Echtes „Gefährdungspotenzial“: Krankenkassen haben so wenig Rücklagen wie noch nie | ABC-Z

Echtes „Gefährdungspotenzial“
Krankenkassen haben so wenig Rücklagen wie noch nie
20.02.2025, 18:27 Uhr
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Erst zum neuen Jahr sind bei vielen Krankenkassen die Beitragskosten gestiegen. Der Chef der drittgrößten Kasse warnt jetzt vor einer regelrechten Insolvenzwelle, da die Reserven trotzdem nur für wenige Tage reichen. Der DAK-Vorstandsvorsitzende erwartet deshalb auch neue Beitragserhöhungen.
Der Chef der DAK-Gesundheit, Andreas Storm, befürchtet einen Domino-Effekt der Zahlungsunfähigkeit vieler Krankenkassen. Wenn „ein halbes Dutzend Krankenkassen mit deutlich über einer Million Versicherten“ in die Zahlungsunfähigkeit rutschen, könnte das gesamte System in Gefahr geraten, warnte Storm in der „Ärzte Zeitung“. Es habe „noch nie“ die Situation gegeben, dass die Reserven der Krankenkassen auf einem so niedrigen Stand waren wie zurzeit.
Aktuell reichten die Reserven, um Ausgaben für etwa 2,5 Tage zu decken, sagte Storm weiter. Ein Domino-Effekt berge ein „realistisches Gefährdungspotenzial“, warnte der Chef der drittgrößten Krankenkasse in Deutschland. Storm erwartet zudem, dass die Krankenkassen ihre Zusatzbeiträge noch in diesem Jahr weiter erhöhen, um eine Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Storm forderte daher die nächste Bundesregierung auf, mit einem „Sofortprogramm die Kassenlandschaft zu stabilisieren, und zwar bevor der Schätzerkreis im Oktober zusammenkommt“.
Der Schätzerkreis der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) – bestehend aus Expertinnen und Experten des Gesundheitsministeriums, des Bundesamts für Soziale Sicherung und des GKV-Spitzenverbands – schätzt immer im Oktober die Einnahmen und Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für das folgende Jahr. Auf Basis der Schätzung legt das Gesundheitsministerium dann den durchschnittlichen Zusatzbeitrag als Rechengröße fest. Die einzelnen Kassen teilen ihren individuellen Zusatzbeitrag gegen Jahresende mit.
Viele Krankenkassen erhöhten ihre Zusatzbeiträge zum Jahreswechsel. Die durchschnittlichen Beiträge zur gesetzlichen Krankenkasse inklusive Zusatzbeitrag stiegen damit von zuvor 16,3 Prozent auf 17,5 Prozent. Grund dafür sind stark gestiegene Kosten der Kassen: 2023 lagen diese bei insgesamt 306 Milliarden Euro – rund 100 Milliarden Euro mehr als 2015.
Kassen machten 2024 mehr Minus als angenommen
Das Defizit der gesetzlichen Krankenkassen war laut einem Bericht des Portals Politico im vergangenen Jahr noch höher als bisher angenommen. Es betrug 2024 mehr als sechs Milliarden Euro, hieß es unter Berufung auf vorläufige Zahlen der größten Kassenverbände. Der GKV-Spitzenverband war im Dezember noch von einem Minus von 5,5 Milliarden Euro ausgegangen.
Konkret meldete der Verband der Ersatzkassen, zu dem unter anderem TK, Barmer und DAK gehören, dem Bericht zufolge ein Defizit von 2,5 Milliarden Euro, die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) ein Minus von 1,5 Milliarden Euro, die Betriebskrankenkassen von 1,4 Milliarden Euro und die Innungskrankenkassen von 662 Millionen Euro. Damit wäre die Marke von sechs Milliarden überschritten.
„Die Finanzlage der Kassen hat sich von schlecht zu katastrophal entwickelt“, zitierte Politico Storm. Er warnte demnach vor dramatischen Folgen. „Es gibt fast keinen Spielraum mehr. Wenn sich die Lage weiter verschlechtert, ist ein Teil der Kassenlandschaft am Rande der Insolvenz“, sagte der DAK-Chef.