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Elch Emil: Auf Abenteuerreise durch Österreich – Wissen | ABC-Z

Er schwamm durch die Donau, spazierte über Golfplätze und legte kurzzeitig den Bahnverkehr lahm: Ein junger Elchbulle ist zum Sommer-Star in Österreich geworden. Seine Reise hat ihn bislang über hunderte Kilometer bis in den Bezirk Tulln in Niederösterreich geführt.

Die Geschichte des Elchs beginnt vermutlich in Polen. Von dort aus wanderte der junge Bulle, erkennbar an seinem noch kleinen Geweih, in den vergangenen Wochen südwärts. Erste größere Aufmerksamkeit erregte er in Tschechien. Wie die österreichische Zeitung Der Standard berichtet, wurde er dort von Menschen, die seine Reise in sozialen Netzwerken verfolgten, „Emil“ genannt – eine Hommage an die tschechische Läuferlegende Emil Zátopek. Der Name blieb.

Mitte August überquerte das Tier also als Emil die Grenze nach Österreich und wurde im niederösterreichischen Weinviertel gesichtet. In den folgenden Tagen tauchte er an verschiedensten Orten auf: in Herrnbaumgarten, Poysdorf, Großkrut, im Mistelbacher Gewerbegebiet und dem Kronenburger Golfplatz. Die zahlreichen Sichtungen lösten einen Hype aus: Eine Facebook-Gruppe namens „Emil der Elch“ gewann binnen kurzer Zeit Tausende Mitglieder und entwickelte sich zum zentralen Ort für Fotos, Videos und aktuelle Meldungen über seinen Aufenthaltsort.

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Ein Höhepunkt von Emils bisheriger Reise war wohl die Durchquerung der Donau bei Klosterneuburg in der Nähe von Wien, die zahlreiche Augenzeugen filmten. Zuletzt wurde er in der Nacht auf Mittwoch im Bezirk Tulln gesichtet. Auf Anfrage erklärt die Landespolizeidirektion Niederösterreich, es gebe derzeit weder Vorfälle mit dem Elch noch neue Meldungen zu seinem Aufenthaltsort. Die Behörden mahnen jedoch weiterhin zur Vorsicht und bitten, Abstand zu dem Tier zu halten, um es nicht in Stress oder in gefährliche Situationen zu bringen.

Emil auf seiner Reise, hier in halbwegs Elch-tauglichem Gelände am Waldrand. (Foto: Unbekannt/LPD NÖ/BPK MISTELBACH/dpa)

Doch was treibt einen Elch wie Emil durch dicht besiedelte Gebiete? Laut Frank-Uwe Michler, Dozent für Wildbiologie und Wildtiermanagement an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, ist dieses Verhalten typisch für junge Bullen auf Wanderschaft. Anders als ältere, revierkundige Elche, die Siedlungen meist meiden, fehle ihnen die Erfahrung im Umgang mit menschlichen Strukturen. „Sie halten oft stur an einer eingeschlagenen Richtung fest und queren dabei auch Siedlungsbereiche“, erklärt Michler. „Die Konfrontation mit der menschlichen Welt bedeutet für die Tiere erheblichen Stress.“

In Südbrandenburg lebt ein einzelner Elch

Wohin Emils Reise noch führen wird, ist kaum vorherzusagen. „Die Tiere wandern nicht zum Vergnügen, sondern sind auf der Suche nach Reproduktionspartnern“, so Michler. Dieses „reproduktionsorientierte Suchverhalten“ lasse junge Elche oft ohne klares Ziel umherziehen. Da Emil in Niederösterreich kaum eine Partnerin finden wird, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er seine Wanderung fortsetzt.

Elche sind die größten heute lebenden Hirsche. Bullen können eine Schulterhöhe von bis zu 2,30 Metern erreichen und mehr als 800 Kilogramm wiegen. Charakteristisch sind das schaufelförmige Geweih ausgewachsener Männchen, die überhängende Oberlippe und der „Kinnbart“. Sie sind anpassungsfähige Einzelgänger, die sich von Pflanzen ernähren und hervorragend schwimmen und tauchen können. Ihr Lebensraum erstreckt sich über die nördlichen Regionen Europas, Asiens und Nordamerikas.

In Deutschland galten Elche lange als ausgerottet. Doch seit einigen Jahren kehren sie allmählich zurück. Vor allem aus den stabilen Beständen in Nordostpolen wandern Tiere nach Brandenburg, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern ein, erklärt Michler. Der Grund sei ein großer Populationsdruck in Polen, ausgelöst durch ein Jagdverbot im Jahr 2001, das zu einem deutlichen Anstieg der Bestände geführt habe. In Deutschland würden dadurch pro Jahr schätzungsweise zehn Elche registriert, die kurzzeitig deutschen Boden betreten, in aller Regel aber wieder abwandern.

Eine Ausnahme ist der Elchbulle Bert. Er ist der „einzig bekannte Elch, der sich wirklich dauerhaft in Deutschland etabliert hat“, sagt Michler. Seit fast acht Jahren lebt der mit einem Sender ausgestattete Bert im Naturpark Nuthe-Nieplitz in Südbrandenburg. Im Gegensatz zu Wanderern wie Emil zeige er ein stabiles Raumverhalten. „Er hat einen sehr geeigneten Lebensraum gefunden und wartet dort auf einen Reproduktionspartner“, so Michler. Sollte eines Tages ein weiblicher Elch seinen Weg kreuzen, wären die Chancen für den ersten Nachwuchs seit Jahrzehnten groß. Die letzte nachgewiesene Geburt eines Elches in Deutschland war 1981.

Die Aussichten für eine dauerhafte Rückkehr der Elche nach Deutschland stehen prinzipiell gut. „Der Lebensraum ist da“, bestätigt Michler, das zeigen Studien. Allerdings wären es eher kleinere Populationen von 15 bis 20 Tieren, da Deutschland dicht besiedelt ist. Eine große Hürde sei zudem der Klimawandel: Elche sind extrem temperaturempfindlich, und die heißen Sommer der letzten Jahre stellen für sie eine Belastung dar.

Wie die Reise von Elch Emil weitergeht, bleibt ungewiss. Auch wenn von Elchen keine unmittelbare Gefahr für Menschen ausgeht, sollten Begegnungen mit Respekt und Abstand erfolgen. Michlers Rat: „Erfreuen Sie sich daran, das Tier in freier Natur zu sehen, machen Sie aus der Distanz Ihre Fotos und ziehen Sie sich dann langsam zurück. Dann kann nichts passieren.“

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