Kultur

Emmy-Verleihung 2025: Jetzt ganz offiziell: der lustigste Mann in Hollywood | ABC-Z

Schon bevor Seth Rogen die besten Lacher in Hollywood geschrieben hat, hatte er die beste Lache in Hollywood. Kehlig und krümelig, ausladend und einnehmend: wie Beavis & Butthead auf sehr potentem kalifornischen Gras oder ein Moped mit Startschwierigkeiten. Comedyfans kennen diese Lache seit 20 Jahren aus Rogens Auftritten in Podcasts und Late-Night-Talkshows, vielleicht auch aus missglückten Szenen und Audiokommentaren, die man früher als Bonusmaterial auf den DVD- und Bluray-Versionen von Filmen fand. Der Rest der Welt kennt Rogen und seine Lache seit den 77. Emmy-Awards, die in der Nacht zum Montag für die vermeintlich oder tatsächlich besten Beiträge zum zurückliegenden US-Fernsehjahr vergeben wurden.

23-mal war die Kinobranchensatire The Studio, die maßgeblich von Rogen und dessen Kreativpartner Evan Goldberg geschrieben, produziert und inszeniert wurde, beim wichtigsten TV-Preis der Welt nominiert – Rekord für die erste Staffel einer Comedyserie. 13-mal wurde sie schließlich ausgezeichnet, wobei allein Rogen viermal auf die Bühne des Peacock Theater in Los Angeles gerufen wurde. Dort nahm er in den Comedykategorien alle wichtigen Awards entgegen: beste Serie, beste Regie, beste Drehbücher, bester Hauptdarsteller. “Danke an die Studiobosse!”, rief er zum Abschluss seiner letzten Rede – an jene Leute also, über die er sich mit The Studio so erfolgreich lustig gemacht hatte.

Zweifellos war es Rogens Abend, schon in den Rahmenbedingungen der diesjährigen Emmy-Verleihung schien alles dafür angelegt. Preisträgerinnen und -träger waren angehalten, ihre Reden auf maximal 45 Sekunden zu beschränken: eine Vorgabe, die das Tempo der Veranstaltung hochhielt und womöglich auch allzu deutliche Kritik an der Regierung von US-Präsident Donald Trump oder der israelischen Kriegsführung in Gaza unterbinden sollte. Vielmehr als ein paar shout-outs und jene gutmütigen Sticheleien, für die Rogen bekannt ist, ließen sich in einem solchen Rahmen kaum unterbringen.

Sein letztes Rodeo? Stephen Colbert bei den Emmy-Awards © Kevin Winter/​Getty Images

Zwei Ausnahmen bestätigten diese Regel. Die Schauspielerin Hannah Einbinder, ausgezeichnet für eine Nebenrolle in der Serie Hacks (in Deutschland bei RTL+ zu sehen), beendete ihre Rede mit den explizitesten Worten des Abends: “Fuck ICE and free Palestine.” In der mit leichter Verzögerung ausgestrahlten Fernsehübertragung wurde ein Teil dieser Aussage per Piepton zensiert. Der Late-Night-Host Stephen Colbert, ein lautstarker und langjähriger Kritiker der Trump-Regierung, dessen für Mai 2026 geplante Absetzung erst wenige Wochen vor den Emmy-Awards verkündet wurde, äußerte sich nach seinem Erfolg in der Kategorie beste Talkshow zurückhaltender, aber doch unmissverständlich. Aus einer Sendung, die eigentlich von Liebe handeln sollte, sei im Lauf der Zeit eine Show über Verlust geworden. Erst dadurch, erklärte Colbert, habe er begriffen, wie sehr beides miteinander verbunden sei. Nach zehn Jahren auf Sendung müsse er deshalb sagen, dass er die USA noch nie so sehr – und so verzweifelt – geliebt habe wie im Jahr 2025.

Ein symbolträchtiger Preis für Stephen Colbert

Wie die meisten Film- und Fernsehjurys besteht das Emmy-Gremium aus Gewohnheitstieren. Der erste Preis für Colberts Late Show nach zuvor sieben erfolglosen Nominierungen dürfte also nicht zuletzt eine symbolische Auszeichnung gewesen sein. Die angekündigte Absetzung des Late-Night-Talkers gilt schließlich auch als politisch motiviert: Der Hollywoodkonzern Paramount, der auf seinem TV-Sender CBS sowohl die Late Show als auch die Emmy-Verleihung ausstrahlt, habe sich dadurch nach Meinung vieler Beobachter das Wohlwollen der US-Telekommunikationsbehörde FCC für eine Fusion mit der Produktionsfirma Skydance sichern wollen. Die Behörde untersteht der Trump-Regierung, die Fusion wurde inzwischen von der FCC genehmigt.

Nicht nur wegen der Personalie Colbert hatten viele Medien eine Emmy-Gala mit politischen Untertönen erwartet – ungeachtet der Tatsache, dass abseits etwa der Lateshowformate ausschließlich Serien ausgezeichnet wurden, die bereits vor Beginn von Trumps zweiter Präsidentschaft im Januar 2025 abgedreht worden waren. Den Preis für die beste Dramashow gewann die in Deutschland bisher nicht ausgestrahlte Krankenhausserie The Pitt von R. Scott Gemmill, als beste Miniserie wurde Adolescenceüber den Mord eines 13-jährigen Jungen an einer Mitschülerin prämiert. Das Projekt von Jack Thorne und Stephen Graham, der auch als bester Hauptdarsteller einer Miniserie ausgezeichnet wurde, hatte nach seiner Netflix-Premiere im Frühjahr den wohl größten Serienhype des Jahres ausgelöst. Sogar der britische Premierminister Keir Starmer sprach zwischenzeitlich davon, Adolescence wegen seines Umgangs mit Internet- und Incel-Kultur zum Anschauungsmaterial an Schulen machen zu wollen.

Acht Preise gewann die Serie letztlich, darunter auch einer für den 15-jährigen Nebendarsteller Owen Cooper, der nun jüngster Emmy-Gewinner aller Zeiten in dieser Kategorie ist. Ebenso viele Awards gingen an das Apple-Projekt Severance, dessen Schöpfer dennoch einen bittersüßen Abend erlebten. Die Show von Dan Erickson über Menschen, die ihr Leben in scheinbar unabhängig voneinander agierende Arbeits- und Privat-Ichs einteilen, galt dank 27 Nominierungen als Favoritin in den Dramakategorien. Prestigeträchtige Preise gewannen aber nur ihre Hauptdarstellerin Britt Lower, der Nebendarsteller Tramell Tillman und die Kamerafrau Jessica Lee Gagné. Die Chance, eine Serie mit den vielfach zitierten und ersehnten politischen Untertönen großzügig zu belohnen, wurde bei Severance ebenso verpasst wie im Fall eines weiteren Kritikerlieblings, des Star-Wars-Spin-offs Andor. Der ungewöhnlich vielschichtigen Serie über konkurrierende politische Ideologien und den Kampf gegen ein faschistoides System blieb ein Drehbuchpreis für den Autor Dan Gilroy.

Der Weg war damit frei für Seth Rogen und The Studio, Idee und Umsetzung der Serie erwiesen sich letztlich als unwiderstehlich für die Emmy-Jury. Rogen spielt in der Serie das zweithöchste Tier beim fiktiven Hollywoodstudio Continental, einen Mann, der geschäftliche Ambitionen und ambitionierte Filme miteinander versöhnen will. Am Ende jeder Folge stolpert er aber doch über sein größtes Manko: Der Studioboss will von den Kreativen gemocht werden. Niemand soll ihn einfach nur für einen weiteren Anzugträger in Hollywood halten, obwohl er natürlich exzellent sitzende Maßanzüge trägt.

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