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EM 2024, Koeman: „Nur Spieler zu nach sich ziehen, die 100 Meter in neun Sekunden laufen – das ist kein Fußball“ | ABC-Z

Seit Januar 2023 ist Ronald Koeman wieder Bondscoach der niederländischen Nationalmannschaft. Er hatte sie schon einmal betreut: von Februar 2018 bis August 2020, bevor er den FC Barcelona übernahm. Mit der Eftal will der 61-Jährige nun erneut Geschichte schreiben – wie vor 36 Jahren als Spieler. Damals besiegten die Niederlande Gastgeber Deutschland im EM-Halbfinale und setzten sich im Endspiel in München gegen die Sowjetunion durch. Im Interview mit WELT spricht er über die Europameisterschaft, seinen Job, Druck und seine Zukunft.

WELT: Herr Koeman, kann die Niederlande in Deutschland wie 1988 wieder Europameister werden?

Ronald Koeman: Das Turnier damals habe ich als Spieler erlebt. Es war großartig. Damals wie heute haben uns unzählige Fans unterstützt, die Farbe Oranje war überall präsent. Es waren und es sind wieder Heimspiele für uns. Diese Unterstützung wird uns helfen. Und unsere Mannschaft ist stark genug, jeden zu schlagen.

WELT: Aber?

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Koeman: Man braucht auch dieses Spiel-Glück, das wir 1988 hatten.

WELT: Das hatte Ihre Mannschaft vergangenen Freitag beim 0:0 gegen Vize-Weltmeister und Top-Favorit Frankreich nicht. Ein Tor Ihres Spielers Xavi Simons wurde aberkannt.

Koeman: Ich persönlich denke, dass das Tor hätte zählen müssen. Die Position von Denzel Dumfries ist abseits, das ist richtig. Aber er stört den Torwart nicht. Daher ist es legal gewesen. (Das Tor des RB-Leipzig-Profis in der 69. Minute war vom Videoschiedsrichter aberkannt worden. Dumfries soll in der Szene in Abseitsposition Frankreichs Torwart Mike Maignan behindert haben. Er hatte neben dem Torwart gestanden, als der Ball ins Tor ging.)

Koeman jubelt nach dem EM-Sieg 1988. Gullitt streckt neben ihm den Pokal hoch

Quelle: picture alliance/SZ Photo/Werek

WELT: Die Niederlande haben erst einen großen Titel gewonnen. Wieso?

Koeman: Wir sind ein kleines Land im Vergleich zu Deutschland, Italien oder Spanien, die alle viel mehr Fußballer haben. Dennoch: Was die Niederlande als Nation in den vergangenen 40, 50 Jahren geleistet haben, ist wirklich sehr gut.

WELT: Das heißt?

Koeman: Wir hatten oft die Chance, Titel zu gewinnen. Wir standen 1974, 1978 und 2010 im WM-Finale, bei der WM 2022 in Katar verloren wir im Viertelfinale erst im Elfmeterschießen gegen Argentinien. Holland hatte regelmäßig eine Mannschaft, die die ganz Großen schlagen kann. Auch dieses Mal.

WELT: Sie sind der Hoffnungsträger einer ganzen Nation und sollen die Elftal zum zweiten Titel-Gewinn der Geschichte führen. Wie groß ist der Druck, der auf Ihnen lastet?

Koeman: Ich habe einen wunderbaren Job. Mir ist jedoch bewusst: Wenn wir das Turnier nicht gewinnen, werden die Kritiker wieder kommen. Doch diesen Druck haben meine Trainer-Kollegen aus Spanien, Deutschland, England oder Frankreich auch. Sollte es schiefgehen – es würde mein Vermächtnis in den Niederlanden nicht zerstören.

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WELT: Warum?

Koeman: Die Menschen werden mich als guten Fußballer in Erinnerung behalten, der mit Holland Europameister wurde, der bei den drei großen Klubs in der Heimat gespielt hat (Ajax Amsterdam, PSV Eindhoven, Feyenoord Rotterdam; die Redaktion), der beim FC Barcelona war. Als Spieler, später als Trainer. Der den FC Everton und den FC Southampton in der Premier League coachte.

WELT: Ihr Vertrag als Bondscoach läuft bis nach der Weltmeisterschaft 2026. Reizt Sie nochmals ein Traineramt bei einem Klub – zum Beispiel in der Bundesliga?

Koeman: Nein, zu einem Verein zurückzukehren, daran denke ich nicht mehr.

WELT: Wieso?

Koeman: Ich bin jetzt Nationaltrainer, das macht mich stolz. Es ist einer der wichtigsten Jobs in den Niederlanden. Und im Vergleich zu der Arbeit als Vereinstrainer steht man nicht jeden Tag unter Druck. Ich denke, dass es danach an der Zeit ist, andere Dinge im Leben zu tun.

Mit der Eftal will Koeman erneut Geschichte schreiben

Quelle: AP/Mathias Schrader

WELT: Wie hat sich der Fußball in den vergangenen 20, 30 Jahren verändert?

Koeman: Die Intensität des Spiels hat sich verändert. Aber ich glaube, dass die technisch guten Spieler aus den 80er- und 90er-Jahren mit ihrem guten Positions-Spiel heute noch wichtige Rollen einnehmen würden. Nur Spieler zu haben, die die 100 Meter in neun Sekunden laufen – das ist kein Fußball.

WELT: 20 Jahre auf Top-Niveau spielt Portugals Cristiano Ronaldo …

Koeman: Ich bewundere ihn, weil er mit 39 Jahren körperlich noch topfit ist, sein Niveau gehalten hat. Was er für den Fußball getan hat, das ist fantastisch.

WELT: Was halten Sie von der deutschen Mannschaft, die bereits im Achtelfinale dieser Europameisterschaft steht?

Koeman: Die Deutschen gehören zu den Favoriten, sie spielen zu Hause und haben mit Julian Nagelsmann einen guten Trainer. Dazu einige erfahrene Spieler im Kader.

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WELT: Wie Torhüter Manuel Neuer, Kapitän Ilkay Gündogan oder auch Thomas Müller.

Koeman: Ja – und eine Reihe von jungen Spielern. Ich bin besonders beeindruckt von Jamal Musiala. Er ist erst 21 Jahre alt, spielt aber wie ein erfahrener Fußballer. Er ist mit seiner Spielweise brandgefährlich.

WELT: Abschließend: Denken Sie noch das eine oder andere Mal an den EM-Titel-Gewinn von vor 36 Jahren zurück?

Koeman: Ja, es war großartig. Zu der Zeit war ich Spieler beim PSV Eindhoven. Wir haben die Meisterschaft, den Pokal und 1988 auch den Europapokal der Landesmeister gewonnen. Der Gewinn der EM war wie eine Nachspeise. Die Freude der Fans, als wir mit dem Pokal nach Hause kamen, war eine unglaublich schöne Erfahrung.

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