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Einer, um den uns alle beneiden | ABC-Z

Florian Wirtz ist im Verlauf seiner noch recht jungen Karriere schon so manches Kunststück gelungen, aber diese Finessen, mit denen er das Jahr 2024 auf dem Spielfeld beendete, hatte er zuvor noch nicht gezeigt. Patrik Schick waren beim 5:1 gegen den SC Freiburg vier Treffer für Bayer Leverkusen gelungen, was den tschechischen Torjäger einem ungeschriebenen Fußballergesetz folgend quasi automatisch zum Mittelpunkt des Abends hätte machen müssen. Und doch hatte wieder einmal der unglaubliche Wirtz alle anderen, auch Schick, überstrahlt.

„Ich war während des Spiels mehrmals erstaunt“, sagte der Freiburger Stürmer Michael Gregoritsch, als er nach diesem außergewöhnlichen Spieler gefragt wurde, „gefühlt macht er, was er will und es funktioniert, es ist eine Augenweide“. Christian Günter erwähnte zwar, dass die Rolle als Gegner etwas ungünstig sei, zugleich war der Kapitän des SC aber ähnlich beglückt von dieser Begegnung mit dem bestaunten Star wie ein Fan von einer Live-Show der Lieblingsband: „Wenn man den Fußball liebt und ihm zuschauen kann, dann ist das unglaublich, wie der Junge mittlerweile spielt, das ist ja Wahnsinn“, sagte Günter auch mit Blick auf das Tor von Wirtz. Trickreich, elegant, präzise im Strafraum: 2:0

Xabi Alonso: „Flo ist Flo“

Zum gefühlt hundertsten Mal wurde auch Xabi Alonso nach diesem lange Zeit herausfordernden Spiel gegen sehr starke Freiburger auf seine Nummer 10 angesprochen, seine Antwort war schlicht: „Flo ist Flo.“ Damit deutete der Trainer einerseits an, dass er nicht auf jeder Pressekonferenz sagen kann, was für ein besonderer Spieler Wirtz ist. Andererseits brachte der kurze Satz geschickt die Einzigartigkeit dieses Spielers zum Ausdruck.

Den Freiburgern war es durch eine extrem konsequente Manndeckungsstrategie besser gelungen, den Leverkusener Granit Xhaka aus dem Spiel zu nehmen, als jedem anderen Gegner in dieser Saison zuvor. Lange war der SC deshalb ebenbürtig. Aber Wirtz ließ sich, trotz oder wegen eines verschossenen Elfmeters nicht stoppen, was nicht zuletzt daran lag, dass das Bayer-Kollektiv wieder mit dieser imponierenden Energie Fußball spielt, die dem Klub das Double beschert hatte.

Nach einer schwächeren Phase im Herbst, als der deutsche Meister Führungen gegen Kiel, in Bremen sowie in Bochum und damit wertvolle Punkte verspielte, habe das Team „wieder diesen Biss gefunden, diese Energie, diesen Siegeswillen“, sagte Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes. Neun Punkte betrug der Rückstand auf die Bayern nach elf Spieltagen Ende November, nun sind es nur noch vier. Die Leverkusener haben den Tabellenführer auswärts in München im DFB-Pokal geschlagen, und sie haben wettbewerbsübergreifend acht Mal nacheinander gewonnen – die Bayern haben doch einen Konkurrenten im Kampf um den Titel.

Er sei insgesamt „sehr zufrieden“, sagte Alonso, „die Jungs sind in einer guten Verfassung, mit einem guten Flow, mit guter Energie, nicht nur mit dem Ball, sondern auch ohne Ball spielen wir intensiv“. Die „Stabilität im Fußball und im Kopf“ sei wiederhergestellt.

Das ist ein Indiz für einen neuen Entwicklungsschritt, der keineswegs selbstverständlich ist. Im Raum stand nach dem Rausch der Vorsaison ja schon die Frage, ob zu viele Spieler das Leverkusener Projekt für abgeschlossen hielten. So wie ein Bergsteiger, der auf dem K2 war und sich nun fragt, ob er die Torturen so einer Expedition noch einmal auf sich nehmen möchte. Oder ob er sich jetzt erstmal erholt, den Erfolg genießt, um dann zu einer anderen Zeit an einem anderen Ort neue Gipfel anzustreben. Etwa am Mount Everest.

So suchte Jonathan Tah im Sommer eine neue Herausforderung und wollte gerne zum FC Bayern wechseln. Mancher Leverkusener machte während der ersten Saisonphase den Eindruck, erstmal gesättigt zu sein. „Es ist nicht so, dass man nicht wollte, aber man konnte nicht immer an Grenzen gehen“, sagte Xhaka.

Neuerdings ist sogar vorstellbar, dass Florian Wirtz noch eine weitere Saison bei Bayer Leverkusen bleiben wird. Meldungen über eine Vertragsverlängerung aus der vergangenen Woche wurden zwar vom Klub dementiert, aber Wirtz und seine Familie wissen schon zu schätzen, wie gut diese Mannschaft bisher für die Entwicklung war. Vielleicht träumt der Virtuose sogar heimlich von den ganz großen Dingen: vom Gewinn der Champions League mit Bayer Leverkusen zum Beispiel, was rein fußballerisch keinesfalls unmöglich erscheint.

So ein Erfolg würde in Wirtz‘ Karriere wahrscheinlich noch magischer erscheinen, als die großen Titel die der gebürtige Rheinländer mutmaßlich in Zukunft mit Giganten aus der Kategorie Manchester City, Real Madrid oder Bayern München noch gewinnen wird. Der Superkicker ist gemeinsam mit Xhaka, Alonso, Tah und einem guten Team aufgebrochen, Bayer Leverkusen zu einem Giganten zu machen, zumindest für eine kurze Ära. Bereits am 10. Januar folgt die nächste Etappe, mit einem schönen Spiel bei Borussia Dortmund.

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