Fraktionsklausur in Würzburg: Ich bin jetzt kein Beziehungsexperte, sagt Jens Spahn | ABC-Z

Die wirklich reizende Alte Mainbrücke, auf der die Würzburger abends ihren Frankenwein schlürfen, hat derart viel hinter sich (Bau von 1476 bis 1703, Errichtung von Heiligenfiguren nach dem Vorbild der Prager Karlsbrücke in den 1720ern, Sprengung zweier Bögen in den letzten Kriegstagen im Mai 1945, Wiederaufbau, im Jahr 1990 Sperrung für den Autoverkehr), dass ihre Vereinnahmung durch eine Regierungskoalition im Spätsommer 2025 wohl eine Randnotiz in ihrer Geschichte bleiben wird.
Für Schwarz-Rot selbst hingegen soll die Brücke nahezu magische Wirkung entfalten. Es war ihre Symbolik, die die Klausurtagung der Fraktionsspitzen in Würzburg durchzog – bis ins Logo der Tagung, das drei stilisierte Pfeiler der Mainbrücke zeigte. Zwei Tage Retreat, morgens Foto der schwarz-roten Joggergruppe auf der Brücke, abends Wein in der Alten Mainmühle mit bestem Blick aufs Bauwerk, alles im Geiste des Brückenbauens.
Die drei Männer, die für die Stabilität der drei Pfeiler CDU, CSU und SPD sorgen müssen, hatten sie gleich zum Auftakt am Donnerstag besucht: Jens Spahn, Fraktionschef der Union, sagte, als der Regen eine kurze Pause einlegte: “Die Atmosphäre auf der Brücke war toll. Man kann da gute Stimmung, gute Aussicht haben.” Der Vorsitzende der CSU im Bundestag, der gebürtige Würzburger Alexander Hoffmann, sagte: “Diese Koalition will und wird Brückenbauer sein, gegen die Polarisierung in unserer Gesellschaft.”
Nur Matthias Miersch, der Fraktionschef der SPD, hielt sich auffallend zurück in Brückenmetaphorik, lächelte dafür aber tapfer, als Spahn auf eben jener Mainbrücke ein Dreierselfie schoss. Ein Selfie also, ausgerechnet in jener Woche, als die Geschichte des berühmtesten Politikerselfies Deutschlands (das der grün-gelben Ampelianer Baerbock, Habeck, Lindner, Wissing aus dem Herbst 2021) gewissermaßen ihr Ende fand, da auch die letzten beiden Protagonisten aus der Bundespolitik flüchten (Habeck, Wissing).
So holzschnittartig Symbolik und Metaphern in Würzburg also auch daherkamen: Was sollen sie auch sonst sagen. Es steht ja außer Frage, dass die Koalitionäre diese Art von Selbstvergewisserung dringend benötigen. Die selbst ernannte Arbeitskoalition verfiel nach dem Debakel um die Richterwahl in einen Sommer des Misstrauens und des über Sommerinterviews geführten Streits über Steuern und Sozialstaatsreformen.
Eine Aussprache und ein Sorry von Spahn
In Würzburg trafen nun der Wunsch nach Aufarbeitung (SPD) und das Mantra des Nach-vorne-Schauens (CDU und CSU) auf die Notwendigkeit, sich über so wichtige wie umstrittene Reformen für Wirtschaft und Sozialstaat zu verständigen. Der Druck steigt ja nur: Bundeskanzler Friedrich Merz hatte erst am Wochenende ausgedrückt, er erwarte mehr, und mitten in das Treffen platzte erneut eine schlechte und ihrerseits hochsymbolische Nachricht zum Zustand der Wirtschaft: In Deutschland gibt es wieder mehr als drei Millionen Arbeitslose. “Mahnung und Auftrag” sei die Zahl für die Koalition, sagte Spahn.
In einem Papier legten die Fraktionen die Arbeitsschwerpunkte für die kommenden Monate fest. Allerdings: Es waren die bekannten Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag. Nichts Neues in der Sache. Und sie waren mitunter unscharf: Bürokratieabbau lautet etwa eine der “konkreten Maßnahmen”. Ebenso vage hieß es, es würden jetzt Arbeitsgruppen gebildet. Auch das machte klar: Der Schwerpunkt in Würzburg lag eindeutig auf dem Atmosphärischen.
Es gab eine interne Aussprache zu den Zumutungen der vergangenen Monate. Man redete übers Richterdebakel, über Beschlüsse zur Migration. Die SPD hinterließ den dezenten Hinweis, dass das CDU-Reden von einem Politikwechsel auf begrenzte Gegenliebe stößt in einer Partei, die die vorige Regierung angeführt hat. Spahn, der die Richterwahl in letzter Minute gecancelt hatte, sagte in einem ihm möglichen Ausmaß Sorry: “Wir bedauern, dass wir so in die Sommerpause gestartet sind. Das hätte besser, das hätte anders laufen müssen.” Im September soll die Koalition nun wirklich eine neue Verfassungsrichterin auf Vorschlag der SPD wählen.