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Zwölfjährige missbraucht? Freisprüche sorgen in Österreich für Empörung | ABC-Z

Es dauerte ein wenig, bis die Welle der Empörung in Österreich ihren Höhepunkt erreichte. Es laufe „ordentlich etwas falsch“ in diesem Land, wenn junge Mädchen nicht mehr geschützt würden, schrieb FPÖ-Chef Herbert Kickl am Sonntag auf X. Der Begriff „Skandalurteil“ fiel in einem Kommentar der „Kronen-Zeitung“, und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) teilte auf Instagram mit: „Es gibt Tage, da versteht man auch als Politikerin die Welt nicht mehr.“ Ihr sei es so gegangen, als sie „vom Freispruch der zehn großteils migrantischen Angeklagten“ gehört habe, „die ein zwölfjähriges Mädchen missbraucht haben sollen“. Als Mutter und Politikerin halte sie diese Freisprüche für falsch.

Am Montag legte Tanner noch einmal nach: „Es kann nicht sein, dass Vergewaltiger mit milden oder gar keinen Strafen davonkommen“, hieß es in einer Mitteilung, in der sie gesetzliche Rahmenbedingungen forderte, „um solche Straftaten adäquat sanktionieren zu können“.

Hintergrund ist ein Fall, der schon seit gut einem Jahr für Aufregung in Österreich sorgt. Damals war bekannt geworden, dass ein Mädchen 17 jungen Männern aus dem migrantisch geprägten Wiener Stadtteil Favoriten vorwarf, sie gegen ihren Willen immer wieder zu sexuellen Kontakten genötigt zu haben. Die Begegnungen mit dem Mädchen, das anfangs erst zwölf Jahre alt gewesen sei, fanden demnach teils in Parks statt, in öffentlichen Toiletten, Treppenhäusern und einmal in einem Hotelzimmer. Im Boulevard war schnell schnell von „Gruppenvergewaltigungen“ die Rede und dem Migrationshintergrund der meisten Beschuldigten.

Keine Schuld vor Gericht nachweisbar

Doch am Freitag waren zehn der Angeklagten, die inzwischen zwischen 16 und 21 Jahren alt sind, von einem Schöffensenat des Straflandesgerichts Wien freigesprochen worden. In der Urteilsbegründung hatte der Vorsitzende Richter klargestellt, dass die Beweisaufnahme „ganz klar“ zu diesem Ergebnis geführt habe. Die Angaben des Mädchens seien „mit so vielen Widersprüchen“ behaftet gewesen, dass es „nicht möglich“ gewesen sei, „zu einem Schuldspruch zu kommen“.

Die Staatsanwaltschaft hatte ohnehin nur die „Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung“ angeklagt. Das weitaus schwerere Delikt Vergewaltigung, von dem Verteidigungsministerin Tanner sprach, kam aus Sicht der Anklage gar nicht infrage, da auch vonseiten des Mädchens nicht von „Drohungen“ oder „Gewalt“ die Rede gewesen war. Da die Betroffene sich offenbar als älter dargestellt hatte, wurde den jugendlichen Beschuldigten zugebilligt, dass sie das wahre Alter des Mädchens nicht gekannt hatten, weshalb auch ein „Missbrauch von Unmündigen“ entfiel. Das Gesetz geht davon aus, dass ein Kind von zwölf Jahren überhaupt nicht wirksam in sexuelle Handlungen einwilligen kann, doch für eine Strafbarkeit hätten sich die Beschuldigten dessen bewusst sein müssen.

Für Zweifel am Tatvorwurf hatten neben anderen Details offenbar auch Aussagen der besten Freundin des Mädchens geführt, die vor Gericht berichtet hatte, die damals Zwölfjährige hätte ihr von „Sex-Treffen“ erzählt und weder von Gewalt noch von anderen Vorfällen berichtet. Von fehlender Freiwilligkeit sprach das Mädchen offenbar erst, nachdem sie ihr späterer Freund zur Rede gestellt hatte, als er „im Park“ von einem der späteren Angeklagten erfahren hatte, dass schon etliche Jungen Burschen aus der Gegend „etwas“ mit ihr gehabt hätten. Beim mutmaßlichen Opfer stellte eine Gutachterin eine Reifestörung fest, das Mädchen sei auf der Suche nach Anerkennung gewesen.

Richter nennt mediale Begleitung „bedauerlich“

Schon vor Monaten waren zwei andere Angeklagte freigesprochen worden. Der eine, weil es das Gericht als „eindeutig erwiesen“ ansah, dass der Geschlechtsverkehr einvernehmlich gewesen war. In einem weiteren Fall hieß es zur Begründung, dass der junge Mann zumindest von einer Einvernehmlichkeit hatte ausgehen können. Damals wurde die Richterin allerdings mit einem Satz zitiert, der für weitere Empörung sorgte: „Es passiert oft, dass man erst Nein sagt und sich dann durch Zärtlichkeiten überzeugen lässt.“

In der Urteilsbegründung am Freitag war der Vorsitzende Richter bereits auf die mediale Begleitung des Falls eingegangen, die er „sehr bedauerlich“ nannte und als in Teilen falsch bezeichnete. Der Vorsitzende ging auch auf den Begriff der „Gruppenvergewaltigung“ ein und nannte ihn angesichts der tatsächlichen Tatvorwürfe „absurd“. Dass die Freigesprochenen beim Verlassen des Saals später ihre Genugtuung offen zur Schau stellten, beruhigte die Stimmung nicht.

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