Erklärung: Appell europäischer Chefredakteure zu ungarischem Mediengesetz | ABC-Z

92 Medienverantwortliche aus 21 Ländern haben die europäischen Regierungen und die Europäische Union in einer gemeinsamen Erklärung aufgefordert, gegen ein geplantes ungarisches Gesetz vorzugehen, das die Arbeit ausländisch finanzierter Medien einschränken soll. Über das Gesetz nach russischem Vorbild soll Mitte Juni im ungarischen Parlament abgestimmt werden. Da die Regierungspartei Fidesz die absolute Mehrheit hat, ist es wahrscheinlich, dass es verabschiedet wird.
Den Appell der Chefredakteure hat die ungarische Journalistin Veronika Munk initiiert. Sie war stellvertretende Chefredakteurin des Onlineportals index.hu, eines der führenden Medien des Landes, das sie im Juli 2020 zusammen mit achtzig Kollegen aus Protest gegen politische Einflussnahme verließ.
Unterschrieben wurde die Erklärung unter anderem von den Chefredakteurinnen und Chefredakteuren des britischen Guardian, der französischen Libération und der polnischen Gazeta Wyborcza und des österreichischen Falter. Auch Verantwortliche deutscher Medien unterschrieben: von Correctiv, Krautreporter und paper trail media.
Hier veröffentlichen wir die Erklärung und die Namen der Unterzeichner im Wortlaut:
Ungarn geht gegen die freie Presse vor – die EU muss jetzt handeln
Die ungarische Regierungspartei Fidesz schafft de facto die freie Presse ab – und im weiteren Sinne die demokratische öffentliche Debatte.
Mit dem am 13. Mai eingebrachten Gesetzentwurf zur “Transparenz” greift Fidesz zu autoritären Methoden, wie wir sie aus Putins Russland kennen. Sollte das Gesetz verabschiedet werden – und es gibt keine Anzeichen, dass es nicht dazu kommt –, würde es den Weg frei machen für gezielte Angriffe auf ungarische Medien und zivilgesellschaftliche Organisationen, die finanzielle Mittel aus dem Ausland erhalten – dazu zählen auch Spenden oder transparente EU-Fördergelder, die für ihr Überleben entscheidend sind.
Der Gesetzesentwurf ist so weit gefasst, dass er auf praktisch jede Organisation angewandt werden kann, die am öffentlichen Leben oder an der Debatte beteiligt ist – das schließt unabhängige Medien und auch Menschenrechtsgruppen ein.
Für die Umsetzung des Gesetzes soll das neu geschaffene “Amt für den Schutz der Souveränität” zuständig sein – geleitet von einer Person, die kürzlich öffentlich dazu aufrief, unabhängige Medien nicht zu unterstützen. Dieses Amt soll “problematische” Organisationen per Regierungsdekret auf eine Beobachtungsliste setzen.
Den Organisationen auf dieser Liste drohen drastische Konsequenzen – zum Beispiel können ihre Bankkonten eingefroren werden, ihre Führungspersonen müssten öffentlich Vermögenserklärungen abgeben, und es könnten hohe Geldstrafen verhängt werden.
Das Überleben freier Presse ist keine rein nationale Angelegenheit – insbesondere nicht in einer Region, in der immer mehr populistische Führende sich Methoden von Viktor Orbán abschauen. Im gemeinsamen europäischen Interesse liegt es, laut und deutlich zu sagen: Informationsfreiheit, kritische, freie und faktenbasierte Medien sowie kritische Stimmen im öffentlichen Raum sind unverzichtbar.
Wir fordern unsere Regierungen und die Institutionen der EU auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um dieses Gesetz zu verhindern – es steht in eklatantem Widerspruch zu den EU-Verträgen und der Charta der Grundrechte.
- Alessia Cerantola, Redaktionsleiterin, Investigate Europe (Italien)
- Andrei Ciurcanu, Präsident, RISE Project (Rumänien)
- Anna Gielewska, Chefredakteurin, VSquare (Polen)
- Anneleen Ophoff, Geschäftsführerin, Apache (Belgien)
- Anuška Delić, Gründerin und Chefredakteurin, Oštro (Slowenien)
- Attila Biro, Chefredakteur, Context.ro (Rumänien)
- Augustine Zenakos, Chefredakteur, The Manifold (Griechenland)
- Ayse Banu Tuna, Chefredakteurin, Journo (Türkei)
- Bartosz T. Wieliński, Stellvertretender Chefredakteur, Gazeta Wyborcza (Polen)
- Bastian Obermayer, Geschäftsführer und Mitgründer, paper trail media (Deutschland)
- Beata Balogová, Chefredakteurin, SME (Slowakei)
- Bettina Hamilton-Irvine, Co-Chefredakteurin, Republik (Schweiz)
- Cătălin Tolontan, Redaktionsmanager, Hotnews (Rumänien)
- Catalina Albeanu, Geschäftsführerin, Display Europe (Österreich)
- Catarina Carvalho, Chefredakteurin, Mensagem de Lisboa (Portugal)
- Cecilia Anesi, Direktorin, IRPI (Italien)
- Christiane Schulzki-Haddouti, Vorstandsmitglied, RiffReporter.de (Deutschland)
- Cristian Delcea, Chefredakteur und Mitgründer, Recorder (Rumänien)
- David Schraven, Gründer und Publisher, CORRECTIV (Deutschland)
- Dieter Bornemann, Chairman of the Editorial Board, ORF (Austria)
- Dimitris Xenakis, Publisher, inside story (Griechenland)
- Dov Alfon, Chefredakteur, Libération (Frankreich)
- Elena Sánchez Nicolás, Chefredakteurin, EUobserver (Belgien)
- Elisabetta Tola, Gründerin und Chefredakteurin, Facta.eu (Italien)
- Erik Tabery, Chefredakteur, Respekt (Tschechien)
- Eva Belmonte, Chefredakteurin, Civio (Spanien)
- Filip Minich, Chefredakteur, Refresher (Slowakei)
- Florian Klenk, Chefredakteur, Falter (Österreich)
- Florian Skrabal, Chefredakteur, Dossier (Österreich)
- Francesca Festa, Mitgründerin, Sphera Network (Frankreich)
- Frederik Obermaier, Geschäftsführer und Mitgründer, paper trail media (Deutschland)
- Gian-Paolo Accardo, Chefredakteur, Voxeurop (Frankreich)
- Giulio Rubino, Co-Chefredakteur, IrpiMedia (Italien)
- Harry Lensink, Chefredakteur, Follow the Money (Niederlande)
- Ivaylo Stanchev, Chefredakteur, Capital (Bulgarien)
- Jakub Patočka, Chefredakteur, Deník Referendum (Tschechien)
- Ján Simkanič, Geschäftsführer und Verleger, Deník N (Tschechien)
- Janusz Schwertner, Chefredakteur, Goniec.pl (Polen)
- Jaroslav Mašek, Chefredakteur, Hospodářské noviny (Tschechien)
- Jelena Pavic Valentic, Chefredakteurin, Telegram (Kroatien)
- Jerzy Baczyński, Chefredakteur, Polityka (Polen)
- Joanna Krawczyk, Direktor, CORRECTIV.Europe (Deutschland)
- Josef Pazderka, Chefredakteur, Czech Radio Plus (Tschechien)
- Karl van den Broeck, Chefredakteur, Apache (Belgien)
- Katharine Viner, Chefredakteurin, The Guardian (Großbritannien)
- László Juhász, Chefredakteur, Paraméter (Slowakei)
- Lise Witteman, Stellvertretende Chefredakteurin, Follow the Money (Niederlande)
- Lorenzo Bagnoli, Co-Editor Chefredakteur, IrpiMedia (Italien)
- Loucas Fesias, Chefredakteur, AlphaNewsLive (Zypern)
- Lukáš Diko, Chefredakteur, Investigative Center of Ján Kuciak (Slowakei)
- Lukáš Fila, Geschäftsführer, Denník N (Slowakei); Vorstandsvorsitzender, Respekt, Deník N, Heroine (Tschechien)
- Magda Jethon, Chefredakteurin, Radio Nowy Świat (Polen)
- Magdalena Chrzczonowicz, Chefredakteurin, OKO.press (Polen)
- Mašenjka Bačić, Stellvertretende Chefredakteurin, Oštro (Kroatien)
- Mathias Destal, Chefredakteur, Disclose (Frankreich)
- Matúš Kostolný, Chefredakteurin, Denník N (Slowakei)
- Matyáš Zrno, Chefredakteur, Aktuálně (Tschechien)
- Michał Danielewski, Chefredakteur, OKO.press (Polen)
- Michal Musil, Chefredakteur, Reportér magazín (Tschechien)
- Michał Szułdrzyński, Chefredakteur, Rzeczpospolita (Polen)
- Mihai Voinea, Chefredakteur und Mitgründer, Recorder (Rumänien)
- Miroslava Kernová, Chefredakteurin, Omediach.com (Slowakei)
- Mustafa Kuleli, Chefredakteur, Mediternews (Türkei)
- Nikolas Leontopoulos, Mitgründer, Reporters United (Griechenland)
- Norbert Molnár, Digitalchef, Új Szó (Slowakei)
- Pavel Tomášek, Chefredakteur, Deník N (Tschechien)
- Peter Bárdy, Chefredakteur, Aktuality (Slowakei)
- Petr Kain, Chefredakteur, Ekonom (Tschechien)
- Petr Šabata, Chefredakteur, Právo daily (Tschechien)
- Robert Břešťan, Chefredakteur, HlidaciPes.org (Tschechien)
- Robert Čásenský, Chefredakteur, Seznam Zprávy (Tschechien); Gründer, Reportér magazín (Tschechien)
- Roman Imielski, Erster Stellvertretender Chefredakteur, Gazeta Wyborcza (Polen)
- Rozina Breen, Chefredakteur und Geschäftsführer, The Bureau of Investigative Journalism (Großbritannien)
- Sam Tranum, Mitgründer, Dublin Inquirer (Irland)
- Sebastian Esser, Herausgeber, Krautreporter (Deutschland)
- Slawek Blich, Geschäftsführer, Display Europe (Österreich)
- Sofia da Palma Rodrigues, Mitgründerin und Redaktionsleiterin, Divergente.pt (Portugal)
- Štefan Hríb, Chefredakteur, Týždeň (Slowakei)
- Stefan Johannesberg, Vorstand, RiffReporter.de (Deutschland)
- Teresa O’Connell, Redaktionsleiterin, Are We Europe (Niederlande/Deutschland)
- The Fumaça team (Portugal)
- Virginia Pérez Alonso, Chefredakteurin, infoLibre (Spanien)
- Wojciech Przybylski, Chefredakteur, Visegrad Insight (Polen)
- Zoltán Sipos, Chefredakteur, Átlátszó Erdély (Rumänien)
- Zoltán Szalay, Chefredakteur, Napunk (Slowakei)
- Anne Bocandé, Redaktionsleiterin, Reporters Without Borders (Frankreich)
- Murat Inceoğlu, Chefredakteur, bianet (Türkei)
- İzel Sezer, Chefredakteur, Alan (Türkei)
- Turgut Dedeoğlu, Vorstandsvorsitzender, DİSK Basın-İş (Türkei)
- Axin Aslan, Chefredakteur, BirGün Gazetesi (Türkei)
- Tolga Balcı, Generalsekretär, DİSK Basın-İş (Türkei); Redaktionskoordinator, Gazete Pencere (Türkei)
- Matthew Collin, Redaktionsleiter, Balkan Insight