Erstwähler in Bayern: So wollen junge Menschen wählen – Bayern | ABC-Z

Und doch gehören sie zu einer immer kleiner werdenden Minderheit. Das zeigen Daten des bayerischen Landesamtes für Statistik. Es gibt natürlich auch diejenigen, die das erste Mal wählen, weil sie vor Kurzem eingebürgert wurden. Der Großteil allerdings wählt das erste Mal, weil er oder sie nun das Wahlalter erreicht hat. 12,9 Prozent waren bei der Bundestagswahl 1990 unter 25 Jahre alt, heute sind es etwa 8,5 Prozent.
Was bedeutet das für die junge Generation? Die Gute Nachricht ist: Immerhin 54,6 Prozent der 16- bis 25-jährigen sind zufrieden mit der Demokratie in Deutschland – im Bundesschnitt ist es weniger als die Hälfte. Das zeigt eine Studie der Internationalen Hochschule vom September 2024.
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Gleichzeitig zeigt eine Befragung der Bertelsmann Stiftung vom Dezember, dass sich junge Menschen von der Politik oft nicht ernst genommen fühlen. Nur jeder Fünfte von ihnen glaubt, dass es einen Unterschied macht, sich persönlich für ein bestimmtes Thema einzusetzen. 40 Prozent denken sogar, dass sich die gesellschaftlichen Verhältnisse ohnehin nicht ändern lassen. Und mehr als 90 Prozent meinen, dass Parteien nicht offen für die Ideen junger Menschen sind. Zeit also, ihnen zuzuhören. Wir haben mit sechs Erstwählerinnen und -wähler gesprochen.
Pauline Mohnke ist 20 Jahre alt und studiert Jura in Erlangen. Bei der Bundestagswahl will sie ihre Stimme der CSU geben.

„Für mich bedeutet wählen zu gehen, mich in die Demokratie mit einzubringen und von meinem Recht Gebrauch zu machen, meine Zukunft aktiv mitzugestalten. Mir ist wichtig, dass die Wirtschaft gestärkt wird. Auch das Thema innere Sicherheit ist mir wichtig. Ich bin noch jung, ich habe noch viel Zukunft vor mir, da schätze ich Sicherheit. Ich möchte eine Familie haben, ohne Angst haben zu müssen, wie ich mir das finanziell irgendwie leisten kann. Für ein wirtschaftlich starkes Deutschland sollte man überlegen, ob dieser Wohlfahrtsstaat Sinn macht, und ob man vielleicht gewisse Teilzeitmodelle abschafft, sodass wir wieder zu einer Leistungsgesellschaft zurückkehren. Ich engagiere mich in der CSU auf Kreisebene im Vorstand und bei der Jungen Union im Vorstand der Bezirksebene. Bei der CSU gibt es, würde ich sagen, sehr flache Hierarchien, sodass man leicht die Möglichkeit hat, mit Abgeordneten oder Vorstehenden der Partei zu sprechen und seine Anliegen weiterzugeben, weshalb ich meine Interessen sehr gut vertreten sehe. Von Politikern der älteren Generation wünsche ich mir, dass sie trotz ihrer Erfahrung und Meinung offen sind für aktuelle Argumente der jungen Generation – und sich diese zumindest mal anhören und darüber nachdenken.“
Hanna H. ist 20 Jahre alt, studiert Soziale Arbeit und arbeitet in einem Langzeitwohnheim für psychisch erkrankte Erwachsene. Ihr voller Name soll nicht in der SZ stehen: „Seit ich mit waschechten Neonazis im Dorf wohne, fühle ich mich da ein bisschen unwohl“, sagt sie.
„Ich möchte eine Partei unterstützen, mit der ich das Land in die Richtung lenken kann, die ich für richtig halte. Wahrscheinlich die Grünen oder die Linke. Zu den Problemen, die mich beschäftigen, gehören der Ukraine-Krieg und die finanziellen Schwierigkeiten in Deutschland – besonders im Bildungsbereich und bei der Digitalisierung. Ich mache mir auch Sorgen um Rente und Altersarmut, die vor allem Frauen trifft. Deshalb sorge ich schon jetzt für mich vor. Die hohen Lebenshaltungskosten belasten mich ebenfalls. Ich fühle mich nicht arm, aber ich merke deutlich, dass Benzin und Lebensmittel teurer geworden sind. Die Wahlprogramme der Parteien habe ich mir durchgelesen und nicht den Eindruck, dass Friedrich Merz, die CDU oder Olaf Scholz die Interessen der jungen Generation wahrnehmen. Mein Eindruck ist: Viele junge Menschen kennen sich mit Politik nicht aus, oft weil sie kompliziert erscheint und sie sich zum Beispiel nicht die Parteiprogramme anschauen. Deshalb bin ich überzeugt, dass wir mehr politische Bildung in den Schulen brauchen und das Verständnis für Politik bei jungen Menschen stärker fördern müssen. Für Deutschland in zehn Jahren wünsche ich mir, dass wir wieder Respekt voreinander haben – sowohl vor unseren Mitmenschen als auch vor allen anderen Lebewesen. Und dass wir der Wissenschaft wieder mehr vertrauen.“
Marianne Ablaza Sanders ist 50 Jahre alt, lebt seit 15 Jahren in Deutschland. Die deutsche Staatsbürgerschaft hat die gebürtige Filipina seit einem Jahr. Noch ist sie unentschieden, wen sie wählen wird.
„Wenn man das erste Mal in Deutschland wählt, ist es schwierig, sich in die Menschen in Deutschland hineinzuversetzen, ihre Bedürfnisse und auch die politischen Strukturen zu verstehen. Ich muss noch lernen, wie die Politik hier im Detail funktioniert. Dafür braucht man Zeit. Aber Deutschland ist meine Heimat, mein Mann ist hier, meine Tochter ist hier. Ich wünsche mir eine gute Zukunft für meine Familie, ohne Rassismus und als Gemeinschaft. Es fühlt sich gut an, dass ich jetzt mitwählen darf. Deshalb informiere ich mich darüber, welche Parteien welche Ziele verfolgen, ich höre Radio, schaue Nachrichtensendungen und spreche viel mit meinem Mann. Im Moment habe ich nicht das Gefühl, dass es eine Partei gibt, die meine Interessen vertritt. Wir müssen uns auf die Zukunft fokussieren, aber anstatt zusammenzuarbeiten, schieben sich Politiker gegenseitig die Schuld zu. Das ist traurig, denn sie wollen nur sich selbst besser darstellen, anstatt Lösungen zu finden. Außerdem sehe ich vieles anders, das hier kritisiert wird, da die Situation in meiner Heimat oft viel schlechter ist als hier. Zum Beispiel ist das Bildungssystem in Deutschland sehr gut, deshalb würde ich mich nicht darüber beschweren. Aber sicher gibt es hier trotzdem Probleme. Ich hoffe, dass alle Verantwortung übernehmen und wählen gehen.“
Kimi Kroschel ist 21 Jahre alt, studiert Bauingenieurwesen in Nürnberg und macht parallel eine Ausbildung zum Maurer. Bevor er sich für eine Partei entscheidet, möchte er noch mal in die einzelnen Programme schauen.

„Ich finde es wichtig, zu wählen, wenn man die Möglichkeit hat. Es ist spannend, dass die eigene Stimme jetzt auch mal zählt und eine Auswirkung auf die Bundespolitik hat. Wobei mich gerade keine Partei so richtig überzeugt, bei allen finde ich noch viele Sachen, die mich stören. Mich beschäftigen vor allem Themen, die sich auch auf den Alltag auswirken: die Inflation zum Beispiel und, wenn man in die Zukunft schaut, auch das Thema Rente. Da ist klar, dass ein Problem auf uns zukommen wird. Auf Instagram kriegt man viel mit aus der Politik, aber da versuche ich immer vorsichtig zu sein. Wenn ich mich richtig informieren will, mache ich das abseits der sozialen Medien. Von der Politik würde ich mir mehr Transparenz wünschen, dass Vorgänge auch erklärt und den Bürgern näher gebracht werden. Und dass man zumindest versucht, Sachen umzusetzen, die man vorher angekündigt hat. Das ist natürlich aus meiner Position leicht gesagt. Für die Zukunft hoffe ich, dass es in Deutschland wirtschaftlich wieder bergauf geht. Und dass es sicher ist im Land und kein Krieg ausbricht.“
Kilian Pöschl ist 19 Jahre alt und macht ein Freiwilliges Soziales Jahr bei einem Sportverein in Regensburg. Er tendiert gerade zu den Grünen.
„Bevor ich 18 Jahre alt geworden bin, war für mich Politik eher ein Randthema, etwas, über das sich die Eltern beim Essen unterhalten. Mit der Wahl habe ich nun einen konkreten Anlass, mich mit Politik auseinanderzusetzen. Jetzt selbst zu wählen und dass meine Themen Gehör finden, finde ich sehr wichtig. Aktuell finde ich, dass in Deutschland die Umweltpolitik etwas untergeht. Selbst wenn man sich um alle möglichen anderen Sachen zu kümmern hat, muss die Umwelt mitgedacht werden. Die Grünen scheinen mir die Partei zu sein, die noch am meisten Wert darauf legt. Auch finde ich Robert Habeck den sympathischsten und kompetentesten der Kanzlerkandidaten. Von der Politik würde ich mir wünschen, dass zukünftig ruhiger und friedlicher diskutiert wird. Und dass mehr mit jungen Leuten geredet wird. Natürlich sind die meisten Wähler älter und haben andere Interessen. Aber Fakt ist, dass die Jungen noch länger leben werden und die Konsequenzen der Entscheidungen tragen müssen. Ich hoffe, dass auch zukünftig Menschen, die Hilfe brauchen, nach Deutschland kommen können und sich sicher fühlen können. Mit dieser Perspektive fühle ich mich zuletzt von der Politik etwas alleingelassen.“
Cameron Schück ist 19 Jahre alt und absolviert ein Orientierungsstudium in Erlangen. Wen er wählt, will er nicht sagen. Zu schnell gehe es nicht mehr um Inhalte, sondern um Partei-Schubladen.

„Wählen zu dürfen, geht für mich mit der Verantwortung einher, seinen Beitrag in der Demokratie zu leisten. Neben der Gleichberechtigung von Frauen, queeren Rechten und Vielfalt, empfinde ich soziale Gerechtigkeit als das mit Abstand wichtigste politische Thema. Meiner Meinung nach sollten alle Menschen Zugang zu gesunden Lebensmitteln und Medikamenten, zu Freizeitaktivitäten und Wohnraum haben. Wäre das geschafft, ließen sich auch andere Probleme, wie der Klimawandel, leichter lösen. Der Demokratie würde es helfen: Wenn die Leute mehr Zeit hätten, könnten sie sich wirklich mit politischen Inhalten auseinandersetzen und würden sich hoffentlich nicht von Populisten überzeugen lassen. Von der aktuellen Politik fühle ich mich nicht ausreichend vertreten. Anstatt mit echten Inhalten versuchen viele Politiker Erstwähler mit Social-Media-Trends und -Posts abzugreifen. Junge Bewegungen, wie ‚Fridays for Future‘, werden dagegen gar nicht mehr ernst genommen. Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass Deutschland die Klimaziele einhält und eine demokratische Außenpolitik macht. Und dass die Politiker aktiver die Zeit nutzen, die sie im Amt haben. Nicht für ihre eigenen Interessen, sondern für das Wohl aller. Je mehr Zeit untätig vergeht, desto weniger Zeit haben wir, um noch wirklich etwas gegen den Klimawandel und für soziale Gerechtigkeit zu tun.“