Eklat auf der Siko: J. D. Vance sorgt für Entsetzen | ABC-Z

München – Man hatte ja schon Schlimmes vom Auftritt des US-Vizepräsidenten J. D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz erwartet. Doch dem Stellvertreter von Präsident Donald Trump gelang es, noch eins draufzusetzen: kein Wort zum Ukraine-Krieg, fast nichts zur Nato und internationalen Sicherheitspolitik.
Dafür eine Rede, die man in Deutschland durchaus als Wahlwerbung für die (nicht eingeladene) AfD verstehen konnte. An den versteinerten Gesichtern vieler Zuhörer war das Entsetzen abzulesen.
Fake News zum Anschlag in München
Was Vance in seiner 30-minütigen, frei gehaltenen Rede im Kern vortrug, war eine Art Mischung von radikalem Liberalismus, Fremdenfeindlichkeit und christlichem Fundamentalismus. „Vulgärliberalismus“ nannte es der Politikprofessor Stephan Bierling als Konferenzbeobachter.
Wichtig war dem US-Vize, das Attentat auf einen Demonstrationszug, das am Vortag in München stattfand, als Folge der schädlichen Massenmigration zu erwähnen: „Wie oft müssen wir so etwas erleben?“ Dabei lieferte er noch eine Prise Fake News ab, indem er den Täter fälschlich als vorbestraft bezeichnete.
Die wegen russischer Einmischung annullierten Wahlen in Rumänien und die Verfolgung von betenden Christen im Umfeld einer britischen Abtreibungsklinik beschäftigten Trumps Stellvertreter mehr als die transatlantischen Beziehungen oder die Ukraine, die er mit keinem Wort erwähnte.
Die Bedrohung seien nicht Russland, China und andere „externe Akteure“, sondern komme aus Europas Innerem, verblüffte Vance die Zuhörer. Damit sei die Abwendung von „Grundsätzen“ gemeint.
Meinungsfreiheit ohne Grenzen
Wie schon beim KI-Gipfel in Paris sprach sich Vance für grenzenlose und unkontrollierte Meinungsfreiheit aus, im Internet und auch sonst überall. Wenn die Vereinigten Staaten die Anschuldigungen von Greta Thunberg überleben konnten, „dann wird die deutsche Demokratie auch Elon Musk überleben“, reagierte Vance auf die Unterstützung des Milliardärs für die AfD.
Nur wenige fanden es komisch. „Seien Sie nicht ängstlich. Ich wünsche Ihnen alles Gute“, verabschiedete sich der Vizepräsident und ließ das Auditorium ratlos und erschrocken zurück.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) wies die Zweifel von Vance an der Demokratie in Europa als „nicht akzeptabel“ zurück. So etwas öffentlich gegen den wichtigsten Nato-Partner auszusprechen, war ebenfalls ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der Sicherheitskonferenz.
Auch die schon vor ihm zugesicherte Bereitschaft der Europäer, viel mehr für ihre Verteidigung zu tun, ignorierte Vance komplett. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte sich gemessen an seiner staatstragenden Rolle in der Eröffnungsrede schon weit aus dem Fenster gelehnt und gefordert, der Aufwuchs der Verteidigungsaufgaben müsse weitergehen.
In einem Land vor unserer Zeit?
Das Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Armee und Rüstung auszugeben, stamme „aus einer anderen Zeit“, sagte Steinmeier. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte sogar einen praktischen Weg auf. Sie denke an eine „Ausnahmeklausel“ vom europäischen Stabilitätspakt, welche es den Mitgliedsstaaten erlaube, für die Rüstung zusätzlich Schulden zu machen.
Der ehemalige deutsche Außenminister Steinmeier ahnte wohl schon, was da von der Trump-Administration auf die Konferenz zukommen würde. „Wir dürfen nicht aus Angst erstarren“, sagte Steinmeier. „Regellosigkeit“ dürfe nicht zum zukünftigen Maßstab in der Welt werden.
Musterknabe China?
Den Ball nahm der chinesische Außenminister Wang Yi freudig auf und präsentierte sein Land als Musterknaben für die Bewahrung internationaler Regeln. China sei Partner von 600 internationalen Abkommen und erfülle alle daraus resultierenden Verpflichtungen, behauptete Yi.
Etwas wackelig wurden die diplomatisch ausgefeilten Auskünfte des chinesischen Chefdiplomaten in München allerdings, als Konferenzleiter Christoph Heusgen ihn nach Beihilfe zur Beendigung des Ukraine-Kriegs durch Verzicht auf die massiven russischen Gasimporte fragte.
„Welches andere Land würde uns so viel Gas verkaufen?“, wich Yi aus: „Wir haben eine Verantwortung unserem Volk gegenüber.“