Eintracht Frankfurt arbeitet an der Zukunft | ABC-Z
Nathaniel Brown bezog die Aussage vor allem auf sich selbst. „Eine bessere Woche geht gar nicht.“ Der 21 Jahre alte Junioren-Nationalspieler konnte sich nach langer Wartezeit nicht nur über seine beiden ersten Startelf-Einsätze für die Frankfurter Eintracht freuen, sondern durfte auch noch außergewöhnliche Erfolgserlebnisse durchleben. Ein hart erkämpftes 2:1 im DFB-Pokal in Unterzahl gegen Borussia Mönchengladbach am Mittwoch und ein rauschhaftes 7:2 am Samstag in der Fußball-Bundesliga gegen den Tabellenletzten VfL Bochum, zu dem er auch noch mit seinem ersten Ligator den Treffer zum 4:0 beisteuerte.
Sein Satz kann aber auch gut und gerne auf die gesamte Eintracht übertragen werden. Der Verein präsentiert sich in diesen Tagen in einer hervorragenden Gesamtverfassung. Bei der Aufsichtsratssitzung am Dienstag wurde in Harmonie der Wechsel des Finanzvorstandes von Oliver Frankenbach zu Julien Zamberk vollzogen, am Donnerstag vermeldete Frankenbach in seiner letzten Amtshandlung einen Rekordumsatz für das abgelaufene Geschäftsjahr von annähernd 400 Millionen Euro inklusive eines satten Gewinns von 25 Millionen Euro. Sportlich wurde erst das Pokalachtelfinale, in dem es zu RB Leipzig geht, erreicht und dann in der Bundesliga ein Tabellenplatz, der zur Teilnahme an der nächsten Champions-League-Kampagne berechtigen würde.
Eine wunderschöne Momentaufnahme oder ist die Eintracht tatsächlich reif für die Königsklasse? Trainer Dino Toppmöller mochte die Frage nach dem Kantersieg über Bochum nicht einfach mit Ja beantworten, schließlich könne Verletzungspech dazwischenkommen. Aber der 43 Jahre alte Fußball-Lehrer sagte auch: „Klar ist, dass wir uns oben festbeißen wollen.“ Womit er implizierte, dass er seine Mannschaft für fähig hält, es zu tun.
Marmoush ist besonders wichtig
Bei einem raschen Blick auf die Statistiken könnte man meinen, der Erfolg der Eintracht hat nur einen Namen: Omar Marmoush. Der 25 Jahre alte Ägypter hat nach dem neunten Spieltag zehn Treffer erzielt und sechs Torvorlagen (offizielle Statistik der Deutschen Fußball Liga) gegeben.
Eine Quote, die noch nie ein Stürmer erzielen konnte in der Frankfurter Bundesligageschichte und die in dieser Saison nur vom Münchner 100-Millionen-Stürmer Harry Kane (Elf Tore, fünf Torvorlagen) erreicht wird. Der zweiteffizienteste Frankfurter folgt mit weitem Abstand. Hugo Ekitiké wird mit vier Treffern und zwei Assists in der Statistik geführt. Auch bei detaillierter Betrachtung der Spielverläufe ändert sich nichts an der sich aufdrängenden Einschätzung, dass Marmoush von entscheidender Bedeutung für die Eintracht ist.
Extra-Kick durch Marmoush
Gegen Gladbach erzielte er nach seiner Einwechslung den Siegtreffer, gegen Bochum brachte er sein Team mit einer genialen Torvorlage auf Ekitiké und einem Freistoßtreffer auf Kurs. Aber es sind nicht nur die erfolgreichen Abschlüsse des Ägypters, die der Eintracht entscheidend weiterhelfen, es ist schon seine Anwesenheit auf dem Spielfeld. Marmoush ist derzeit in der Lage, in jeder Sekunde des Spiels eine entscheidende Situation zu kreieren – durch seine Schnelligkeit, seine Dribbelfähigkeit, seine Auffassungsgabe, seinen leidenschaftlichen Einsatz, durch seine Lust am Spektakel. Er versetzte die Gladbacher und die Bochumer Gegenspieler in Angst und Schrecken, sobald er in Ballnähe war, und er verleiht seinen Mitspielern die Zuversicht und Ruhe, dass aus langen Ballstafetten mit nur einem Pass auf Marmoush etwas Konstruktives werden kann.
Toppmöller wurde am Samstag aufgefordert, noch einmal etwas über die Stärke seines besten Stürmers zu sagen. „Quasi aus dem Nichts eine gefährliche Aktion zu starten“, antwortete der Eintracht-Trainer. Dann schickte er hinterher: „Aber ohne die Mannschaft könnte Omar auch nicht so erfolgreich sein.“ Was unbestreitbar ist. Vor allem mit Ekitiké harmoniert Marmoush, die beiden ergänzen sich kongenial. Und ohne ihre Zulieferer wären die beiden von ihren Torerfolgen abgeschnitten.
Dennoch lässt sich sagen, dass Marmoush und mit leichten Abstrichen Ekitiké die beiden sind, die der Eintracht den Extra-Kick geben und von der Champions League träumen lassen. Sie bringen zuverlässig die Ernte ein, nachdem die anderen das Feld bestellt haben. „Wir sollten die Situation ein stückweit genießen und auch mal auf die Tabelle schauen“, gab Toppmöller am Samstagabend seinen Profis mit auf den Weg in die zwei freien Tage, die er ihnen zur Regeneration verordnet hatte.
Transferüberschüsse müssen her
Genießen – das sollten auch die Frankfurter Fußballfans tun, denn allzu lange werden sie nicht mehr das Vergnügen erleben, das ihnen dieses Eintracht-Team vermittelt. Dass Marmoush und Ekitiké den Klub zum Saisonende verlassen werden – wenn sie ihre Leistungen bis dahin auch nur in etwa bestätigen – steht heute schon fest. Und auch für Larsson sind unmoralische Angebote zu erwarten, die die Eintracht nicht ablehnen wird.
Im Weiterverkauf der besten Spieler liegt ihr Geschäftsmodell, mit dem sie in vier, fünf Jahren zu einem regelmäßigen Anwärter auf einen Champions-League-Platz werden will. TV-Einnahmen, Marketing, Sponsoring, Ticketing – all die klassischen Einnahmequellen sind ziemlich ausgereizt. Signifikante Umsatzsteigerungen lassen sich nur mit Transferüberschüssen erzielen.
In den vergangenen Jahren waren es Kolo Muani, Jovic, Haller, Pacho, Lindström, Silva und Kostic, die mit großen bis riesigen Gewinnmargen weiter veräußert wurden. Die Überschüsse aus ihren Transfers investierte die Eintracht wieder in Perspektivspieler wie Marmoush, Ekitiké, Larsson, Knauff, Chaïbi, Bahoya, Nkounkou, Matanovic, Uzun, Brown, Amenda, Collins und Höjlund. Deren Marktwerte sind in den vergangenen Monaten schon gestiegen, zum Teil immens. Selbst Profis, die jetzt noch nicht in der ersten Reihe stehen, entwickeln sich im Moment schnell weiter, weil der Flow, in dem sich die Eintracht befindet, es Toppmöller erleichtert, ihnen Einsatzminuten zuzubilligen.
Matanovic, Uzun, Brown, Amenda, Collins und Bahoya spielten zu Saisonbeginn so gut wie keine Rolle, jetzt sind sie in den vielen Englischen Wochen zu echten Alternativen geworden. Wunderbare Perspektiven, sportlich und finanziell. Die Zeiten sind so gut, dass selbst das alte Schlachtross Timothy Chandler wieder Mal ran durfte. Gegen die Bochumer kam der 34-Jährige Außenverteidiger noch einmal ins Spiel, vom Publikum bei jeder Ballberührung stürmisch umjubelt.
Der Versuchung, die besten Spieler durch deftige Gehaltserhöhungen zum Bleiben zu bewegen, widerstand die Eintracht bisher. Noch immer verdient kein Profi in Frankfurt deutlich mehr als vier Millionen Euro Grundgehalt. Das kann sich im Erfolgsfall durch Prämien zwar signifikant erhöhen, aber durch die Erfolge nimmt die Eintracht auch mehr Geld ein.
Da sich Marmoush auch in diesem Gehaltsrahmen bewegt und in Frankfurt ausgesprochen wohl fühlt, waren sich er und die Eintracht im Sommer einig, ein 24-Millionen-Angebot von Nottingham Forest nicht anzunehmen. Sie glaubten, dass noch sehr viel mehr für sie drin liegen würde, wenn sie sich ein gemeinsames Jahr mehr gönnten. Wie es aussieht, hatten sie Recht.