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Es geht um mehr als Faxgeräte: Deutschland wieder handlungsfähig machen – Promi-Gruppe stellt Ideen vor | ABC-Z

Deutschland ist zu bürokratisch, zu langsam und nutzt immer noch Faxgeräte – so wird das nichts mit der Zukunft. Das will die “Initiative für einen handlungsfähigen Staat” ändern, die ihren Abschlussbericht vorlegt. Darin stellt die Gruppe 35 Forderungen auf. Das ist allerdings der leichtere Teil der Übung.

Deutschland hinkt seit Jahren seinen eigenen Ansprüchen hinterher – Unternehmen und Privatleute klagen über zu viel Bürokratie, die Bahn kommt zu spät und die Mieten sind zu hoch. Was tun? Antworten auf diese Frage legt nun die “Initiative für einen handlungsfähigen Staat” vor – am Vormittag übergab die Gruppe einen Katalog mit 35 Forderungen an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Schirmherr der Initiative. Darin geht es um bessere Gesetze, bessere Verwaltung, kurzum einen besser funktionierenden Staat – und ein höheres Ziel: Das Vertrauen in den Staat und damit die Demokratie selbst zu retten.

Dieser Montag war der Schlusspunkt der Initiative – schon im März hatte sie die ersten 30 Maßnahmen vorgestellt. Ziel sei es damals gewesen, vor der Regierungsbildung Wirkung zu entfalten. “Wir wollten einen Impuls geben. Das ist uns gelungen”, sagte der Jurist Andreas Voßkuhle. Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichtes ist einer der Initiatoren. Peer Steinbrück (SPD) und Thomas de Maiziere (CDU) ebenfalls – Steinbrück war einst Finanzminister und Kanzlerkandidat für die SPD. De Maizière war Innen-, Verteidigungs- und Kanzleramtsminister unter Angela Merkel. Die Managerin Julia Jäkel führte über Jahre den Verlag Gruner und Jahr.

Neu im Abschlussbericht sind fünf Forderungen. So sollen Modellregionen benannt werden, in denen die Ideen erprobt werden können. Nachrichtendienste sollen erweiterte Befugnisse bekommen, die Integration von Einwanderern verbessert werden. Auch die Wirkung von sozialen Medien auf die Gesellschaft soll stärker thematisiert werden. “Das muss ein Top-Thema für die Politik sein”, forderte de Maizière. Da gehe es bei Desinformationen und Fake News um die Abwägung zwischen Zensur und Freiheit. Gesellschaftliche und politische Institutionen sollen nachhaltiger Pflege und Wertschätzung erfahren

Schon das Echo auf den Zwischenbericht im März war groß. Tatsächlich findet sich eine Vielzahl der Forderungen im Koalitionsvertrag wieder. Jäkel zitierte eine Schätzung, wonach es 70 Prozent in die Vereinbarung von Union und SPD geschafft hätten. Ein Beispiel ist das neue Ministerium für Digitales und Staatsmodernisierung, das der frühere Chef von Media Markt und Saturn, Karsten Wildberger, führt. Genau solch ein Ressort hatte die Initiative gefordert.

Digitalminister will Kfz-Anmeldung digitalisieren

Wildberger war ebenfalls zur Übergabe des Berichts an Steinmeier gekommen. Die Regierung habe in ihren ersten zwei Monaten bereits einiges auf den Weg gebracht, sagte er im Schloss Bellevue. Dabei nannte er den sogenannten “Bauturbo”, das Beschleunigungsgesetz für Glasfaser und Mobilfunk sowie das am Freitag verabschiedete Paket für Wirtschaftswachstum. Deutschland sei der richtige Spirit abhandengekommen, sagte Wildberger. “Wir müssen ins Machen kommen und Umsetzungswege gehen.” In den nächsten anderthalb Jahren solle die Kfz-Anmeldung digital und bundesweit einheitlich möglich werden, kündigte er an. Die Menschen müssten das Gefühl haben, dass etwas passiert.

Jäkel warnte davor, die notwendigen Schritte dem neuen Digitalminister allein zu überlassen. Das sei eine Gemeinschaftsaufgabe. Die anderen Minister müssten mitziehen. Ressortdenken müsse zurückstehen. Am Nachmittag sagte de Maizière in der Bundespressekonferenz, man müsse sich für das gesamte Programm zehn Jahre Zeit nehmen. So eine Aufgabe sei aber nie richtig abgeschlossen.

In Schlagworten klingen die Forderungen recht schwammig – in dem 160 Seiten langen Bericht werden sie aber konkreter ausformuliert. Sie umfassen elf Bereiche, darunter Gesetzgebung und Föderalismus, aber auch Abschiebungen, Klimaschutz und Soziales. Von entscheidender Bedeutung sei das “Herbeiführen von besseren und schnelleren Entscheidungsprozessen auf allen Ebenen”, sagte de Maizière. Von den Verwaltungen erwartete die Initiative die meisten Veränderungen, nicht von den Bürgern. Deshalb seien die Erfolgsaussichten höher als beispielsweise bei der Agenda 2010.

Steinbrück nannte drei Tendenzen der vergangenen “anderthalb Jahrzehnte”, die zu mehr Bürokratie geführt hätten: Das Streben nach Einzelfallgerechtigkeit sowie das Streben danach, möglichst alle Risiken per Gesetz auszuschließen. Der Staat trete außerdem nicht mehr auf als jemand, der die Menschen ertüchtigt, der sie machen lässt. “Wir sind ein perfektionistischer Staat”, sagte Voßkuhle. Doch mittlerweile sei das ein Perfektionismus um seiner selbst willen, nicht einer, um erfolgreich zu sein.

Warnung aus Zwickau

Die Formulierung von Modernisierungsideen ist womöglich der leichtere Schritt gewesen – die Umsetzung die schwierigere Aufgabe. Darauf verwies Constance Arndt, Oberbürgermeisterin von Zwickau, im Schloss Bellevue. Im Bericht stehe alles drin, sagte sie – “wir müssen es nur machen.” Aber: “Wir müssen uns klarmachen, das sind alles dicke Bretter.” Als Beispiel nannte sie Bauanträge. Da gehe es nicht nur darum, bestehende Prozesse zu digitalisieren. Es müsse auch entschieden werden, wie man den ganzen Ablauf verschlanken könne. Als Beispiel nannte sie den Bau eines Hauses. Wer selbst ein Haus baue, wolle möglichst frei von Regeln sein. Wenn der Nachbar baue, sollten alle Regeln aber penibel eigehalten werden. Mit diesem Beispiel zeigte sie auf, wie sehr der Teufel auch im Detail stecken kann.

De Maizière zeigte sich optimistisch zur Umsetzung: “Die Erfolgsaussichten sind auch deshalb gut, weil die Lage so schlecht ist”, sagte der frühere CDU-Politiker. Es gehe aber um mehr als um einen funktionierenden Staat. Es gehe um die Demokratie selbst, sagte Voßkuhle. “Wenn die Bürgerinnen und Bürger das Gefühl haben, dass ihr Staat nicht funktioniert, schauen sie nach einer Alternative und sagen: ‘Die, die es bisher gemacht haben, haben es versemmelt. Dann müssen es mal andere machen.’ Dabei ist es relativ egal, wer die anderen sind. Das können auch Leute sein, die nicht fürs Gemeinwohl arbeiten.”

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