Erneutes Ampel-Krisentreffen im Kanzleramt | tagesschau.de | ABC-Z
Massive Gegensätze in der Wirtschaftspolitik und ein härter werdender Ton: Die Ampelkoalition befindet sich in ihrer wohl größten Krise. Ein erneutes Treffen von Kanzler Scholz und den Ministern Lindner und Habeck endete nach zwei Stunden.
Auf der Suche nach einem Ausweg aus der Koalitionskrise hat sich Kanzler Olaf Scholz (SPD) erneut mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Kanzleramt getroffen. Nach rund zwei Stunden war das Treffen beendet, über Ergebnisse ist nichts bekannt. Die Koalition streitet grundlegend über die Wirtschaftspolitik. Unabgestimmte Gipfeltreffen und unterschiedliche Papiere hatten den Konflikt zuletzt befeuert.
Konkret müssen vor der entscheidenden Sitzung des Haushaltsausschusses zum Etat 2025 am 14. November auch noch Lücken geschlossen werden. Seit Tagen lädt Scholz zu Treffen in kleinen Runden, in denen es um die Zukunft der Koalition geht. Am Mittwoch tritt dann mit dem Koalitionsausschuss eine größere Runde zusammen, der auch die Partei- und Fraktionschefs von SPD, Grünen und FDP angehören.
Streit über Lindners Positionspapier
Ein Ende vergangener Woche bekannt gewordenes Positionspapier Lindners hatte den Streit über die Wirtschafts- und Haushaltspolitik in der Ampel-Regierung weiter angeheizt. Der FDP-Chef fordert darin etwa Steuersenkungen für Unternehmen, Lockerungen der Klimavorgaben und die Reduzierung von Subventionen und Sozialleistungen. Viele der Vorschläge widersprechen dem bisherigen Kurs der Bundesregierung.
Habeck sieht FDP und SPD am Zug
Wirtschaftsminister Habeck ging darauf im Streit über den Haushalt 2025 einen Schritt auf Lindner zu. Er bot an, frei werdende Mittel für die vorerst nicht gebaute Intel-Chipfabrik in Magdeburg zu nutzen, um Löcher im Bundeshaushalt zu stopfen. Dies hatte Lindner gefordert.
Habeck sieht in der Krise der Koalition nun SPD und FDP am Zug, um ein vorzeitiges Aus des Bündnisses abzuwenden. “Nun erwarte ich allerdings auch, dass die anderen auch im eigenen Bereich mal Vorschläge machen und nicht immer nur – und das ist ja das schlechteste Spiel – immer den anderen sagen, was sie von ihnen erwarten”, sagte Habeck in den tagesthemen. Er habe jetzt vorgelegt.
Appell zum Durchhalten
Habeck rief angesichts der US-Wahl und des Ukraine-Kriegs zum Durchhalten auf. Dies sei die schlechteste Zeit, eine Regierung platzen zu lassen. Die Ampel habe es immer wieder hinbekommen, in schwierigen Situationen auch Beschlüsse zu fassen. Aber: “Diese Koalition wird auch keine Liebesbeziehung mehr werden”, so Habeck.
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge mahnte die Koalitionäre ebenfalls, jeder müsse sich nun bewegen, man müsse mehr miteinander reden. Habeck habe hierbei vorgelegt, sagte Dröge im Morgenmagazin.
Hart ging Dröge mit dem “Papier für eine Wirtschaftswende” von Lindner ins Gericht. Dies sei eine “gezielte Provokation” und ein “hartes Papier” mit Sicht der FDP gewesen. Sie kritisierte zugleich die Absage Lindners, die Schuldenbremse zu lockern. Diese habe sich zu einer Wachstumsbremse entwickelt.
FDP: Deutschland braucht Wirtschaftswende
FDP-Fraktionschef Christian Dürr spielte den Ball zurück. Dürr sagte der Nachrichtenagentur dpa, es sei folgerichtig, dass die Intel-Milliarden zurück in den Haushalt gingen. “Ich bin froh, dass auch Robert Habeck zu dieser Einsicht gekommen ist. Vom Wirtschaftsminister würde ich mir in dieser Situation aber substanzielle Ideen zur Stärkung unseres Wachstums wünschen. Wir brauchen eine echte Wirtschaftswende”, so Dürr. Der Finanzminister habe dazu Vorschläge gemacht.
Scholz: “Pragmatismus statt Ideologie”
Derweil erwartet der Kanzler, dass die Ampelkoalition ihre Arbeit fortsetzt. “Wir haben dafür eine Grundlage. Das ist der Koalitionsvertrag. Der ist verhandelt”, hatte Scholz bereits am Montag deutlich gemacht.
Zudem habe das Kabinett im Sommer einen Entwurf für den Bundeshaushalt auf den Weg gebracht. Dem Bundestag sollten dazu nun noch “ein paar zusätzliche Vorschläge” gemacht werden. Es gehe in der aktuellen Zeit um Pragmatismus und nicht um Ideologie.
Scholz selbst sieht sich trotz der Krise noch als Kapitän der Ampel-Regierung. Bei einem Sportempfang der SPD-Bundestagsfraktion antwortete er auf die Frage, ob er sich eher als Schiedsrichter oder Trainer sehe: “Ich bin ja noch auf dem Platz, insofern wäre Kapitän wahrscheinlich passender als eine dieser beiden Alternativen. Ich spiele mit und versuche schon, dass die Mannschaft Tore schießt.”