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Ein Bonner wird in Neuseeland verehrt | ABC-Z

Haast Highway, Haast Pass, Haast River und Haast Mountain, ja selbst eine Ortschaft an der Westküste trägt den Namen des 1822 in Bonn geborenen Geologen, der sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht nur in Neuseeland in den höchsten Kreisen der Wissenschaft einen Namen machte. Wie er dies erreichte, erfährt man während einer Rundreise auf der Südinsel Neuseelands äußerst authentisch. Spannender kann eine Spurensuche kaum sein, denn man fühlt sich dabei nicht selten selbst als Entdecker.

Von einer britischen Reederei beauftragt, die Eignung Neuseelands für deutsche Auswanderer zu prüfen, erreichte Haast im Dezember 1858 Auckland und traf dort nur wenige Tage später auf den renommierten, in Esslingen am Neckar geborenen Geologen Friedrich von Hochstetter. Ein Glücksfall für den Bonner, denn Hochstetter nahm ihn in sein Forscherteam auf und so konnte Haast seine geologischen Kenntnisse bei den folgenden gemeinsamen Explorationen deutlich erweitern.

Schon 1859 erhielten die beiden Wissenschaftler von der Provinzregierung in Nelson den Auftrag, die Region geologisch zu erschließen. Folgerichtig startet die Spurensuche in Nelson, von wo aus sich das Forscherteam damals mit einem Dampfer in Richtung Westen bis nach Collingwood vorarbeitete. In Ermanglung einer Schiffsverbindung besteht heute von Marahau aus die Option, sich einer Gruppe anzuschließen, die mit „Abel Tasman Kayaks“ die Küste erkundet. Während Haast und Hochstetter hier Kohle- und Kupfervorkommen untersuchten, steht bei der Kajaktour das Naturerlebnis im Mittelpunkt. Kajak-Guide Whitney Frame kennt die schönsten Buchten und Strände und geleitet die Gruppe schließlich zur Adele-Insel, die im Schutze des Nationalparks zu einem Paradies für Vögel erblühen konnte. Schon aus der Entfernung vernimmt man den orchestralen Querflötensound tausender Tuis und Glockenvögel, der nur ab und an von den Rufen junger Robben nach ihren Müttern unterbrochen wird.

Am Observation Beach angelangt, geht es zu Fuß weiter in Richtung Westen, wobei der Wanderer immer wieder mit herrlichen Panoramablicken vom Bergrücken aufs Meer belohnt wird. In der Anchoridge Bay wartet bereits ein Segelkatamaran, der die Reise entlang einer spektakulären Küstenszenerie fortsetzt. Die letzten Kilometer bis nach Collingwood legt man schließlich mit einem Leihwagen zurück. In der pittoresken kleinen Küstensiedlung trifft man mit etwas Glück auf Des Clark und Darryl Wilkens. Beide sind passionierte Hobby-Höhlenforscher, die den Weg zu den Höhlen bestens kennen, in denen Haast erstmals Knochen der sagenhaften Moas ausgraben konnte, einer endemischen Riesenvogelart, die im Unterschied zu Straußen über keinerlei Flügelansätze verfügten. Der steile Weg dorthin gleicht mit seinem Geröll eher einem Flussbett, bis es nur noch per pedes auf einem engen Pfad durch eine dicht bewachsene Buschlandschaft weitergeht. Abgesehen von einigen Vögeln herrscht Stille, bis man unvermittelt vor einem riesigen Höhleneingang steht, den die Goldsucher „Ballsaal“ nannten. Sie waren es, die hier in der Blütezeit des Goldrausches um 1857 zuerst überdimensionale Knochen in der Höhle fanden, die Haast dann 1859 bei seinen Grabungen als Moa-Knochen identifizierte. Es ist dunkel, glitschig und steil in der Welt der Stalagmiten und Stalaktiten, in der Des Clark mit seiner Stirnlampe einige Löcher ausmacht. „Hier muss Haast die weiteren Moa-Knochen ausgegraben haben“, ist er sich sicher. Haasts Funde waren damals eine Sensation, denn die als Freiwild umherlaufenden Moas hatten die ersten einhundert Jahre menschlicher Besiedlung Neuseelands nicht überstanden. Als leichte Beute verspeisten die Maori die Spezies im 13. Jahrhundert.

Für Haast bedeuteten die Moa-Knochen und die Bergung ganzer Skelette den Beginn einer steilen Karriere als Wissenschaftler. 1859 stellten die Provinzregierungen von Nelson und Canterbury Haast als Geologen an, er zog nach Christchurch und wurde mit weiteren geologischen Recherchen an der Westküste und in den Südalpen beauftragt. Fährt man mit dem Auto die Panoramastraße an der Westküste entlang, trifft man auf viele Orte, die durch Haast auf die offiziellen Landkarten gelangten. Nördlich und südlich des Touristenhighlights „Pancake Rocks“ bei Punakaiki identifizierte er Kohlevorkommen und fand sicher auch an den wie Pfannkuchen übereinandergestapelten Gesteinsschichten der Pancakes Gefallen. Weiter südlich erkundete und kartierte er als Erster die Gletscherwelt der Südalpen und benannte so auch den Franz-Josef-Gletscher. Den benachbarten Fox-Gletscher kann man heute als Tourist bei einem „Flying Fox Heli Hike“ auskundschaften. Bei all der Schönheit der in weißen und unterschiedlichen Blautönen glitzernden Gletscherwelt wird angesichts der vielen Spalten und Hohlräume schnell klar, in welche Gefahr sich Haast zuweilen begab. Einer seiner größten Erfolge war die Vermessung und Kartierung eines Passweges über die zentralen Südalpen, der noch immer als Haast-Pass Ost und West verbindet.

Entspannter lassen sich heute die Südalpen von Greymouth aus mit dem Panoramazug des TranzAlpine überwinden. Bei der etwa fünfstündigen Fahrt ziehen spektakuläre Landschaften vorbei, die Haast 1860 bei einer siebenmonatigen Expedition bereiste und kartografierte. Schneebedeckte Gipfel wechseln sich mit verwitterten Felslandschaften, Flusstälern und tiefen Canyons ab. Der Zielbahnhof Christchurch ist die letzte Station der Spurensuche, hier vollendete und krönte Haast sein Lebenswerk. Indem er einige der in aller Welt begehrten Moa-Knochen gegen andere Museumsexponate eintauschte, gelang es ihm, eine Sammlung von nahezu 8000 Ausstellungsstücken aufzubauen, mit denen er 1863 das Canterbury Museum gründete. „Leider ist das 1870 fertiggestellte prächtige Gebäude aufgrund einer Renovierung bis 2029 geschlossen“, berichtet Chefkurator Paul Scofield bei einem Treffen. Doch einige der Exponate, wie eine Nachbildung eines Moas und Moa-Knochen können Besucher auch in einer Interimsausstellung im nahen Zentrum für Gegenwartskunst bewundern. Paul Scofield zeigt sich von der Lebensleistung Haasts tief beeindruckt, der Christchurch nicht nur als Museumsstifter und Direktor internationale Geltung verschaffte, sondern auch als Dozent am benachbarten College Geologie und Paläontologie lehrte und 1876 zum Professor ernannt wurde. Schließlich endet die Spurensuche am Grab Haasts. „1887 verlor Neuseeland seinen ersten großen Wissenschaftler“, resümiert Paul Scofield. „Für seine großen Verdienste wurde er zu Lebzeiten vom österreichischen Kaiser und von der Königin Englands in den Ritterstand erhoben und Neuseeland wird ihm ewig dankbar sein.“

Die Recherche wurde von Tourism New Zealand unterstützt.

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