Eintracht Frankfurt in Europa League ohne Marmoush und Toppmöller | ABC-Z
Diese Eintracht-Saison hat schon ein paar wilde Schlussphasen erlebt: das 3:3 gegen den FC Bayern München, die Pilsner Tore nach Einwürfen, den Stuttgarter Abseits-Ausgleich. Trainer Dino Toppmöller bewahrte in all diesen Momenten Ruhe. Nur einmal verlor er die Fassung. Beim Europapokalspiel in Lyon, das die Eintracht knapp 2:3 verlor, stürmte er nach Spielschluss auf den Schiedsrichter zu, zog seine Spieler weg und gab dem Unparteiischen die Schuld: „This is your fault“, schrie Toppmöller ihm ins Gesicht.
Die Kabbeleien zwischen französischen und deutschen Spielern waren im Grunde genommen kaum der Rede wert. Toppmöller jedoch zeigte in dieser Situation einen Schutzinstinkt, den er auch in diesen Tagen rund um den Abgang seines besten Spielers präsentiert: Ich bin der Chef, ich stehe vor meiner Mannschaft, sie versammelt sich hinter mir.
Die Schiedsrichter des Europäischen Fußball-Verbands (UEFA) fanden das wohl nicht ganz so beeindruckend wie seine Spieler, sie sperrten Toppmöller für ein Spiel. Die Wahl fiel auf die Partie zwischen der Eintracht und Ferencváros Budapest, die an diesem Donnerstag (21 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Bundesliga und auf RTL+) im Waldstadion angepfiffen wird. „Für mich ist es auch eine ungewohnte Situation“, sagte Toppmöller.
Platz auf der Tribüne
Er sei noch nie gesperrt gewesen, aber wenn sein Ersatz „nicht so viel“ anders mache – dann sollte es schon laufen. Der Ersatz heißt Jan Fießer, spielte selbst in der Eintracht-Jugend und bei Wehen oder Sandhausen. Heute ist er einer der Ko-Trainer Toppmöllers. Er selbst will mit der Mannschaft zum Stadion fahren, sie auch vor dem Spiel motivieren, sich dann aber auf einen schönen Platz auf der Tribüne zurückziehen.
Von dort kann er beobachten, wie seine Elf die Frage aller Fragen beantwortet: wie sie Omar Marmoush ersetzen wird. Der Transfer zu Manchester City wurde nun an diesem Donnerstag offiziell verkündet.
Arthur Theate, der an der Seite Toppmöllers auf dem Podest saß, analysierte es gelassen. Marmoush sei zweifellos ein klasse Spieler, der sich seinen Weg selbst erkämpft habe und nun vor der „Chance seines Lebens“ stehe. Aber: „Das Team gehört nicht einem Spieler. Wenn ein Spieler neu reinkommt, sind wir immer noch dieselbe Mannschaft.“
Damit traf Theate einen Punkt. Die Eintracht ist aktuell so stark, weil sie eingespielt ist, weil jeder weiß, was der andere tut. Während Toppmöller in der Phase vor Weihnachten häufig wechselte, stellte er bei den drei Siegen seit Neujahr immer dieselbe Mannschaft auf. Nur eine Ausnahme machte er: Gegen Dortmund ersetzte Ansgar Knauff Marmoush, dessen Wechsel da bereits bevorstand.
Weniger wechseln
Knauff ist zwar ähnlich schnell wie Marmoush, aber er schießt ungenauer und dribbelt unrhythmischer. Als Dortmund die Eintracht in der zweiten Halbzeit tief in die eigene Hälfte drückte, landete jeder Ball schnell wieder in den BVB-Reihen, weil vorne ein Spieler fehlte, der den Ball abschirmt oder sich im richtigen Moment fallen lässt.
Knauff ist nicht ein solcher Spieler – und doch trugen seine Laufwege, sein Einsatz entscheidend dazu bei, dass die Eintracht Dortmund schlug. Insofern dürfte er auch gegen Budapest starten. „Das Team lässt sich nicht aus der Ruhe bringen oder ablenken“, lobte Toppmöller. Er wechsle nun etwas weniger, damit seine Spieler im Flow blieben. Insbesondere auf der rechten Seite fließe das Eintracht-Spiel gut, in der sich mit Rasmus Kristensen und Mario Götze zwei Spieler aufhielten, die sich besonders gut verstünden.
Bisher ist es der Eintracht also gelungen, Marmoush vergessen zu machen, zumindest auf dem Platz. Gegen den BVB war das vergleichsweise einfach, verteidigten die Dortmunder doch bedenklich schwach und ließen sich vor allem durch die Frankfurter Paradedisziplin schlagen – Konter. Gegen Budapest dürfte ein Gegner warten, der eher tief steht. Und für den die Ideen Marmoushs nötig wären.
Oder doch nicht? Niemand weiß es so recht, Budapest tauschte kürzlich den Trainer. Toppmöller und seine Ko-Trainer analysierten Spiele der Ungarn, als diese noch einen anderen Trainer hatten, und wurden vor allem auf den gefährlichen Stürmer Barnabás Varga aufmerksam. Dass er so gefährlich ist, dass ihn die Frankfurter gleich hierbehalten – dafür spricht wenig, Varga ist schon 30.
Die Eintracht sucht wieder einen jüngeren Stürmer, der vom Profil her Marmoush ähnelt und den sie eines Tages teuer verkaufen kann. Eine vielversprechende Option ist weiterhin Elye Wahi von Marseille. Es gibt jedoch – entgegen anderen Berichten aus Frankfurt – keinen neuen Stand der Verhandlungen. „Wir entscheiden gemeinsam, wer am besten zu uns passt“, sagte Toppmöller. Er sei ohnehin geduldig. So wie fast immer: „Ich habe totales Vertrauen in unser Team.“
Eintracht-Gegner Ferencváros Budapest
Als Ferencváros Budapest das letzte Mal ein Pflichtspiel in Deutschland zu bestreiten hatte, 2023 in Leverkusen in der Europa League, kam es zu einem diplomatischen Eklat. Denn kurz hinter der Grenze wurde der Sonderzug mit Fans von „Fradi“, wie der ungarische Rekordmeister aus dem nach Kaiser Franz benannten Teil der Hauptstadt liebevoll genannt wird, gestoppt und stundenlang durchsucht. Außenminister Péter Szijjártó soll interveniert haben, damit sie noch rechtzeitig zum Anpfiff eintrafen, wo sie dann eine 0:2-Niederlage ansehen mussten.
Als leidenschaftlich bis ruppig gelten die Anhänger des Budapester Kultklubs, die Ultras von „B Mitte“ schlagen allerdings regelmäßig über die Stränge. Sie sind auch schon mal politisch in Erscheinung getreten, indem bekannte „Fradistak“ einen Versuch der Opposition in Budapest behindert haben, ein Referendum einzubringen. Klubchef Gábor Kubatov ist Abgeordneter und Parteiurgestein des national-konservativen Fidesz von Ministerpräsident Viktor Orbán.
Das Spiel wird für Frankfurt keinesfalls ein Selbstläufer. Ferencváros (sprich: Ferenzwaarosch) hat in dieser Europa-League-Saison zwar zuletzt bei PAOK Saloniki ein 0:5 hinnehmen müssen und auch gegen Tottenham und Anderlecht verloren. Aber Nizza, Kiew und Malmö wurden teils deutlich besiegt, das sind keine „No-Names“ im europäischen Fußball. Allerdings wird man sehen müssen, wie die Mannschaft den Abgang von Trainer Pascal Jansen verkraftet, der nach nur einem halben Jahr im Winter nach New York gewechselt ist. An der Seitenlinie steht jetzt der frühere irische Stürmer Robbie Keane. Die winterlichen Vorbereitungsspiele gerieten holprig, ein 0:0 gegen den deutschen Zweitligaklub Preußen Münster und eine Niederlage gegen Piast Gleiwitz aus Polen. Im Angriff sticht Nationalstürmer Barnabás Varga hervor, der in der Europa League diese Saison fünfmal getroffen hat.
Frankfurt hat auch einen Ungarn im Kader, Krisztián Lisztes, 19 Jahre alter Sohn des gleichnamigen früheren Bundesligaspielers. Krisztián junior hat sein Profidebüt bei Ferencváros gegeben und ist im Sommer zu den Hessen gewechselt. Er hat es, auch wegen Verletzungen, bislang aber nur zu ein paar Spielen in der zweiten Mannschaft gebracht. (löw.)