Erneuerbare Energien in Berlin: Windrad-Pläne für den Grunewald nicht vom Tisch | ABC-Z

Gaeblers Verwaltung hatte Anfang Juni berlinweit acht Standorte präsentiert, die sich aus ihrer Sicht für die Errichtung von Windkraftanlagen eignen, darunter Grundstücke im Norden Pankows, am Lichtenberger Stadtrand und eben 72 Hektar im Grunewald, entlang der Avus. Der Aufschrei war riesig.
Gegen den Grunewald-Plan ging nicht nur der Naturschutzbund Nabu auf die Barrikaden. Auch die CDU echauffierte sich nach Kräften, vorneweg CDU-Senatschef Kai Wegner. „Eins ist sicher“, gab Berlins Regierender Bürgermeister einmal mehr den beherzten Machtwortsprecher: „Im Grunewald werden wir keine Bäume fällen, um ein Windrad aufzustellen.“
Genutzt hat es vorerst nichts, zumindest nicht bei dem für die Vorbereitung der notwendigen Änderungen des Flächennutzungsplans zuständigen SPD-Senatskollegen Christian Gaebler.
Wegner will Gesetz kippen
In einer aktuellen Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des Grünen-Abgeordneten Stefan Taschner führt die Stadtentwicklungsverwaltung zwar lang und breit aus, dass sich der Senat „der besonderen Bedeutung des Waldes und der hohen Konfliktlagen im Hinblick auf eine Nutzung für Windenergie sehr bewusst“ sei.
Auch fielen „alle Waldflächen“ der Hauptstadt in „die höchste Schutzkategorie“. Nur könne man da nichts machen, auch nicht im Grunewald, weil die vorliegende Planung lediglich „den Vorgaben des Windenergieflächenbedarfsgesetzes des Bundes geschuldet“ sei. An allen acht Flächen wird deshalb festgehalten.
Nach besagtem Gesetz muss Berlin bis Ende 2027 insgesamt 0,25 Prozent seiner Fläche – das sind 223 Hektar – „als Vorranggebiet für die Windenergie“ ausweisen, bis 2032 sollen es 0,5 Prozent sein. Wegner will das nicht länger hinnehmen. „Der Regierende Bürgermeister wirkt aktuell auf Bundesebene darauf hin, dass die entsprechende gesetzliche Vorgabe geändert wird“, heißt es in der Antwort auf die Grünen-Anfrage.
Konkret sieht das Hinwirken so aus, dass Wegner einen Brief an Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) geschrieben hat. Auf taz-Nachfrage will ein Sprecher des Bundesministeriums die Korrespondenz nicht kommentieren. Nur so viel: Reiche verstehe „die besondere Herausforderung der Stadtstaaten beziehungsweise der urbanen Räume beim Ausbau der Erneuerbaren Energien“.
Ansonsten scheint das Schreiben aus dem Roten Rathaus aber wenig Eindruck gemacht zu haben. „Über Anpassungen zum Windenergieflächenbedarfsgesetz kann ich aktuell nicht berichten“, so der Sprecher.
Grüne kritisieren Intransparenz
Das Gesetz mit seinen Zielvorgaben sei überhaupt nicht das Problem, stellen die Berliner Grünen klar. Sie stören sie sich an der Kommunikation. „Die Standortauswahl bleibt intransparent, die Kriterien unklar“, sagt Stefan Taschner, der energiepolitische Sprecher der Grünen-Fraktion.
Tatsächlich hatte 2023 eine noch von Rot-Grün-Rot in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie zur Windenergienutzung in Berlin 31 größere Potenzialflächen und zwölf Standorte für Einzelanlagen ermittelt. Taschner wollte wissen, weshalb man sich ausgerechnet für die acht Areale entschieden hat.
Auf seine Frage, ob es eine schriftliche Auswertung gebe, in der alle 43 Standorte miteinander verglichen werden, antwortet die Senatsverwaltung knapp und ehrlich: „Nein.“ Ein Unding, findet Taschner. „So verspielt man Vertrauen bei der Bevölkerung“, sagt der Energie- und Klimaschutzexperte zur taz.
Dass sich Gaeblers Verwaltung mit der Auswahl der Flächen keine Freund:innen gemacht hat, zeigt die Mitte Juli zu Ende gegangene frühzeitige Bürger:innenbeteiligung. Innerhalb eines Monats kamen dabei rund 2.600 Einwendungen gegen die acht Flächen zusammen. Derzeit werden die Einsprüche ausgewertet, im kommenden Jahr soll in einem zweiten Schritt die formale Öffentlichkeitsbeteiligung starten.
Investoren sollen bereitstehen
„Da sind wir dann alle schlauer“, sagt Gaeblers Sprecher Martin Pallgen. Überhaupt sei noch nichts entschieden. So „berechtigte Gründe“ gegen einen bestimmten Standort sprächen, könnten „einzelne Gebiete auch reduziert werden oder ganz rausfallen“. Schon deshalb gebe es keinen Grund für Schnappatmung.
Im Moment gehe es ja nur darum, dass Berlin „seine Hausaufgaben gemacht“ und die gesetzlichen Vorgaben erfüllt hat, Areale zu benennen, sagt Pallgen. „Was dann dort passiert, ist Zukunftsmusik und steht auf einem ganz anderen Blatt, vor allem auf einem ganz anderen Genehmigungsblatt.“
In den Bezirken sollen nach taz-Informationen potenzielle Investoren für Windkraftanlagen freilich längst bereitstehen, um loszulegen, sobald der Flächennutzungsplan final vom Abgeordnetenhaus geändert ist. Bis spätestens Ende 2027 soll der Beschluss über die Bühne gegangen sein. Und zwar nicht nur für die bis dahin vorgeschriebenen 0,25 Prozent, sondern gleich für die kompletten 0,5 Prozent der Berliner Landesfläche.