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Ein perfekter Film für graue Herbstabende: His Girl Friday mit Cary Grant | ABC-Z

Man meint heutzutage ja gern, wenn ein Film auf einer literarischen Vorlage beruht, dessen Adaption für die Leinwand die Geschlechter tauscht, wäre das eine Errungenschaft des 21. Jahrhunderts. Howard Hawks’ „His Girl Friday“, der auf Deutsch unter dem Titel „Sein Mädchen für besondere Fälle“ herauskam, bewies schon 1940, dass diese Strategie die Spannung erhöhen kann – und so auch das Kinovergnügen.

Ursprünglich wollte der Regisseur Hawks das Bühnenstück „The Front Page“ von Ben Hecht und Charles MacArthur vorlagengetreu mit zwei Männern in den Hauptrollen umsetzen. In diesem Stück versucht der leidenschaftliche Reporter Hildy Johnson, sich von seinem Job zu verabschieden, um zu heiraten, während sein Chefredakteur ihn mit allen Mitteln bei der Zeitung halten will. Während des Castings übernahm es Hawks’ Sekretärin, als Stichwortgeberin den Part von Hildy zu lesen. Die Dynamik, die sich aus der weiblichen Perspektive ergab, gefiel dem Regisseur so sehr, dass er beschloss, die Rolle umschreiben zu lassen. Der Name blieb, nur sollte Hildy nun eine Frau sein.

Hawks war sich mit den Produzenten schnell einig, dass man Cary Grant für die Rolle des Chefredakteurs gewinnen müsse. Grant, der mit dem Regisseur gerade den Fliegerabenteuerfilm „Only Angels Have Wings“ gedreht hatte, stimmte auch sofort zu. Nur mit den Frauen tat man sich zunächst schwer. Der Komödienstar Irene Dunne sagte ab, ebenso ihre Kollegin Carole Lombard; Katharine Hepburn hingegen war kein Liebling des Studiobosses und wurde von ihm abgelehnt.

„Wie hab ich dich denn behandelt? Wie einen Wasserbüffel?“

Zum Glück einigte man sich am Ende auf Rosalind Russell, denn man könnte sich heute keine andere mehr vorstellen, die in dieser Geschwindigkeit mit Cary Grant die gewitzten Rededuelle austrägt, die den Film zum Klassiker unter den Screwballkomödien werden ließen.

Wenn Hildy zum ersten Mal den Newsroom betritt, um ihren Ex-Mann Walter, den von Grant gespielten Chefredakteur, zu besuchen, ist sie eine Erscheinung. Die Reporter grüßen sie kollegial, die Telefonistinnen winken ihr zu, die Journalistinnen tippen an ihre Hüte. Hildy trägt ein gestreiftes Jäckchen mit breiten Schultern und schmaler Taille. Dazu einen passenden, modischen Hut. Sie wolle endlich als Frau behandelt werden, offenbart sie ihrem Ex-Partner. „Wie hab ich dich denn behandelt? Wie einen Wasserbüffel?“, antwortet er. Und von da an beginnt ein etwa zehnminütiger Schlagabtausch, bei dem man sich glücklich schätzt, einen DVD-Player mit Rückspultaste zu besitzen, und sich fragt, wie man dieses Tempo im Kino ausgehalten hat. Die für schnelle Witze berüchtigten Gilmore Girls wirken dagegen wie kalter Kaffee.

Hawks hatte sich in der Tat zum Ziel gesetzt, den Film mit den schnellsten Dialogen zu drehen. Er wies seine beiden Stars an, ihre Zeilen aggressiv vorzubringen und auch Spontanes einzuwerfen. Im ersten Rededuell versucht Walter Hildy zu überreden, ihren Beruf nicht aufzugeben. „Du kannst ja so viel heiraten, wie du willst. Aber du kannst das Zeitungsgeschäft nicht verlassen.“ Auf ihren Einwand, sie wolle sich nun endlich häuslich niederlassen, erwidert er, das sei Verrat an ihrer wahren Persönlichkeit: „Du bist Journalistin!“

Hildy wirkt fast schon als modernes Vorbild

Obwohl als romantische Komödie beworben, zeigt sich hier Hawks’ sehr fortschrittliche Einstellung zu Beziehungen: Ehe schön und gut, aber muss deswegen gleich jedes Talent an Heim, Herd und Kindererziehung verschwendet werden? In Zeiten, da junge Frauen auf Tiktok den Lebensstil unterwürfigen Hausfrauendaseins als „Tradwives“ propagieren, wirkt eine Frau wie Hildy fast schon als modernes Vorbild, auch wenn die Erfindung dieser Figur fünfundachtzig Jahre zurückliegt. (Vorlage für die rasende Reporterin soll im Übrigen die amerikanische Journalistin Adela Rogers St. Johns gewesen sein, die in den Zwanzigerjahren als „The World’s Greatest Girl Reporter“ galt.)

Es ist am Ende nicht Grants Charme, der Hildy davon überzeugt, noch eine letzte Geschichte aufzuschreiben. Es ist ihr Instinkt als Geschäftsfrau, der zuschlägt, als der Ex versichert, bei ihrem Verlobten im Gegenzug für die Story eine Lebensversicherung abzuschließen.

Hildy macht sich also auf den Weg ins Gefängnis, wo ein Mörder kurz vor seiner vorgezogenen Hinrichtung steht. Spätestens hier wird’s politisch. Der Bürgermeister hat die Urteilsvollstreckung vorgezogen, um sie kurz vor den Wahlen zur Stimmungsmache nutzen zu können. Die Reporter im Gericht sind ein sensationslüsterner Haufen, der zwar jedem Knall hinterherrennt, sich aber weder für die Intrigen im Hintergrund noch die Geschichten der Menschen interessiert. Als die Freundin des Verurteilten auftaucht, lachen die Journalisten sie aus. Nur Hildy hat Mitleid mit der Frau – und im Gegensatz zu den Kollegen ein Gewissen.

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