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Edwin Moses: “Es gibt Menschen, die alles tun würden, um Olympiasieger zu werden” | ABC-Z

Zurzeit läuft “13 Steps” in deutschen Kinos, eine Dokumentation
über Edwin Moses (USA), den zweifachen Olympiasieger im
400-Meter-Hürdenlauf. ZEIT ONLINE hat mit ihm per Videocall über den Film und
seine Karriere gesprochen.

ZEIT ONLINE: Herr Moses, die Produktionsfirma des
Films (Broadview TV) kommt aus Köln. War das Ihr Wunsch, weil Sie schöne
Erlebnisse mit Deutschland verbinden? Ihren letzten Weltrekord (47,02 Sekunden)
stellten Sie am 31. August 1983 in Koblenz auf, am Tag Ihres 28. Geburtstags. 

Edwin Moses: Es gab viele Faktoren. Ein Kollege, der in der
Laureus-Sport-Stiftung arbeitet, hat mich auf die Idee gebracht. Es stimmt,
ich bin in Deutschland bekannt, weil ich oft gegen den Spitzenläufer Harald Schmid
aus dem hessischen Gelnhausen angetreten bin.
 

ZEIT ONLINE: Leichtathletik ist olympische Kernsportart. Vor Jahren
waren die Golden-League-Meetings große Veranstaltungen. Heute stehen nicht nur
in Deutschland andere Sportarten im Fokus.

Moses: Als ich noch lief, war Leichtathletik eine der
am meisten respektierten Sportarten der Welt. Die Stadien waren voll. Ich weiß
wirklich nicht, was passiert ist. Denn im Laufe der Jahre gab es viele
bedeutende Athleten: Evelyn Ashford, Michael Johnson, Usain Bolt. Ich bin
jedenfalls glücklich, dass ich in den goldenen Zeiten gelaufen bin. 
 

ZEIT ONLINE: Sie wurden 1976 und 1984 Olympiasieger. Wären Sie 1980 in
Moskau gelaufen, als die USA die Spiele boykottierten, hätten Sie wohl auch
dort Gold geholt. Sieger wurde der DDR-Läufer Volker Beck aus Erfurt
in 48,70 Sekunden. Beck lief in seiner Karriere nie unter 48. Wie ging es Ihnen
damals, als Sie den Lauf sahen?
 

Moses: Ich habe ihn nicht im Fernsehen gesehen, er wurde in den USA
nicht übertragen. Es war schlimm, nicht dabei zu sein. Es war ein totaler
Verlust. Ich bin kurz vor den Spielen von Moskau mit 47,13 in
Mailand neuen Weltrekord gelaufen, also 1,57 Sekunden schneller als
der Olympiasieger. Aber so ist das Leben. In der Geschichte gibt es viele
Dinge, die keinen Sinn ergeben. 
 

ZEIT ONLINE: Haben Sie mit Volker Beck darüber gesprochen?
 

Moses: Ja, er sagte: Hey, jeder weiß, dass du wahrscheinlich gewonnen
hättest. Ich trat mehrere Male gegen ihn an, er war nie nah dran an mir.
 

ZEIT ONLINE: Sie lebten in den 1980er-Jahren in West-Berlin. Waren Sie
mal in Ost-Berlin?
 

Moses: Viele Male, über den Grenzübergang Checkpoint Charlie. Mit meiner
damaligen Frau aus West-Berlin waren wir ab und zu in einer Bar in Ost-Berlin.
Sie war Künstlerin und kannte sich gut aus. Unsere Wohnung in Berlin-Rudow war
etwa 300 Meter von der Mauer entfernt. Ich lief immer an der Westseite entlang.
Viele Jungs in der Nachbarschaft wussten, wer ich war, und riefen
meinen Namen. 
 

ZEIT ONLINE: Sie sind oft auch im Ostblock gestartet. Warum?
 

Moses: Amerikaner traten dort kaum an. Ich aber hielt es für wichtig, an
Orten hinter dem Eisernen Vorhang zu laufen, wo man mich nicht erwartet hätte.
 

ZEIT ONLINE: In Ost-Berlin sind Sie nie gestartet. Warum?
 

Moses: Ich wurde nie eingeladen. Sie hatten auch keine wirklich großen
Meetings in Ost-Berlin. Es gab aber ein paar amerikanische Kugelstoßer und
Diskuswerfer, die im Ostteil an den Start gingen.
  

ZEIT ONLINE: Martin Luther King besuchte im September 1964 Ost-Berlin
und redete in zwei Kirchen. Das war für die Leute in Ostdeutschland drei Jahre
nach dem Mauerbau ein wichtiges Ereignis. Wussten Sie das? 
 

Moses: Ich sollte es wissen, habe es aber wohl vergessen. Ich kann mich
nur noch daran erinnern, dass er damals nach Europa gereist war.
 

ZEIT ONLINE: Es war eine Möglichkeit, gegen Rassismus zu kämpfen, der
Welt zu zeigen, was Menschen mit afroamerikanischen Wurzeln alles bewegen
können. Im Sport waren Sie, Muhammad Ali und viele weitere die
Protagonisten. Wie sieht es heute in den USA mit Rassismus aus? 
 

Moses: Im Alltag kann man Rassismus nur sehr schwer in den Griff
bekommen. Es gibt eine Menge davon in unserem Land, viele Menschen glauben,
dass sie andere, die nicht so aussehen wie sie, die nicht das gleiche
Geschlecht, die gleiche Nationalität haben oder einer anderen ethnischen Gruppe
angehören, anders behandeln dürfen. Es gibt Leute, die glauben, dass sie die
Macht haben, andere Menschen wie Scheiße zu behandeln. Das ist nie zu
akzeptieren.
 

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