Stoianoglo sein, der rund 26 Prozent der Stimmen erhielt und für die traditionell starke Sozialistische Partei des prorussischen Ex-Präsidenten Igor Dodon antritt.
Insgesamt waren elf Bewerber zur Wahl angetreten, darunter einige, die sich für gute Beziehungen zu Russland einsetzen.
Fördergeld in Aussicht gestellt
Russland wirft der Europäischen Union vor, mit Milliardenversprechen Einfluss auf die Abstimmung genommen zu haben. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte bei einem Besuch in Chisinau und einem Treffen mit Sandu kurz vor der Abstimmung 1,8 Milliarden Euro an Fördergeld in Aussicht gestellt. Die Finanzspritze soll vor allem das Wachstum ankurbeln, Arbeitsplätze schaffen sowie Dienstleistungen und Infrastruktur verbessern.
Auch am Wahlsonntag gab es teils scharfe Kritik daran, dass Sandu die Präsidentenwahl und das EU-Referendum miteinander verknüpfte. Mehrere Politiker von Parteien aus dem russlandfreundlichen Lager boykottierten das Referendum und sprachen von einem rechtswidrigen Prozess. “Die Gespräche mit der Europäischen Union sollen fortgesetzt werden, doch die Entscheidung über eine Mitgliedschaft in der EU sollten erst nach dem Abschluss dieser Verhandlungen getroffen werden, wenn alle Bedingungen klar sind”, sagte Ex-Präsident Dodon. Erst dann sei ein Referendum möglich.