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Erster Christopher Street Day in Ebersberg: „Hey, wir sind hier!“ – Ebersberg | ABC-Z

Strahlend winkt Vicky Voyage den Verkäuferinnen zu, die ein bisschen skeptisch aus dem dunklen Laden am Bahnhof herausspähen. Ihre Eleganz hat auch nach ein paar Kilometern in der sengenden Sonne nicht gelitten, im gelben Spitzenkleid, Sonnenhut und grünen Samtstiefeln mit schwindelerregend hohen Absätzen läuft sie in strammem Tempo in der ersten Reihe mit. Ihr Tipp? „Einfach machen, nicht so viel drüber nachdenken!“

Stargäste beim ersten Ebersberger CSD: Drag King Perry Stroika und Drag Queen Vicky Voyage. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Münchner Drag Queen ist eine der markantesten Persönlichkeiten beim ersten Ebersberger Christopher Street Day in der Geschichte. Außer ihr sind noch etwa 420 weitere Menschen an diesem hochsommerlich heißen Samstagnachmittag in die Ebersberger Innenstadt gekommen. Bunte Flaggen wehen in der leichten Brise, in vielen Gesichtern leuchten Regenbogenfarben oder Glitzersteinchen, einige haben sich Blütenketten umgehängt, eine Teilnehmerin trägt Katzenöhrchen.

Sogar eine kleine Delegation des „Münchner Löwen Clubs“, nach eigenen Angaben einer der größten schwulen Fetischvereine Europas, ist gekommen. Die Männer in Lack und Leder wirken trotz Temperaturen über 30 Grad gelassen, „wer am Ende den schönsten Sonnenbrand hat, kriegt ein Eis“, witzelt einer.

Die Premiere ist geglückt, mehr als 400 Menschen haben an dem Zug teilgenommen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)
Ein gutes Miteinander muss auch auf dem Land normal sein, das ist eine der Forderungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. (Foto: Peter Hinz-Rosin)
Die Farben des Regenbogens dominieren am Samstag das Bild auf dem Ebersberger Marienplatz. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der größte Teil der Menschen, die sich dem Zug anschließen, trägt einfach Alltagskleidung – und ein strahlendes Lächeln im Gesicht. Denn eines eint alle: Sie sind ausgelassen, fröhlich und glücklich darüber, dass sie jetzt auch in einer Kleinstadt wie Ebersberg sichtbar sein dürfen, gesehen werden. „We are here – loud and queer“, skandieren die Teilnehmenden immer wieder, als sie durch die Stadt ziehen.

Ein Zeichen zu setzen, dass Vielfalt auch auf dem Land Normalität sein muss, das ist allen wichtig. In der Großstadt sei das alles ja meist kein Problem mehr, „aber im Hinterland haben Queers oft Angst, sichtbar zu werden“, sagt Rune – Pronomen they/them – vor dem Zug und dem anschließenden Auftritt mit Poesie auf der Bühne.

„Hey, wir sind da! Wir wollen gesehen werden“, das sei es, was man mit der Versammlung ausdrücken wolle, sagt auch Merle Spreen, eine der Ordnerinnen. Sie ist begeistert von dem Tag: „Es ist wundervoll, klein, aber fein“, sagt die Zornedingerin. „Wir haben gezeigt, dass wir viele sind. Und wir sind perfekt, genauso wie wir sind.“ Zwei besondere Momente hat sie beim Zug durch die Stadt erlebt, wie sie erzählt: die freundlichen Blicke von Patientinnen und Patienten und Pflegepersonal, als der Zug an der Kreisklinik vorbeikam. Und eine Mutter, die mit ihrem Sohn, der im Rollstuhl saß, vom Fenster zugeschaut habe. „Der Sohn hat uns zugelächelt. Das fand ich sehr süß.“

Ordnerin Merle Spreen aus Zorneding: “Wir haben gezeigt, dass wir viele sind. Und wir sind perfekt, genau wie wir sind.” (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Vor dem CSD waren die Erlebnisse des Veranstalterteams freilich nicht nur positiv gewesen. Einschüchterung und Anfeindungen, das ist der LGBTQ-Szene im Landkreis nicht fremd. Die CSD-Organisatorinnen und Organisatoren hatten in den sozialen Netzwerken, aber auch persönlich diskriminierende und queerfeindliche Reaktionen erfahren. An diesem Tag allerdings fallen auch die Reaktionen derer, die sich den Umzug und die Party nur anschauen, vorwiegend positiv aus – auch wenn am Straßenrand einige stehen, die das Geschehen mit unbewegten Mienen mit ihren Handys filmen. Sie sind aber an diesem Tag die Ausnahme.

Der Bürgermeister wünscht sich, dass alle lange durchhalten

Daniela und Sepp Reil etwa sind extra aus Haar gekommen und bewundern den Zug. Sie freuen sich, dass so etwas nun in Ebersberg möglich ist. „Ich verstehe gar nicht, warum sich manche darüber so ärgern – es wird doch niemandem was weggenommen“, sagt Daniela Reil. Ein paar Meter weiter steht die Ebersberger Landtagsabgeordnete Doris Rauscher mit regenbogenfarbigem Band um den Hals. Es sei wichtig, dass jetzt auch außerhalb der Großstädte endlich mehr Offenheit herrsche, sagt die queerpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion.

Und auch der Ebersberger Bürgermeister freut sich erkennbar, dass die erste Auflage des CSD in Ebersberg so viel Anklang findet. „Danke, dass sich Ebersberg in die Reihe der anderen Städte mit einem CSD einreihen darf“, ruft Ulrich Proske zu Beginn von der Bühne. Der Ebersberger Marktplatz sei für alle da – mit Ausnahme einer Partei. Ins Detail muss er nicht gehen. Er ruft die Menge dazu auf durchzuhalten, schließlich würden gegen 19 Uhr die Besucher aus der Partnerstadt Yssingeaux erwartet, „dann können wir gleich weiterfeiern“.

Ein Teil des Organisationsteams (von links): Karoline Kurth, Marla Hantschel, Marlen Görlach und Arian Kunze. (Foto: Peter Hinz-Rosin)
Die Polizisten begleiteten den Zug zum Teil auf Mountainbikes. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Tatsächlich halten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bis zum frühen Abend durch, bejubeln das Bühnenprogramm und am Ende auch das Orga-Team. Erschöpft, aber überglücklich zieht Arian Kunze eine erste Bilanz: „Es war einfach großartig, so viele Leute, so eine geile Stimmung, ich finde gerade keine Worte.“ Man habe ein Signal gesetzt: „Ebersberg ist bunt. Wir sind out, wir sind proud, wir machen weiter!“ Und auch bei der Polizei schließt man sich ohne Einschränkungen der positiven Bilanz an. „Es war eine sehr gelungene Veranstaltung, es hat alles bestens funktioniert, alle Auflagen wurden eingehalten“, sagt Einsatzleiter Stephan Raab. „Wenn alle Veranstaltungen so wären, könnten wir zufrieden sein.“

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