Es ist nicht immer Corona: Wenn’s nach der Wiesn brennt | ABC-Z
München – Nach dem Oktoberfest liegen viele Münchnerinnen und Münchner flach, mit Erkältung, Grippe oder Corona-Virus. Aber auch andere Krankheiten machen jetzt die Runde: Geschlechtskrankheiten.
Nach der Wiesn gebe es einen leichten Anstieg der Infektionen mit Syphilis und Gonorrhoe, sagt Stefan Zippel, Leiter der Psychosozialen Beratungsstelle für HIV-Infizierte und AIDS-Kranke an der LMU-Klinik. “Dramatisch” sei das aber nicht.
“Ein paar Dutzend” Infektionen mit der sexuell übertragbaren Erkrankung Syphilis registriert Zippel im Moment. “Man geht davon aus, dass die Wiesn ein Trigger-Faktor dafür ist”, sagt der Experte. Denn zum einen kämen auf dem Oktoberfest viele Menschen zusammen, wo es eben auch zu Flirts und Sex komme. Zum anderen enthemme der Alkohol viele Besucher, die Sex ohne Kondom haben.
Die Wiesn ist ein Trigger-Faktor für Syphilis
Die Zahl der festgestellten Infektionen werde in den kommenden Wochen ansteigen und Anfang November wieder abflachen, schätzt Zippel. “Das ist aber nicht dramatisch und generell kein Problem für München.”
Geschlechtskrankheiten wie Syphilis oder Chlamydien werden beim Sex übertragen. Infizierte haben oft keine Symptome – weshalb viele Ansteckungen nicht entdeckt werden und unbehandelt bleiben. Hinweise auf eine mögliche Infektion mit einer Geschlechtskrankheit sind Juckreiz und Schmerzen im Genitalbereich, Brennen beim Wasserlassen oder auffälliger Ausfluss aus der Scheide oder aus dem Penis. Unbehandelte Erkrankungen können zu Unterleibsentzündungen, Krebs und Unfruchtbarkeit führen.
In München wurden im vergangenen Jahr mehr als 550 Neuinfektionen mit Syphilis nachgewiesen, in Bayern waren es 1450 Fälle, teilt das Gesundheitsreferat auf Nachfrage der Abendzeitung mit.
Außerdem wurden demnach in München gut 180 HIV-Infektionen gemeldet. Für viele Geschlechtskrankheiten, wie für Gonorrhoe, liegen keine genauen Zahlen vor, da es für sie in Deutschland keine Meldepflicht gibt.
Enthemmter Sex im Rausch
Hinweise auf erhöhte Infektionszahlen wegen des Oktoberfests sieht man in der Beratungsstelle des Gesundheitsreferats nicht. Jedoch ziehe die Wiesn viele Besucher aus dem Ausland an, die München vor einer möglichen Entdeckung einer Erkrankung wieder verlassen. Diese Infektionen könnten vom Gesundheitsreferat nicht erfasst werden.
In der Vergangenheit hätten mehr Menschen die Beratungsstelle für Geschlechtskrankheiten aufgesucht, berichtet die Behörde. Auch ein anderer Arzt spricht von einer höheren Testbereitschaft nach dem Ende der diesjährigen Wiesn. “Aus den Gesprächen mit den Besucher*innen unserer STI-Beratungsstelle wissen wir, dass der Konsum von Alkohol oder Partydrogen oft zu ungeschütztem Sex führt”, teilt das Gesundheitsreferat mit.
Zudem beobachte man, dass die wirksamen HIV-Therapien, die eine Übertragung verhindern, häufiger zu ungeschütztem Sex führen. Dies erhöhe das Risiko, sich mit anderen sexuell übertragbaren Infektionen (STI) anzustecken. Homosexuelle Männer seien deshalb besonders gefährdet für eine Infektion mit Syphilis, sagt Experte Stefan Zippel. “Auch beim Schwulentag im Bräurösl werden sicherlich Infektionen weitergegeben.”
Viele Menschen wüssten nur wenig über Geschlechtskrankheiten und deren Folgen, sagt der Psychologe. “Es gibt viele junge Männer, die fühlen sich unverwundbar. Die haben nach dem Sex vielleicht ein Brennen beim Wasserlassen, gehen aber nicht zum Arzt. Zehn Jahre später, wenn es mit dem Kinderkriegen nicht klappt, besuchen sie doch den Arzt und stellen fest, dass die Samenleiter verklebt sind. Alles wegen der früheren Chlamydien-Infektion – die leicht zu behandeln gewesen wäre.”
Zippel geht davon aus, dass es hierzulande jährlich 100.000 Neuinfektionen mit Chlamydien gibt.
Test bei jedem Hausarzt möglich
Er empfiehlt sexuell aktiven Wiesn-Besuchern den Gang zum Arzt oder zur Beratungsstelle: Wer ungeschützten Sex hat, sollte sich lieber durchchecken lassen. “Bei einem Verdacht bitte zum Arzt gehen”, warnt der Experte.
Testen lassen kann man sich bei jedem Hautarzt, sagt Zippel, die seien auch auf Geschlechtskrankheiten spezialisiert. An der Poliklinik der LMU gibt es eine Ambulanz für sexuell übertragbare Infektionen, ein ähnliches Angebot hat auch die Technische Universität. “Als Frau kann man natürlich auch mit der Frauenärztin darüber sprechen”, sagt Zippel.
Die Kosten für einen Test übernehmen die Krankenkassen in der Regel nur, wenn Beschwerden oder ein konkreter Verdacht auf eine Ansteckung vorliegen. Eine generelle Untersuchung muss selbst bezahlt werden. Frauen bis 25 Jahre können sich jedoch einmal jährlich auf Chlamydien testen lassen. Kostenlos ist auch die Untersuchung in der STI-Beratungsstelle der Stadt München in der Bayerstraße: Hier kann sich jeder ohne Termin testen lassen.
Weniger Corona-Infektionen
Die erwartete Corona-Welle während der Wiesn ist dieses Jahr wohl niedriger ausgefallen als 2023. Darauf deuten die Messwerte des bayerischen Abwassermonitorings hin. Am 2. Oktober stieg die im Münchner Abwasser ermittelte relative Viruslast zwar auf den höchsten Wert des laufenden Jahres, sie lag umgerechnet aber nur etwa bei der Hälfte des Höhepunkts der Wiesn-Welle des vergangenen Jahres.
Weitere Messungen mit Proben vom 7. und 9. Oktober ergaben bereits wieder leicht niedrigere Werte. Die Abwassermessungen lassen zwar keine direkte Umrechnung in Infektionszahlen zu. Da aber kaum noch offiziell auf Corona getestet wird, sind sie eine der besten verbliebenen Möglichkeiten, das Infektionsgeschehen zu beobachten.