Epidemie: Kann sich das Oropouche-Virus in Deutschland ausbreiten? |ABC-Z
Brasilien meldet fast 7500 Fälle – und die ersten Todesopfer. Während das Land zugleich gegen Dengue-Fieber kämpfen muss, wird nun untersucht, welches Risiko für Schwangere durch Oropouche besteht. Ein Experte erklärt, ob sich das Virus auch in Deutschland verbreiten kann.
Vom Oropouche-Fieber dürften die meisten Menschen bis vor kurzem noch nie gehört haben. Neu ist die Erkrankung nicht, aber der Erreger sorgt derzeit für mehr und heftigere Ausbrüche. Kürzlich wurden erstmals auch Todesfälle offiziell erfasst. Bisher kursiert das RNA-Virus vorwiegend in Süd- und Mittelamerika – sind Übertragungen auch in Europa möglich?
Zwei junge Frauen – Anfang beziehungsweise Mitte 20 – aus dem Landesinneren des Bundesstaates Bahia im Nordosten Brasiliens starben nachweislich an dem Erreger. Sie hatten Symptome ähnlich denen eines schwerem Denguefiebers und keine schwächenden Begleiterkrankungen. Das südamerikanische Land, das in diesem Jahr mit über sechs Millionen Infektionen den schwersten Dengue-Ausbruch seiner Geschichte erlebt, muss jetzt auch noch das Oropouche-Virus fürchen. Doch nicht nur dort, sondern in ganz Süd- und Mittelamerika nehmen die Ausbrüche zu.
Das Virus wird in Lateinamerika hauptsächlich von Colicoides paraensis übertragen – einer kleinen Mückenart, die es außerhalb Südamerikas nicht gibt. Sie gehört zur Gruppe der Gnitzen, aber auch andere blutsaugende Mücken, etwa Culex quinquefasciatus, können das Virus möglicherweise übertragen.
Die Symptome ähneln denen bei Dengue- oder Chikungunya-Fieber, man kann es auch mit Malaria oder Gelbfieber verwechseln: Kopf-, Muskel- und Gelenkschmerzen, Übelkeit und Durchfall. In seltenen Fällen kommt es zu schweren Verläufen. Eine spezifische Behandlung gibt es bisher nicht, auch keinen Impfstoff, deshalb beruht die Prävention derzeit auf der Kontrolle der Vektoren, sprich Mücken. Und der persönlichen Vorsorge.
Nach Angaben der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation (PAHO) wurde der Erreger erstmals 1955 in Trinidad und Tobago in der Karibik erfasst. In Brasilien wurde das nach dem Fluss Oropouche benannte Virus dem Gesundheitsministerium zufolge erstmals 1960 in der Blutprobe eines Faultiers identifiziert. Seitdem seien vereinzelte Fälle und örtlich begrenzte Ausbrüche hauptsächlich in den Bundesstaaten des Amazonasgebiets gemeldet worden. Faktoren wie Klimawandel, Abholzung und Verstädterung haben laut PAHO die Ausbreitung der Krankheit auf Gebiete begünstigt, in denen zuvor keine Fälle gemeldet wurden.
Oropouche, aber auch Dengue-Fieber
In diesem Jahr wurden in 23 brasilianischen Bundesstaaten bereits rund 7500 Fälle des Oropouche-Fiebers registriert, wie das Gesundheitsministerium des Landes mitteilte. Erstmals wurden Fälle in anderen Ländern des amerikanischen Kontinents gemeldet – aus Bolivien sind der PAHO mehr als 350 bekannt, aus Peru etwa 290, in Kolumbien und Kuba waren es bis Anfang August jeweils 74.
Ob dies auf eine Ausbreitung des betroffenen Gebietes oder eine verbesserte Diagnostik zurückzuführen ist, oder beides, lässt sich derzeit nicht sagen. Aber: „Was uns am meisten Sorgen bereitet, ist die Ausbreitung einer Krankheit, die praktisch auf das Amazonasgebiet mit seiner sehr geringen Bevölkerungsdichte beschränkt war, auf Gebiete mit höherer Bevölkerungsdichte“, wie Infektiologe Marcus Lacerda von der Fundação Oswaldo Cruz, Fiocruz, dem Fachblatt „Science“ sagte.
In den Wäldern bilden Tiere das sogenannte Reservoir für die Erreger aus der Ordnung der Bunyavirales. Forscher konnten entsprechende Antikörper schon in Kappuzineräffchen, Schwarzbüffel- sowie Brüllaffen nachweisen, außerdem in einem Nagetier, einem Faultier – und verschiedenen Vogelarten. In den Städten wird der Mensch zum Reservoir.
Brasilianische Gesundheitsämter analysieren derzeit, in welchem Ausmaß Oropouche-Fieber Missbildungen oder Fehlgeburten zur Folge haben kann. Kürzlich bestätigte das Gesundheitsministerium einen Todesfall eines Fötus in Zusammenhang mit einer Infektion. Die Mutter, eine 28-jährige Frau aus dem nordöstlichen Bundesstaat Pernambuco, hatte sich in der 30. Schwangerschaftswoche befunden; acht weitere Fälle würden noch untersucht, hieß es.
Es gibt laut Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin erste Hinweise darauf, dass das Virus Fehlbildungen bei Ungeborenen verursachen könnte. Ähnliches ist vom Zika-Virus bekannt, das Mikrozephalie – Fehlbildungen des Gehirns von Neugeborenen – zur Folge haben kann. Das RKI riet bereits, Schwangere sollten unter Umständen auf Reisen in Gebiete, in denen das Oropouche-Virus aktuell grassiert, verzichten.
Brasilien verzeichnet zudem seit Oktober 2023 den bisher größten landesweiten Denguefieber-Ausbruch seiner Geschichte; 14 Bundesstaaten haben dem Auswärtigem Amt zufolge eine gesundheitliche Notlage erklärt. Und das Auswärtige Amt rät Reisenden, Mückenschutzmittel aus Deutschland mit nach Brasilien zu nehmen.
In Europa hingegen wurden bisher nur Infektionen bei Reiserückkehrern bekannt. Italien und Spanien meldeten in den letzten Wochen eine geringe Zahl von Fällen bei Reisenden aus Kuba und Brasilien. Auch in Deutschland wurden bereits Betroffene mit Oropouche-Fieber erfasst: zwei Menschen aus Sachsen und Baden-Württemberg, die beide aus Kuba zurückgekehrt waren.
Übertragung in Europa
Dass sich der Erreger auch in Europa ausbreiten könnte, hält Virologe Helge Kampen für unwahrscheinlich: „Es gibt keinen Hinweis darauf, dass einheimische Gnitzen oder Stechmücken das Oropouche-Virus übertragen könnten“, sagt der Laborleiter am Institut für Infektionsmedizin des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) auf der Insel Riems.
Das Virus ist Kampen zufolge auf Reservoirwirte angewiesen, also auf bestimmte Affenarten, Vögel, oder Faultiere, die in Europa eigentlich nicht vorkommen. Auch das RKI hält eine Weiterverbreitung des Oropouche-Virus in Deutschland derzeit für sehr unwahrscheinlich.
Wenn Reiserückkehrer aber den Erreger des ebenfalls grassierenden Denguefiebers mitbringen, könnte dieser theoretisch von der Asiatischen Tigermücke, Aedes aegypti, weiterverbreitet werden. Diese ist in Deutschland mittlerweile heimisch geworden.
Bisher sei aber bundesweit noch kein einziger Fall einer Übertragung des Denguefiebers – oder eines anderen Erregers – durch die Tigermücke bekannt geworden, sagte Kampen. Die zuständigen Gesundheitsbehörden der Länder müssten dennoch dafür sorgen, die Populationsdichte der Insekten möglichst gering zu halten.
Der Biologe bezeichnet die Tigermücke als eine „sehr flugträge Mücke“, die sich kaum von ihrem Standort wegbewege. Aktuell gibt es Helge Kampen zufolge besonders viele Populationen in Kleingartenanlagen, ihre Verbreitung sei meist kleinräumig beschränkt.
dpa/sk