Erding: Gerhard Polt und Bruno Jonas loten die Grenzen des Humors aus – Ebersberg | ABC-Z

Bis Bruno Jonas und Gerhard Polt ihre Plätze auf der Bühne eingenommen haben, dauert es an diesem Vormittag besonders lange. So elegant wie die beiden sich jeweils den Vortritt lassen, lösen sie bereits den ersten Schwall an Gelächter aus.
Es ist die zweite Sonntagsbegegnung in Erding und die 123. Veranstaltung von Bernhard Winters originellem Format. „Wir nennen das Jubiläum“, erklärt er bei der Begrüßung schmunzelnd. Für diesen besonderen Termin hat der Markt Schwabener niemanden geringeren als die beiden bayerischen Kabarettlegenden Gerhard Polt und Bruno Jonas eingeladen, die für ihn „als Künstler einzigartig“ seien, wie er sagt. Unter dem Titel „Wer lacht“ treten die beiden in Dialog.
Im begrenzten Publikumsbereich mit rund 160 Plätzen haben sich Gäste aus den Landkreisen Ebersberg und Erding aber auch aus Nürnberg, Augsburg, Landshut oder dem Chiemgau eingefunden. „Als Dankeschön bin ich hier auf Menschen zugegangen, die mit den Sonntagsbegegnungen auf besondere Weise verbunden sind“, erklärt der Gastgeber. Das sind vor allem frühere Mitwirkende und Unterstützer. „Menschen, die auf irgendeine Art zum Gelingen unserer Reihe beitragen.“
Im Laufe des Gesprächs diskutieren Jonas und Polt über verschiedene Zugänge zu Humor. Hat dieser eine Grenze? Und was liegt unter wessen Niveau? Angestoßen wird die Debatte von Winter, der zum Einstieg ein Gedicht aus seinem Buch „Sie lachen, wo ich nicht“ vorträgt, das übrigens ein Geleitwort von Polt enthält.
„99 Prozent der Leute halten sich für humorvoll“, kommentiert Polt, „aber 110 Prozent wissen, wo der Spaß aufhört.“ Lachen sei schließlich auch als Provokation zu verstehen. Als Beispiel führt der 82-Jährige Karikaturen gegen Putins Regime an. „Da muss nur ein Strich zu weit gehen, schon wird es gefährlich“, sagt er und berichtet von Erzählungen eines russischen Bekannten. Humor als Zuflucht im Umgang mit Diktaturen, das könne in angespannten Situationen aber auch helfen, sagt Jonas. „Selbst in Konzentrationslagern haben sich die Leute Witze erzählt. Das macht die Situation kurzfristig erträglicher.“
Und dann gebe es auch noch den kommerziellen Humor. Ganz besonders den Missglückten. „Geh a mal in ein chinesisches Kaufhaus“, sagt Polt. „Was du da alles finden kannst.“ Er bewundere die dortige „Fantasie, um Sondermüll herzustellen“, kommentiert er lachend. Sein Urteil über manche Beiträge des Bayerischen Rundfunks fällt nicht unbedingt milder aus: „Was die da alles im Archiv haben an schlechtem Humor.“ Polt grinst. Die Komödien der 50er und 60er-Jahre, das sei eben noch eine ganz andere Zeit gewesen.
„Ganz Gscheide würden sagen, Humor ist kontextabhängig“, stellt Jonas fest. Um gewisse Anspielungen zu verstehen, seien auch das Milieu und der Berufsalltag relevant, fügt Polt hinzu. Eine Anekdote aus einer Großkantine etwa – für ihn zum Schreien komisch – sei beim Nacherzählen auf wenig Reaktion gestoßen.
„Es gibt ja auch Leute, die lachen nicht unter ihrem Niveau. Da frag ich mich schon, ja wo is’n dei Niveau?“, ruft Jonas empört. Ein Zuschauer habe ihm einmal gesagt, sein „Humorkriterium“ heiße Gerhard Polt. Andere würden sich ausschließlich für Wilhelm Busch begeistern. „Da hat er aber ganz hoch ins Regal gegriffen“, kommentiert Polt grinsend. Das Publikum lacht.
Doch auch Gerhard Polt ist mit seinem Humor bereits in Kindertagen auf Kritik gestoßen. „Da hatte ein Bua große abstehende Ohrwaschl“, erzählt er in einer Anekdote. „Da hab ich draufgezeigt und gelacht.“ Polt grinst. „Des hat mi gfreit.“ Warum man angeblich nicht lachen sollte, sei ihm bis heute ein Rätsel. „Es gibt ja auch Menschen, die sich, vorsichtig gesagt, ungünstig kleiden.“ Die Zuschauer sind ganz offenkundig seiner Meinung.
Eine zunehmende Sensibilität, ja, die falle auch ihm auf, kommentiert Bruno Jonas und führt den Fall des noch amtierenden Wirtschaftsminister Robert Habeck an, der Anzeige gegen einen Mann erstattet hatte, der ihn im Netz einen „Schwachkopf“ genannt hatte. „Da konnte der Habeck nicht lachen. Ich schon“, kommentiert er und schmunzelt.
Das „Lachen vergeht“, die Meinungsfreiheit wird eingeschränkt und das Humor-Empfinden verschiebt sich? Damit beschäftigen sich beide Kabarettisten. Selbst das bayerische „Du“, das im Dialekt schnell Gebrauch findet, wurde einer Verkäuferin auf dem Viktualienmarkt vor einer Weile zum Verhängnis. Polt schüttelt den Kopf: „Da musste die Dame 1000 Mark zahlen.“ Als so beleidigend habe der Polizist das Duzen empfunden. „Es gibt ja im Konflikt noch die Möglichkeit, von der verbalen auf die nonverbale Ebene zu wechseln“, witzelt Jonas. „Das heißt dann: gemma aussi.“
In der abschließenden Fragerunde möchte ein Herr aus den hinteren Reihen noch einmal auf die Grenzen des Humors zurückkommen. Was sei denn nun mit dem Jungen mit den Segelohren? „Grenze“, sagt Polt, das sei ein sehr interessanter Begriff. Er komme aus dem Slawischen – etwa ‚granica‘ auf Polnisch – und beschreibe einen fließenden Übergang. „Das ist keine harte Grenze, wie eine Front.“ Vielmehr sei „die Grenze“ interpretierbar und so auch die des Humors.
Jonas ist etwas anderer Meinung. Für ihn bestimmt die Person die Grenze, die von dem Witz angesprochen oder verletzt wird. Für Kommentare wie der zu dem Jungen gebe es mittlerweile einen eigenen Begriff: Bodyshaming. Im Grunde, sagt Jonas, pflegt er jedoch zu sagen; „Nehmt’s mich einfach nicht so ernst.“
An dieser Stelle beendet Winter das Gespräch. Es bleibt noch Zeit für Kaffee und Kuchen – und vielleicht ja auch den ein oder anderen Scherz.