Ein Universum vom Schmetterling bis zum Mammut | ABC-Z
Berlin. Die norwegische Virtuosin Vilde Frang spielt in der Philharmonie beim Deutschen Symphonie-Orchester Elgars Violinkonzert. Ein Gespräch
Über die norwegische Geigenvirtuosin wird gern gesagt, dass sie etwas Feenhaftes an sich habe. Auch musikalisch. Beim Deutschen Symphonie-Orchester Berlin gastiert Vilde Frang am Donnerstag mit Edward Elgars
Violinkonzert h-Moll. Im Gespräch erfährt man beiläufig, dass Feen auch sportive Neigungen haben können. „Ich gehe sehr gerne Skilaufen. Man hat beim Langlauf übrigens ein ähnliches Gefühl wie beim Spielen von Elgars Violinkonzert“, sagt sie. „Es ist sehr effektiv, wenn man den eigenen Rhythmus gefunden hat. Nach 45 Minuten kann man nicht mehr aufhören, es läuft wie von selbst. Man ist fast wie in einer Trance.“ Dann macht sie lächelnd einige Langlauf-Bewegungen.
In Oslo ist Vilde Frang 1986 geboren worden. Bereits mit vier Jahren begann sie auf der Geige zu spielen. Aber seltsamerweise dauert es in unserem Gespräch eine Weile, bevor wir über Musik reden. Noch sind wir in Norwegen, einem unheimlich schönen Land mit seinen Fjorden, den Wäldern und Gebirgen, wie sie sagt. „Man kann dort Skilaufen, Schwimmen und Bergwandern“, sagt die Virtuosin: „In norwegischen Gebirgen herrscht eine unglaubliche Stille. Mein Lieblingsgeräusch ist es, wenn es schneit. Es gibt eine Stille des Schnees, die mich fasziniert.“
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Mit zehn Jahren hatte sie ihr erstes öffentliches solistisches Konzert mit dem Norwegischen Rundfunkorchester gegeben. 1998 wurde sie Anne-Sophie Mutter vorgestellt. Eine prägende Begegnung, weil die deutsche Stargeigerin ihre Mentorin wurde. Nach dem Studium in Oslo setzte Vilde Frang ihre Ausbildung in Hamburg und an der Kronberg Academy. „Ich habe viele Jahre in Berlin gelebt und habe hier noch eine Wohnung am Prenzlauer Berg, in der Nähe vom Kollwitz-Platz. Es ist eine schöne Ecke“, sagt die Geigerin. Seit der Pandemie sei sie nicht mehr ganz so oft hier, aber sie wolle Berlin und Deutschland nicht aufgeben. „Hier habe ich einen Rhythmus für mich gefunden. Wenn ich nach Skandinavien zurückziehen würde, dann käme mir das ein wenig wie im Ruhestand vor. Allerdings gibt mir Norwegen auch eine gewisse Balance.“
Während der Pandemie lag ihre Geige ungespielt unter dem Sofa
Die internationalen Lockdowns hatte gerade auch reisende Virtuosen betroffen. „Die Zeit war für mich persönlich eine fantastische Zeit, auch wenn ich natürlich selber Covid bekam“, sagt sie. Danach hat sie gleich noch ein halbes Jahr Sabbatical genommen. „In dieser Phase habe ich überhaupt keine Konzerte gespielt. Es fühlte sich sehr gesund an. Meine Geige lag wirklich unter dem Sofa. Ich habe in der Zeit gekocht, bin Reiten gegangen, war viel in der Natur unterwegs und habe mir eine gute Kaffeemaschine gekauft.“ Aber sie sei sich auch sicher gewesen, betont sie, dass es irgendwann weitergehe. „Ich habe mir in der Pandemie einfach keinen Stress gemacht, dass ich unbedingt die Konzertwelt retten muss.“
Beim Begriff Vielflieger nickt sie leicht. Wer in ihren Konzertkalender schaut, kann sehen, dass sie allein jetzt im Oktober in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Belgien, der Niederlande und in Norwegen Konzerte gibt. Anfang November wird sie wieder bei den Berliner Philharmonikern unter Kirill Petrenko zurück sein. ,„Ich bin kein Fan von Flugzeugen. Ich versuche, Flugreisen so oft wie möglich zu vermeiden“, sagt sie. „Das hängt auch mit den Sicherheitskontrollen zusammen. In Berlin sind sie schon sehr skeptisch und unfreundlich, wenn ich meine Geige vorzeige. Aber ganz prinzipiell liebe ich es zu reisen. Unterwegs zu sein, ist ein sehr schönes Gefühl.“
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Es ist unmöglich, alle Top-Orchester und Stardirigenten aufzuzählen, mit denen Vilde Frang aufgetreten ist. „Es ist als Musiker sehr wichtig, flexibel zu sein. Es gibt viele verschiedene Stile, wie man Musik machen kann. Das ist sehr spannend, und ich habe dabei viel gelernt“, sagt die Geigerin. „Ich habe vielleicht keinen eigenen Stil, versuche aber, überall etwas für mich mitzunehmen. Aber es ist nicht unbedingt eine Frage des miteinander Sprechens, sondern des gemeinsamen Musizierens. Vollkommenes Vertrauen ist das Wichtigste beim Musizieren.“ Und das gäbe es selten. Was auch damit zusammenhänge, dass viele glauben würden, es hänge alles allein vom Dirigenten ab. „Es führt manchmal zu einer gewissen Faulheit, weil eigentlich alle aufeinander hören müssen.“
Die Virtuosin spielt auf einer kostbaren Geige von Guarneri del Gesu
Sie habe die Verantwortung, betont die Geigerin, Werke ernst zu nehmen. „Wenn ich das Gefühl habe, jemand anderes kann ein bestimmtes Stück viel leidenschaftlicher spielen als ich, dann sollte ich es nicht machen. Auch wenn sich damit viele Karten verkaufen lassen.“ Es wäre schade darum. Es gäbe genügend Werke, die nie oder selten gespielt werden. Es sei fantastisch, gemeinsam mit dem Publikum Stücke wie von Hindemith oder Britten zu entdecken. „Es gibt Komponisten, die ich liebe, und andere, bei denen es eine unerwiderte Liebe ist. Das habe ich zum Beispiel mit manchen Stücken von Schubert, vielleicht auch Mozart, Beethoven und Brahms. Dabei kann es durchaus sein, die ich sie vielleicht später in meinem Leben spielen sollte.“ Denn das Publikum spüre, wenn man nicht in tiefer Harmonie mit einem Komponisten spiele.
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Die Virtuosin spielt seit einigen Jahren auf einem „neuen“ Instrument, einer Guarneri del Gesu von 1734. „Ich habe meine alte Vuillaume-Geige geliebt“, sagt sie, „aber dieses Instrument ist wie eine Krönung. Der Klang ist reif, dunkel und selbstbewusst.“ Aber das Instrument könne sich auch ihr anpassen, was bei Stradivaris oder anderen Guarneris nicht üblich sei. „Die sind ihre eigenen Herren“, sagt sie lächelnd. „Mein Instrument ist schon etwas seltsam, der Klang umfasst das Universum vom Schmetterling bis zum Mammut.“
Deutsches Symphonie-Orchester in der Philharmonie am 3.10. um 20 Uhr. Tel. 20298711