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Eintracht-Ersatztorhüter Santos und der Slapstick in Frankfurt gegen Mainz | ABC-Z

Den Willen, es so zu machen, dass es ein erbauliches Ende nehmen würde, war keinem von ihnen abzusprechen. Exemplarisch für die Schaffenskraft der Eintracht war das Bemühen, mit dem Rasmus Kristensen fortwährend das Spielfeld beackerte. Der Däne, fürwahr kein Ballartist, fügte dem aufgeweichten Rasen mit seinen Stollenschuhen und einer furchtlosen Zweikampfführung manch tiefe Furche zu.

Doch für ihn wie alle Frankfurter, die ein ums andere Mal vergeblich anrannten, brachte der Samstagnachmittag gegen Mainz 05 die frustrierende Erkenntnis, dass zwischen gut gemeint und gut gemacht eine kleine, feine Differenz besteht, die auf dem Fußballplatz den großen Unterschied ausmachen kann. Mehr als der Treffer zum 1:3 (75. Minute) durch den stämmigen Verteidiger gelang den Frankfurtern nicht. Kristensen war später der erste, der den Gegenspielern zu ihrem Erfolgserlebnis gratulierte – dann zog auch er sich kopfschüttelnd zurück.

Als Eintracht-Trainer Dino Toppmöller in den Katakomben der Arena über ein Resultat sprach, das ihm in Anbetracht von Einsatz und Ertrag zurecht absurd vorkam, war die Auswertung der Analysten schon fertig, die den Frankfurtern bei ihrer ersten Heimniederlage in dieser Bundesliga-Hinrunde bescheinigte, dass sie in allen erdenklichen Kategorien besser abgeschnitten hatten als die Rheinhessen.

Das Missvergnügen, dass sie dennoch mit leeren Händen dastanden, rührte auch aus der Tatsache her, dass die Eintracht von der 21. Minute an mit einem Mann mehr zu Werke ging, nachdem Nadiem Amiri wegen eines Fouls an Ellyes Skihri die Rote Karte gesehen hatte. Gespielte Pässe (544 zu 244), Flanken (49 zu 3), Ballbesitz (71 Prozent zu 29) und Ecken (17 zu 2) zeichneten das Bild einer Partie, dass von der Eintracht beherrscht und dennoch verloren wurde. Und die Ursache war schnell benannt: In Toppmöllers Truppe, die lange mit dem Glück im Bunde war, fiel die Quote an (schwerwiegenden) Fehlern zu hoch aus.

„Er wird daraus lernen und es wird ihn stärker machen“

Das Unheil nahm seinen Lauf, als am Morgen um 9.16 Uhr das Telefon von Toppmöller klingelte. Kevin Trapp, so wurde es Toppmöller von seinem Assistenten Jan Zimmermann übermittelt, der für die Betreuung der Torleute zuständig ist, klagte über Grippesymptome. So kam Stellvertreter Kaua Santos zu seinem siebten Einsatz in der Hinrunde – und am frühen Abend sprachen dann Kollegen und Vorgesetzten von einer der bedauerlichsten Keeper-Darbietungen in der jüngeren Bundesligageschichte. „Das ist extrem bitter und ärgerlich, weil wir dieses Spiel niemals verlieren dürfen. Kaua tut mir etwas leid. Er hat keine gute Leistung gebracht und Entscheidungen getroffen, die nicht so gut waren“, sagte Eintracht-Sportvorstand Markus Krösche nach dem verpatzten Jahresabschluss. Er nahm den Brasilianer, über den in den Sozialen Medien sogleich ein Kübel Spott ausgegossen wurde, aber auch demonstrativ in Schutz: „Er wird daraus lernen und es wird ihn stärker machen.“

Sowohl beim ersten Gegentreffer wie beim dritten leitete Kaua Santos mit bedenklichem Zutun den nächsten Rückschlag der SGE ein. Am Samstag zeigte sich, dass der 21-Jährige bei allen vielversprechenden Ansätzen, über die er zweifellos verfügt, (noch) nicht restlos dem nervlichen Druck gewachsen ist, der mit der Schlüsselposition verbunden ist; wie gegen Pilsen und Beşiktaş Istanbul in der Europa League unterliefen ihm Patzer. Gegen Mainz entschied sich der Brasilianer, der von vielen, als er im Herbst den von einer Muskelblessur gehandicapten Trapp vertrat und dabei zunächst makellos seinen Job verrichtete, als Rückhalt gesehen wurde, der alsbald in die Rolle der Nummer eins hereinwachsen würde, zweimal für die riskante Variante in der Spieleröffnung – und das ging gehörig schief.

Der Treffer zum 0:1 hat Aussichten, auf den letzten Drücker in die Jahresrückblicke der kuriosesten Eigentore aufgenommen zu werden: Kaua Santos brachte mit einem Zuspiel zunächst Skhiri in die Bredouille, der sich sofort dem Mainzer Pressing ausgesetzt sah. Die hohe Rückgabe des Tunesiers schätzte Kaua Santos falsch ein, so dass er die Kugel mit seinem Unterarm erst an die Latte und dann ins Tor beförderte (15.). Von „Slapstick“ sprach Krösche. „Was mich beim ersten Gegentor extrem ärgert, ist, dass wir genau diese Bälle nicht wollten“, haderte Toppmöller. „Wir haben gesagt, wenn der Sechser Druck hat, dann wollen wir ihn nicht anspielen. Genau das hat er getan. Das sind Dinge, die er verbessern muss.“

Kaua Santos produzierte in der 59. Minute einen weiteren fatalen Pass in den Lauf von Nikolas Veratschnig. Erst parierte er noch gegen Lee Jae-sung, ehe der Nachschuss von Paul Nebel Mainz 3:0 in Führung brachte; zwischenzeitlich hatte Robin Koch einen Abschluss von Nebel unhaltbar abgefälscht (27.). „Wenn man die drei Gegentore sieht, das ist schon Wahnsinn“, fasste Toppmöller die Vorkommnisse zusammen, „das habe ich so auch noch nicht erlebt.“

Nach einer in weiten Teilen überzeugenden zweiten Jahreshälfte, in der sie phasenweise so zielstrebig aufgetreten waren, dass sie in die Rolle des ersten Bayern-Verfolgers schlüpften, verabschiedeten sich die Frankfurter so trotz 27 Punkten aus 15 Partien bei weitem nicht zufrieden in die Winterpause. Dass die vierte Niederlage in der sechsten Dezember-Partien die Vorweihnachtsstimmung trübte, fühlte sich für Toppmöller „sehr komisch an“. Es es werde mindestens „zwei, drei Tage“ dauern, die Ernüchterung zu verarbeiten. Kurzum: Spätestens seit dem vierten Adventswochenende sind die Frankfurter nach fünf anstrengenden Monaten für Körper und Geist endgültig urlaubsreif.

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