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Einsatz im Skigebiet: So versorgt die Bergwacht Verletzte am Braunecke – Bad Tölz-Wolfratshausen | ABC-Z

Im Skigebiet am Brauneck bei Lenggries liegen die Pisten an diesem Januarsonntag kurz nach 17 Uhr fast völlig im Dunklen. Die gelblich-warme Nachtbeleuchtung der Häuser und Straßen drunten im Tal ist demzufolge besonders gut zu sehen. Und am Berg wäre es noch finsterer, würden nicht weiße Lichtpunkte die vordere Abfahrt über den Garlandhang bis ganz nach unten tanzen. Es sind die Stirnlampen der Mitglieder der Lenggrieser Bergwacht. Die brauchen die Ehrenamtlichen, um sich auf der abschließenden Kontrollfahrt nach einem langen Einsatztag zu orientieren.

Der Einsatztag beginnt, wenn die Liftanlagen morgens in Betrieb gehen

Der beginnt für die Bergwacht während der Wintersaison an Wochenenden und Feiertagen schon früh, wenn die Liftanlagen am Lenggrieser Hausberg gegen 8.15 Uhr den Betrieb aufnehmen. Die Kabinenbahn läuft am längsten, transportiert gegen 16.30 Uhr noch die unermüdlichsten Wintersportler in zwölf Minuten zur Bergstation. Fahren die wieder talwärts, dann ist es auch für die Mitglieder der Bergwacht an der Zeit, nach Hause zu gehen.

Die ehrenamtlichen Kräfte sind an Wochenenden und Feiertagen als Ersthelfer gefragt. Für das vordere Brauneck haben die Bergwacht-Mitglieder aus Lenggries und Bad Tölz ihren Stützpunkt auf dem Kamm unterhalb der Bergstation der Kabinenbahn. Für die Sicherheit am hinteren Brauneck rücken die Ehrenamtlichen der Bergwacht aus Wolfratshausen und München von der Latschenkopfhütte oberhalb von Schneebar- und Zirkushanglift aus.

Von einem kleinen Schreibtisch aus koordiniert Rolf Frasch die Einsätze der Bergwacht. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Unter der Woche haben die hauptamtlichen Mitglieder der Skiwacht Dienst, die alle zugleich Ehrenamtliche der Bergwacht sind. Zu den elf Festangestellten – vier davon in Vollzeit – zählt Rolf Frasch. Ihre Aufgabe ist es, in Zusammenarbeit mit der Bergbahn die Pisten vor Betriebsbeginn zu kontrollieren. Sie sehen zum Beispiel nach, ob alle Markierungen korrekt stehen, oder markieren Gefahrenstellen wie über Nacht entstandene Löcher. Außerdem prüfen die Mitglieder der Skiwacht die Auffahrtsspuren der Schlepplifte. Nur wenn es einen Einsatzfall gibt, werden sie als Ehrenamtliche der Bergwacht tätig.

Ein Mädchen verletzt sich am Knie, zwei Skifahrerinnen prallen aufeinander

Im Braunecker Skigebiet sind es an diesem Januarsonntag in den Weihnachtsferien nur zwei Einsätze. Am Streidlhang hat sich gegen 13 Uhr ein zwölfjähriges Mädchen am Knie verletzt. Mit dem Akja – einem wannenförmigen Schlitten – transportieren Bergwachtler das Kind bis ins Tal. Am gleichen Hang fahren gegen 14.30 Uhr zwei Frauen aufeinander, verletzen sich am Knie, respektive am Nacken. Dass nur so wenig passiert, liegt am schlechten Wetter. Nach einem kalten Hochdruck-Wintertag hat eine Föhnströmung erst einmal mildere Luft und Regen bis zum Gipfel mitgebracht. Daher kommen auch wesentlich weniger Gäste als tags zuvor aufs Brauneck, als die Bergwacht-Mitglieder mit zehn Einsätzen wesentlich mehr gefordert waren.

Mit dem Akja – einem wannenförmigen Schlitten – werden Verletzte zu Tal transportiert. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Wie es den Ehrenamtlichen damit geht? „Wir freuen uns, wenn wir Menschen helfen können. Wir sind aber auch froh, wenn nichts passiert“, sagt Alex Rest. Der Maschinenbauingenieur ist einer von derzeit 45 ehrenamtlichen Aktiven der Lenggrieser Bergwacht. Im Skigebiet hat jeder von ihnen im Schnitt etwa alle fünf Wochen für jeweils ein Wochenende Dienst. „Etwa fünf bis 15 sind dann immer da“, sagt Rolf Frasch.

Während das Funkgerät am Sonntagvormittag in der Diensthütte der Lenggrieser und Tölzer Bergwacht still bleibt, hat er Zeit zu reden. Das wäre bei den zehn Einsätzen am Vortag und Problemen bei der Funkanlage kaum möglich gewesen, sagt Frasch. An dem Samstag herrschte bestes Winterwetter. Zwei Skifahrer verletzten sich schwer und mussten ins Unfallkrankenhaus Murnau eingeliefert werden. Ein 19-Jähriger zog sich ein Thoraxtrauma zu, als er nahe der Stiealm stürzte. An der Familienabfahrt mussten die Ehrenamtlichen einen 60-jährigen Wintersportler mit offenen Bruch am Oberschenkel versorgen. Die Wunde blutete stark, so dass acht Einsatzkräfte, darunter zwei Notärzte, tätig wurden. Viele der Bergwacht-Mitglieder seien Rettungssanitäter oder Mediziner, sagt Frasch.

Die Ausbildung zum Bergwacht-Mitglied dauert in der Regel zweieinhalb Jahre

Wie verunglückte Wintersportler zu behandeln sind, lernen die angehenden Mitglieder intensiv auch während ihrer zweieinhalbjährigen Ausbildungszeit. „Der Sanitätskurs hat 80 Stunden“, sagt Alex Rest. Zudem müssen sich die Ehrenamtlichen regelmäßig fortbilden. Wer will, kann sich zusätzlich als Luftretter spezialisieren, nur dann darf er an der Seilwinde eines Hubschraubers bei Rettungseinsätzen agieren. Auch eigene, auf Canonying spezialisierte Gruppen gibt es bei der Bergwacht.

Für diese Rettungsorganisation sind im Freistaat von den Alpen im Süden bis zu den nördlicheren Mittelgebirgen 4500 Ehrenamtliche tätig. Wenn alles gut läuft, wird Lukas Bergmann im März dieses Jahres einer von ihnen sein. Dafür muss er nachweisen, dass er bis zum dritten und vierten Schwierigkeitsgrad im Fels klettern kann, Skitouren fachlich korrekt plant oder sich mit Lawinenkunde auskennt. Um die 600 Stunden dauert die Ausbildung samt Eignungstest insgesamt, im Sommer wie im Winter.

Die Latschenkopfhütte wurde Anfang der 1930-er Jahre errichtet. (Foto: Harry Wolfsbauer)

In der Stube der Latschenkopfhütte müssen die Mitglieder der Wolfratshauser und Münchner Bergwacht eng zusammenrücken. Schließlich ist der im Erdgeschosskern steingemauerte Bau schon fast hundert Jahre alt, Anfang der 1930er-Jahre wurde er errichtet. Seit 1924 führt die Bahn bis nach Lenggries führt, schon damals zog es vermehrt Wintersportler aus dem städtischen Raum wie München aufs Brauneck. Die mussten noch mit Skiern aufsteigen, um abzufahren. Mit der Kabinenbahn ging der erste Lift erst 1957 in Betrieb.

Am Lenggrieser Hausberg war auch ohne Liftanlagen bereits einiges los. Aus München ging es mit dem Zug hinaus in den Isarwinkel und für das Wochenende auf eine der Hütten, berichtet Daniele D’Auria, der erst lange Mitglied der Münchner Bergwacht war und inzwischen der Wolfratshauser Bergwacht angehört. „Zum Skifahren sind ja damals eher die Städter gegangen“, sagt er. Am Lenggrieser Bahnhof habe es sogar einen Sanitätswaggon gegeben, um Verletzte abzutransportieren.

Das Knie zählt zu den am häufigsten verletzten Körperteilen

Heutzutage verletzen sich die meisten Wintersportler am Knie. Das hängt auch mit dem Untergrund zusammen. Zu Beginn der aktuellen Skisaison hatte es eher weniger Naturschnee gegeben. Auf den maschinell beschneiten harten Pisten zogen sich die Wintersportler laut Frasch eher Verletzungen an den oberen Extremitäten zu. Es gab Schulter-Luxationen, Brüche am Ellbogen oder am Unterarm, auch Wirbelverletzungen. Als es schneite, habe sich das zu den unteren Extremitäten gedreht, sagt Frasch. „Also Unterschenkel- und Oberschenkelfrakturen oder Knie.“

Jeder Bergwachtler verfügt über ein Sprechfunkgerät, das in der Hütte geladen und einsatzbereit gehalten wird. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Auf der Latschenkopfhütte am hinteren Brauneck endet der Januarsonntag ereignislos. Untertags können die Ehrenamtlichen der Bergwacht rund ums Dienstgebäudes auch mal Skifahren, solange sie ihr Funkgerät dabeihaben. Alarmiert werden die Münchner und Wolfratshauser aber nicht. Wenige Minuten nach 15.30 Uhr machen sich die Mitglieder zur letzten Kontrollfahrt des Tages auf, eine Viertelstunde später stellt der Schlepper am Zirkushang den Betrieb ein. An der Talstation sind allerdings noch ein paar Wintersportler mit Kindern. Wie sich herausstellt, wollen sie auf der etwas höher gelegenen Stiealm übernachten. Ein Einsatz ist also nicht nötig. Gestrandete Wintersportler, die den Betriebsschluss der Lifte verpasst haben, aufzusammeln, ist allerdings eine der wiederkehrenden Aufgaben der Bergwacht.

Letzte Kontrollfahrt am Tag: Im Akja – dem wannenförmigen Schlitten -befindet sich der Müll, der von der Hütte ins Tal gebracht muss. (Foto: Benjamin Engel )

Für das Team der Münchner und Wolfratshauser Bergwacht geht es nach der Finstermünzabfahrt den Florihang-Schlepplift hinauf. Um Verletzte im Akja weiter zu transportieren, ist dort für die Bergwacht extra ein roter Bügel markiert. Daran können die Ehrenamtlichen das Transportmittel für Verletzte befestigen. Wie immer warten die Bergwachtler jetzt, bis der Florihang-Schlepper für den Tag stillsteht, bevor sie ins Tal abfahren.

Zusammenhalt und Teamgeist: Die ehrenamtlichen Bergwacht-Mitglieder investieren viel Zeit in ihre Tätigkeit – und für ihre Gemeinschaft. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Alle sprechen von einer besonderen Gemeinschaft, die sich im Team bilde. Auf die Latschenkopfhütte nähmen sie auch immer wieder ihre Familien mit, sagt D’Auria. Schließlich sei das Ehrenamt sehr zeitintensiv. Da müssten die Familienmitglieder verständnisvoll reagieren. Übernachtet wird selbstverständlich ebenso in den Diensthütten – bis ein neuer Einsatztag beginnt.

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