Einheimischenmodell „Am Wiesengrund“: Nachbarstreitigkeiten und Schwarzbauten – Starnberg | ABC-Z
Ärger hat es schon immer reichlich gegeben am Wiesengrund: In allen Phasen seines Entstehens war das Starnberger Prestigeprojekt der damaligen Bürgermeisterin Eva John schwer fehlerbehaftet. Und selbst jetzt, vier Jahre, nachdem alle 51 Reihenhäuser des Einheimischenmodells weitgehend fertiggestellt sind, blüht Ungemach im Wohnquartier. Zu Verärgerung führt eine offensichtliche Ungleichbehandlung: Die einen dürfen nämlich – mit ausdrücklichem Segen ihrer direkten Nachbarn – Terrassen- und Balkonüberdachungen anbringen. Andere, die keine nachbarliche Zustimmung bekommen, dagegen nicht. Mittlerweile sind sogar erste Schwarzbauten entstanden. Doch das scheint kaum jemanden zu interessieren.
Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt, ließ Friedrich von Schiller seinen Helden „Wilhelm Tell“ schon vor 220 Jahren sagen. Daran hat sich bis heute nichts geändert, Streitigkeiten unter Nachbarn sind so alt wie die Welt. Was sich derzeit aber im Neubaugebiet im Süden der Kreisstadt abspielt, dürfte Seltenheitswert haben. Unlängst befasste sich wieder einmal der Bauausschuss der Stadt mit der Angelegenheit, deren Ursprung auf architektonische Unzulänglichkeiten und den Bebauungsplan zurückzuführen ist.
Dabei ist Wind- und Sonnenschutz am Wiesengrund dringend erforderlich. Im Vorjahr hatten sich 31 der insgesamt 51 Hauseigentümer mit der Bitte um Abhilfe gemeldet: Zuweilen pfeift der Wind durch die Gassen und reißt Tische, Stühle, Blumentöpfe und Satellitenanlagen um. Und bei intensiver Sonneneinstrahlung heizen sich Terrassen und Balkone derart auf, dass es kaum noch zu ertragen ist. Der Bauausschuss machte sich höchstpersönlich ein Bild von der Situation und kam zum Schluss: Ja, da müssen wir was tun.
Im Sommer 2023 stimmte die Stadt erstmals dem Anbau einer Überdachung am Wiesengrund zu. Um eine aufwendige Änderung des Bebauungsplans zu vermeiden – ein Verfahren kann bis zu drei Jahre dauern –, sollen Befreiungen und Einvernehmen erteilt werden, „sofern dieser Antrag mit nachbarrechtlichen Belangen vereinbar ist“. Bislang wurden neun Anträge positiv entschieden. Doch beim Zehnten gab es Ärger: Ein Eigentümer verweigerte seinem Nachbarn die Unterschrift – und der wandte sich in seiner Not an die Stadt.
Doch der Bauausschuss blieb bei seiner Entscheidung: Genehmigte Überdachungen gibt es nur, „wenn alle Nachbarunterschriften auf den Eingabeplänen vorliegen“ – wohl wissend, dass am Wiesengrund bereits Schwarzbauten entstanden. Für die interessiert sich das personell unterbesetzte Kreisbauamt aber nicht: „Nachbarstreitigkeiten kann die öffentliche Hand nicht lösen“, teilt Pressesprecher Stefan Diebl auf Anfrage mit. Bei Verstößen gegen Baurecht schreite man nach eigenem Ermessen und nach jeweiliger Priorität, insbesondere aber „nur bei gravierenden Fällen“ ein. Der Wiesengrund gehört nicht dazu.
Antragsteller Nr. 10 bleiben somit drei Optionen: Entweder er verzichtet auf den Anbau, oder er einigt sich doch noch mit dem Nachbarn. Oder er verschönert seine Terrasse – wie andere auch – ebenfalls ohne Genehmigung.