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Erding: Auf der Freisinger Straße trifft sich die halbe Welt – Erding | ABC-Z

Wer von der Erdinger Altstadt über die Fehlbachbrücke läuft und dann rechts in die Freisinger Straße einbiegt, dem fällt sofort die bunte Gemüse- und Obstauslage vor dem „Yek Markt“ ins Auge. Drinnen sitzt Yavuz Korkmaz an der Kasse. Er ist in der Türkei geboren und mit zwölf Jahren nach Deutschland gekommen. Das Geschäft gebe es an der Ecke schon seit bestimmt 30 Jahren, sagt Korkmaz. Er hat den kleinen Supermarkt vor etwa einem Jahr übernommen und bietet neben Obst und Gemüse auch weitere Lebensmittel an, aus der Türkei, aber auch aus anderen Ländern.

Der Laden platzt fast aus den Nähten, die Regale sind voll mit unzähligen Tee-, Reis- und Bulgursorten, mit Gläsern voller Oliven und Datteln, mit allerhand exotischen Gewürzen und Soßen, mit Fladenbroten und deutschem Markenzwieback. Die Kundschaft ist international, aber auch alteingesessene Erdinger und Erdingerinnen kaufen bei ihm ein. Besonders stolz ist Korkmaz auf die üppige Fleischtheke. Jeden Tag werde er frisch beliefert, betont der gelernte Metzgermeister. Und jeden Dienstag gebe es frischen Fisch – ein Renner, wie er versichert.

Der türkische Supermarkt ist die erste Station eines Spaziergangs durch einen Straßenabschnitt, in dem gefühlt die halbe Welt zusammenkommt. Auf gut hundert Metern finden sich in der Freisinger Straße auch Lokale, die italienische, vietnamesische und indische Spezialitäten anbieten, dazwischen ein Airport-Hotel mit internationalen Gästen – aber auch der Hof eines ehemaligen Landwirts.

Das Hotel hat erst im Februar eröffnet

Es geht vorbei an einem winzigen Nagelstudio namens „Perfect Nails“ weiter zu einem modernen Neubau in Gelb. Im Rückgebäude ist erst im Februar 2025 das „Holiday Inn Express Munich Airport Erding“ eröffnet worden, mit 114 Zimmern eines der größten Häuser in Erding. Dort steigen wegen der Nähe zum Flughafen unter anderem Passagiere und Crewmitglieder aus aller Welt ab, aber auch Besucher der Therme Erding und Teilnehmer von Kongressen in der fußläufig erreichbaren Stadthalle.

Ihr gefällt die Nähe zur Innenstadt: Veronika Gaigl aus dem Landkreis Erding hat vor einem Jahr im Neubau ihren Salon „Gaigls Friseur Team“ eröffnet. (Foto: Renate Schmidt)

Ins Erdgeschoss des Vordergebäudes ist vor einem Jahr „Gaigls Friseur Team“ gezogen, das vorher seinen Salon im Stadtteil Klettham hatte. Chefin Veronika Gaigl ist begeistert von den 140 Quadratmeter großen Räumlichkeiten: „Alles war neu, wir konnten auch unsere Vorstellungen einbringen, hat alles super gepasst.“  Der 43-jährigen Friseurmeisterin und ihren Angestellten gefällt die zentrale Lage. „In fünf Minuten sind wir zu Fuß mitten in der Altstadt“, schwärmt sie. Ab und zu hole sich das Team auch ein Mittagessen beim Asiaten gegenüber.

Herr Nguyen kocht im Vietnam Asia Imbiss. Die Speisekarte ist lang  und der gebürtige Vietnamese hat viel zu tun.
Herr Nguyen kocht im Vietnam Asia Imbiss. Die Speisekarte ist lang  und der gebürtige Vietnamese hat viel zu tun. (Foto: Renate Schmidt)

Im „Vietnam Asia Imbiss“ steht Herr Nguyen in der Küche – seinen Vornamen will er nicht verraten. Gekonnt schwenkt er Gemüse in einem Wok, ein Anwohner holt gerade Mittagessen, „Grüße an die Frau!“, ruft ihm der Koch nach. Offensichtlich ein Stammgast, die nächste Kundin kommt zur Tür herein. Sie nimmt Frühlingsrollen mit und ist auch schon öfter dagewesen, wie sie erzählt. „Ist wirklich lecker hier.“

Farbenfroh präsentiert sich der Eingang des „Vietnam Asia Imbiss“.
Farbenfroh präsentiert sich der Eingang des „Vietnam Asia Imbiss“. (Foto: Renate Schmidt)

Der Asia-Imbiss könnte von Weiten glatt als Blumenladen durchgehen, denn links und rechts vom Eingang stehen unzählige Blumentöpfe, mit Pflanzen in allen Farben – sein Werk, wie Koch Nguyen erzählt. Die Wände im Lokal zieren unzählige Fotos der Gerichte, die Palette reicht von Sushi bis Rindfleisch Xao Hung Che. Aus Vietnam sei er vor 35 Jahren nach Deutschland gekommen, erzählt Nguyen, in dem Erdinger Lokal arbeite er bereits seit zehn Jahren. Viel Zeit hat er nicht zum Reden, die nächste Kundschaft wartet. Das Gemüse im Wok zischt.

Die Figur eines Polizisten steht regelmäßig vor der Fahrschule Flittner an der Freisinger Straße.
Die Figur eines Polizisten steht regelmäßig vor der Fahrschule Flittner an der Freisinger Straße. (Foto: Renate Schmidt)

Ein paar Meter weiter steht vor der Fahrschule Flittner plötzlich ein US-Polizist. Es handelt sich um eine lebensgroße Plastikfigur, der Uniform nach um einen Cop der US-Highway Patrol. Inhaber Christoph Flittner stellt den Polizisten immer auf, wenn er für den Theorie-Unterricht in der Fahrschule ist – als Hingucker und Werbung.

Gegenüber der Fahrschule befindet sich der „Pizza Belvedere Heimservice“. „Die beste Pizza weit und breit“, ruft die Vermieterin vom Balkon herunter. Seit über 35 Jahren bestellen die Erdinger und Erdingerinnen bei Antonio Abbrancati Pizza, Pasta oder Scampi Diavolo. Es gibt auch eine winzige Wirtsstube, hell und gemütlich eingerichtet mit Weinflaschen im Regal und Schwarz-weiß-Fotos an der Wand. Wirt Abbrancati belegt in der Küchenzeile gerade eine Pizza. „Ich koche jeden Tag frisch“, betont der gelernte Koch. Abbrancati stammt aus Kalabrien und erklärt, woher der Name Belvedere, als „schöner Blick“ stammt: Sein Heimatort in Italien heißt Belvedere di Spinello.

Seit über 35 Jahren gibt es den Heimservice von Antonio Abbrancati. Dazu gehört auch ein kleines, gemütliches Lokal.
Seit über 35 Jahren gibt es den Heimservice von Antonio Abbrancati. Dazu gehört auch ein kleines, gemütliches Lokal. (Foto: Renate Schmidt)

Nach dem Belvedere wird es an der Freisinger Straße fast idyllisch. Es geht vorbei an einem schmucken gelben Wohnhaus mit einem von weißen Säulen getragenen Vordach und an einer Villa mit grünen Fensterläden und einem wild-romantischen Garten, in dem ein großer Ginkgobaum an diesem sonnigen Tag seine gelben Blätter fliegen lässt.

Noch blühen die Rosen im Bauerngarten: Blick von der Freisinger Straße in den Hof eines ehemaligen Nebenerwerbslandwirts.
Noch blühen die Rosen im Bauerngarten: Blick von der Freisinger Straße in den Hof eines ehemaligen Nebenerwerbslandwirts. (Foto: Renate Schmidt)

An der Kurve zur Melkstattstraße wartet schließlich „King Masala“. „Neueröffnung“ steht in den Fenstern des indischen Lokals. Vor der Eingangstür dient ein Tuk-Tuk-Vorderteil als Blickfang und Werbung. Es ist ein Original aus Indien, wie Harmeet Singh erklärt. Vor etwa drei Monaten haben seine Söhne das Lokal eröffnet. In der Küche werden für die Mittagsgäste gerade Gerichte namens Jheenga Tandoori oder Himalaya Chicken vorbereitet. Es riecht nach Curry und Koriander.

Harmeet Singh im neuen indischen Restaurant „King Masala“.
Harmeet Singh im neuen indischen Restaurant „King Masala“. (Foto: Renate Schmidt)

An dem einen oder anderen Tag kann es auch passieren, dass aus einer Einfahrt ein Bulldog in die Freisinger Straße einbiegt. Schräg gegenüber von Gaigls Friseursalon werkelt an diesem sonnigen Herbsttag ein älterer Mann in Arbeitshose in einem Innenhof. Seinen Namen will er nicht in der Zeitung stehen haben, aber ein wenig erzählen will er schon. Nebenerwerbslandwirt sei er gewesen, über Jahrzehnte habe er bei Reifen-Huber gearbeitet – damals, als die Firma noch auf dem Grundstück des heutigen Holiday-Inn-Hotels stand.

In der Freisinger Straße habe es einst einige kleine Landwirtschaften gegeben, erzählt der Mann. Auch seine Familie habe ein paar Kühe gehalten, die letzten zwei habe er am 16. Februar 2009 weggegeben. Das Datum vergesse er nicht. „Ich bin ein gebürtiger Erdinger, ich bleibe in der Stadt, ich geh’ hier nicht weg“, sagt er. Bis heute fährt er ab und zu zum Aushelfen mit dem Bulldog aufs Feld.

In der späten Herbstsonne sitzt er vor dem ehemaligen Kuhstall, an der Wand stehen Blumentöpfe aufgereiht, seine zwei Kater haben die verlassene Hundehütte in Beschlag genommen. „So viel hat sich verändert“, sagt er mit Blick auf die Einfahrt zum Hotel. Manches aber ist geblieben: In seinem Bauerngarten zur Straße hin halten sich noch ein paar Rosen und Himbeeren. Nächstes Jahr will er wieder Tomaten anpflanzen. Dann muss er sich aber verabschieden. Sein Kuchen im Ofen ist fertig. Auch er duftet köstlich.

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