Entzaubern gescheitert – Alice Weidel dominiert Zweites Deutsches Fernsehen-Talk | ABC-Z

Berlin. JD Vance sei ein „weiser Mann“ und Selenskyj wolle keinen Frieden: Alice Weidel setzte den Ton bei Markus Lanz. Dessen Gesprächsführung misslang.
Statt einer aufschlussreichen Debatte, in der sich unterschiedliche Perspektiven begegnen, ist „Markus Lanz“ am Donnerstagabend zur Bühne für eine einzige, dominante Stimme geworden. Alice Weidel, die AfD-Bundessprecherin, hatte den größten Redeanteil und bestimmte das Gespräch mit einer scheinbar unangreifbaren Rhetorik.
Die anderen Gäste, darunter Johannes Winkel (Junge Union), Sonja Álvarez (Wirtschaftswoche) und Justus Bender (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung), wurden weitgehend an den Rand gedrängt. Kein Diskurs, keine neuen Einsichten – vor allen Dingen ein Abklatsch altbekannter AfD-Narrative.
Weidel im Zentrum der Diskussion – ohne echte Auseinandersetzungen
Weidels Rhetorik folgte dem typischen Muster: Die EU sei überflüssig, Deutschland müsse sich aus geopolitischen Konflikten heraushalten, und die USA unter Donald Trump seien der einzige Weg zu Frieden zwischen der Ukraine und Russland. Wiederholt wich sie kritischen Fragen aus oder stellte fragwürdige Behauptungen auf, etwa, dass Selenskyj nicht an Friedensverhandlungen interessiert sei. Eine Aussage, die Lanz direkt konterte: „Das hat er nicht gesagt.“ Doch diese Korrektur verpuffte ohne nachhaltige Wirkung.
Stattdessen bezeichnete Weidel JD Vance als „unglaublich weisen Mann“, der eine Vision für die Ukraine habe. „Sie wollen Partner auf Augenhöhe. Sie wollen keine Trittbrettfahrer mehr haben. Sie wollen einfach, dass wir unseren Verpflichtungen nachkommen“, verargumentierte Weidel das Handeln der USA. Nach dem Eklat im Weißen Haus hatte die US-Regierung Waffenlieferungen sowie die Bereitstellung von Geheimdienstinformationen an die Ukraine gestoppt.
Lanz‘ Minimalkonsens: „Wir wollen, dass das Sterben aufhört“
Weidel kritisierte „die außenpolitische Strategie“ der anderen deutschen Parteien. „Man will keinen Frieden“, behauptete sie noch einmal. Markus Lanz widersprach deutlich und bekam Unterstützung von der stellvertretenden Leiterin des Hauptstadtbüros der Wirtschaftswoche, Sonja Álvarez: „Selenskyj ist doch bereit, Friedensverhandlungen zu führen. Aber nicht, wenn er erpresst wird. Er ist in einer brutalen Breitbeinigkeit vorgeführt worden!“ Um Fassung bemüht, formulierte Lanz weiter: „Der Minimalkonsens in dieser Runde muss doch sein: Wir wollen, dass das Sterben aufhört.“ Es gebe nur einen Mann, der keinen Frieden wolle: Putin.
Weiter fügte er an: „Es ist Kriegszustand. Das wissen Sie ja auch. Sie sind eine intelligente Frau und ich frage mich gerade, warum Sie solche Sachen sagen. Warum Sie zum Beispiel sagen, dass Selenskyj nicht legitimerweise Präsident ist.“ Lanz verwies dabei auf die Verfassung, die Wahlen im Kriegszustand aussetzt. Statt darauf einzugehen, sagte Alice Weidel: „Wir fordern das seit drei Jahren, dass endlich mal Ordnung reinkommt.“
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Angesprochen auf Donald Trumps Reaktion auf die verlorene Wahl 2020, diese als „Wahlbetrug“ zu betiteln, vermied Weidel es konsequent, sich klar zu positionieren. Der Versuch von Lanz und Justus Bender, sie dazu zu bringen, eine eindeutige Aussage über die Rechtmäßigkeit der US-Wahl zu treffen, scheiterte. Stattdessen wich Weidel mit pauschalen Statements aus. Als Justus Bender sie schließlich damit konfrontierte, dass sie Zweifel an der Demokratie schüre, entgegnete sie: „Was ist denn daran falsch?“
„Germany First“ und die geopolitische Orientierung der AfD
In wirtschaftspolitischen Fragen wiederholte Weidel ihre Forderung nach einem „Germany First“-Ansatz, den Sonja Álvarez als unrealistisch entlarvte. „Das ist ein Ansatz, den man auf gar keinen Fall vertreten sollte. Denn Deutschland kann nur als starker Partner innerhalb der EU gegenüber Amerika auftreten“, warnte Álvarez. Sie verwies darauf, dass ein Dexit Millionen Arbeitsplätze kosten würde. Auch Johannes Winkel argumentierte für eine starke EU: „Jeder europäische Regierungschef fährt einzeln zu Donald Trump, um sich einzuschleimen.“ Das verstehe er nicht. Besser sei es doch, die europäische Institution zu stärken und gemeinsam aufzutreten.
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Doch Weidel übernahm wieder das Gespräch: „Wir brauchen starke Staaten. Und das kann ich weder in Frankreich leider gerade sehen, noch in Deutschland.“ Man orientiere sich an einer 16-Prozent-Partei: „Wir haben linke Politik!“ Und das sei ganz klar nicht der Wählerwille.
AfD schließt Koalition mit CDU aus
Im Zentrum ihrer Kritik: Die Einigung von Union und SPD auf ein milliardenschweres Sondervermögen sowie eine Lockerung der Schuldenbremse: „Friedrich Merz hat sich demaskiert“, sagte Alice Weidel. „Der Mann ist nicht integer.“ Dementsprechend schloss sie eine Koalition mit der CDU unter Friedrich Merz aus, aber erst auf wiederholtes Nachfragen von Lanz. „Das ist ja eine gute Nachricht an diesem Abend, dass die AfD kein Interesse mehr an Regierungsverantwortung hat“, kommentierte Winkel und widersprach Weidel deutlich, als sie das Vorgehen – also das Abstimmen mit dem „alten“ zusammengesetzten Bundestag – als „Staatsstreich“ bezeichnete.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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„Es gibt keine parlamentslose Zeit in unserer Verfassung“, so Winkel. Dennoch empfand der Vorsitzende der Jugendorganisation von CDU und CSU die Entscheidung, die Schuldenbremse auszusetzen, als falsch. „Ich kritisiere, dass man das nicht durch das Sondervermögen, sondern durch das Aussetzen der Schuldenbremse gelöst hat“, sagte Winkel.
„Wir sind am Ende. Sowohl intellektuell als auch sonst.“
Obwohl Markus Lanz sich bemühte, Weidel mit Fakten zu konfrontieren, gelang es ihm nicht, sie wirklich in einen strukturierten Dialog zu zwingen. Vielmehr bestimmte sie das Tempo und die Themen, während Lanz oft nur nachhakte, ohne Kontrolle über den Diskussionsverlauf zu erlangen. Der Versuch, die AfD argumentativ zu entzaubern, scheiterte an diesem Abend. Treffend formulierte Lanz seine Worte zum Abschluss der Sendung: „Wir sind am Ende. Sowohl intellektuell als auch sonst.“