Erster Titel der Klubgeschichte: Glasner gewinnt mit Crystal Palace den FA Cup – Sport | ABC-Z

Nachdem Oliver Glasner die goldene Medaille für den Triumph im FA Cup entgegengenommen hatte, war der Trainer von Crystal Palace auf der Ehrentribüne kurz nicht mehr zu sehen. Vereinspatron Steve Parish umarmte ihn derart innig, als würde er ihn heiligsprechen. Wie ein Pfarrer schmachtete Parish später in der Fußballkathedrale Wembley, Glasner habe „allen den Glauben“ zurückgegeben. Denn bis zum Samstagabend war dem unscheinbaren Verein, der 1905 südlich der Themse in London gegründet worden war, in seiner 120-jährigen Historie trotz mehrerer Finalteilnahmen nie eine große Trophäe vergönnt gewesen. Die Sehnsucht packten die Fans in eine Choreografie vor Spielbeginn, die ein Foto von zwei Jungs zeigte, die gemeinsam mit ihrem Vater vor langer Zeit über ein gewonnenes Palace-Pokalspiel jubelten. Dazu hieß es auf einem Banner: „Wembley wird beben … und es wird wunderschön sein“.
Die Hoffnung trat ein: Das Stadion war am Ende mit Glitzer, Luftballons und Freudengesang überzogen. Der größte Erfolg sei nicht, den Pokal hochzuhalten, betonte Trainer Glasner, sondern den zigtausend Menschen einen Moment für ewige Erinnerung zu schenken – zum Beispiel jenen zwei auf dem Bild, die ohne ihren inzwischen verstorbenen Vater im Stadion waren. Vor Glasner, 50, hatten sich insgesamt 44 Palace-Trainer in längeren Amtsperioden an einem Titel versucht, einige von ihnen mehrmals. Man sei den Fans einfach einen Pokal schuldig gewesen, bilanzierte Besitzer Parish – diesen habe man nun geliefert.
Rückblickend wirkt es fast wie vorbestimmt, dass ausgerechnet Glasner es nun geschafft hat – weil sein Name der früheren Bezeichnung des Klubs entspricht. Glasner ist die Übersetzung für Glazier, und gläsern ist der Kristallpalast („Crystal Palace“), der zum Namensgeber des Klubs wurde. Die Glaziers wandelten sich später zu Eagles (Adler), was wiederum ebenfalls perfekt zu Glasner passt: Denn er gewann ja zuvor mit der Frankfurter Eintracht die Europa League (2022), deren Maskottchen ebenfalls ein Adler ist.
Seit seinem Amtsantritt im Februar 2024 flogen die Eagles jedenfalls hoch, in dieser FA-Pokalrunde über Stockport, Doncaster, Millwall, Fulham und Aston Villa hinweg – und stießen nun im Finale den Seriensieger Manchester City mit einem taktisch tadellosen 1:0 (1:0) aus dem Titelhimmel. Glasners Kollege Pep Guardiola beendet damit erstmals seit seiner Debütsaison in Manchester vor acht Jahren eine Saison ohne einen einzigen Pott. Er fühle sich leer, berichtete Glasner nach dem ersten Titelgewinn eines Österreichers auf englischem Rasen. Er hatte zuvor derart intensiv gecoacht, dass er zwischenzeitlich auf seinen schwarzen Glückspullover verzichtete und nur noch ein T-Shirt trug.
Seinen Matchplan begann Glasner schon vor einem Monat umzusetzen, als er nach dem 2:5 in der Ligapartie bei City zu Guardiola sagte: „Du kannst das System nicht noch mal verwenden, weil wir es lösen werden.“ Damals hatte Guardiola überraschend den Spielaufbau seines Teams verändert und den Palace-Defensivblock über die Seiten aufgebrochen. Glasners Aussage war strategisch angelegt. Sie zielte auf ein mögliches Wiedersehen im FA Cup ab und sollte den Kontrahenten prophylaktisch ins Grübeln bringen. Tatsächlich veränderte Guardiola seine Mannschaft am Samstag im Vergleich zu jenem 5:2 grotesk auf sieben Positionen, dazu wechselte er Formation und Taktik. Die neue Anordnung schien die eigene Elf zu verunsichern – und Palace entgegenzukommen. City wollte mehr durchs Zentrum kombinieren, was Glasners Elf aber diszipliniert verhinderte. So gab es nur wenige klare Torchancen für den Favoriten, die überhastet vergeben wurden. Insgesamt war kaum Balance im City-Spiel vorhanden, weil Guardiola in der Aufstellung komplett auf defensive Mittelfeldspieler verzichtet hatte.
Anstelle der Stabilisatoren Nico González und Matteo Kovačić (angeschlagen nicht im Kader) zog Guardiola die Offensivallrounder Kevin De Bruyne und Bernardo Silva auf die Positionen vor der Abwehr. Die Konsequenz war vor dem Siegtreffer von Eberechi Eze (16. Minute) zu beobachten: Palace-Stürmer Jean-Philippe Mateta konnte nach einem Befreiungsschlag den Ball sichern und weiterleiten, weil De Bruyne in der ungewohnten Rolle unter dem Ball durchsprang, die Orientierung verlor und sich falsch verhielt. Die ganze Darbietung von Manchester City erinnerte ans verlorene Champions-League-Finale 2021 gegen Chelsea (0:1). Nicht weil Chelseas damaliger Trainer Thomas Tuchel in seiner jetzigen Funktion als Englands Nationalcoach am Samstag im Stadion weilte – sondern weil sich Guardiola ähnlich diskutable Taktik-Entscheidungen leistete wie damals. Der Guardian kommentierte süffisant, Guardiola sei auf Glasners „Psychospiele“ hereingefallen.
Guardiola wirft Palace-Torwart Henderson Zeitspiel vor, der verweist auf die zehn Minuten Nachspielzeit
Guardiolas Zorn entlud sich nach Spielende am überragenden Palace-Torwart Dean Henderson. Als sich die Laufwege der beiden kreuzten, wich Guardiola demonstrativ aus. Dabei echauffierte er sich über dessen angebliche Spielverzögerungen. Diesen Vorwurf konterte Henderson, indem er Guardiola die Handflächen entgegenstreckte – symbolisch für die zehnminütige Nachspielzeit, die City zuvor erhalten hatte. Seine beste Parade zeigte Henderson beim abgewehrten Elfmeter von City-Stürmer Omar Marmoush (36.). Überraschend hatte der kürzlich verletzt ausgefallene Torjäger Erling Haaland auf die Ausführung verzichtet, obwohl er zuvor noch den Ball geküsst hatte. Offenbar flatterten dem Norweger die Nerven – denn er hat noch nie für City im Wembley getroffen und auch nicht in einem der bisher acht absolvierten Endspiele mit dem Klub. Er dachte, dass Haaland den Elfmeter ausführt, gab Guardiola später zu. Haaland trat letztlich nur einmal gefährlich in Erscheinung, als Henderson in der 24. Minute den Ball vor ihm mit der Hand wegpatschte, außerhalb des Strafraums. Eigentlich eine rote Karte – aber der Videoschiedsrichter stufte die Szene als keine Vereitelung einer klaren Torchance ein und griff deshalb nicht ein.
Durch die Finalpleite hat sich der Druck auf City vor der letzten Saisonwoche nochmals erhöht. Während Palace durch den Titel erstmals einen Startplatz für die Europa League sicher hat, ist nicht mal dieser Europacup-Wettbewerb derzeit für City garantiert. In der Premier League ist man mit einem Spiel weniger auf Platz sechs zurückgefallen, es droht sogar die Conference League. Immerhin hat man alles in der eigenen Hand, mit zwei Siegen gegen Bournemouth (Dienstag) und Fulham (Sonntag) würde City erneut die Champions League erreichen.