E-Autos: Die überraschende Trendwende bei privaten E-Autos | ABC-Z

Die Neuzulassungen für E-Autos steigen wieder. Viele dieser Fahrzeuge sind Dienstwagen. Ob der Umstieg zur E-Mobilität gelingt, entscheidet sich jedoch im privaten Automarkt. Hier gibt es eine Trendwende – was offenbar auch mit dem Verschwinden eines Vorurteils beim E-Auto zusammenhängt.
Im ersten Halbjahr sind knapp 249.000 batterieelektrische Fahrzeuge neu auf die deutschen Straßen gerollt. Das ist mehr als im bisherigen Rekordjahr 2023, als es für den Kauf noch Subventionen gab – und entspricht 17,7 Prozent aller Neuzulassungen. Für E-Auto-Befürworter ist das eine erfreuliche Entwicklung. Auch wenn es deutlich länger dauert, als ursprünglich erwartet, kommt das Segment wieder in Gang, was nicht zuletzt an fallenden Preisen liegt. Und dieser Trend kommt nach langer Zurückhaltung auch wieder bei den privaten Nutzern an. Das zeigt eine Erhebung der Huk-Coburg, die WELT vorab vorliegt.
„Die Anzahl von E-Autos unter den Neuzulassungen sagt wenig über die Verbreitung von E-Autos in Deutschland aus“, erklärt Dr. Jörg Rheinländer, Vorstandsmitglied der Huk-Coburg. Der Großteil der Neuzulassungen sind Dienst-, Firmen- oder Flottenwagen. Fast 90 Prozent der 50 Millionen Autos in Deutschland sind Privatwagen, die vielfach gebraucht gekauft wurden. „Ob der Umstieg zur E-Mobilität in Deutschland gelingt, entscheidet sich daher im privaten Automarkt“, mahnt Rheinländer.
Um die Marktdurchdringung dabei zu erfassen, schaut sich die Huk regelmäßig den Bestand der von ihr versicherten Fahrzeuge an. Sie ist der größte deutsche Autoversicherer und kommt auf fast 25 Prozent Marktanteil – die Daten sind daher repräsentativ.
Und sie zeigen: Im zweiten Quartal gingen 5,5 Prozent aller Fahrzeugwechsler vom Verbrenner zum E-Auto über. Das ist deutlich mehr als in den vergangenen Quartalen – und wurde bisher nur in den Jahren 2022 und 2023 übertroffen. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass damals die staatliche Umweltprämie für den Umstieg auf E-Auto und Hybridautos auslief. Das absehbare Ende dürfte zusätzlich zum Weihnachtsgeschäft die Quote in die Höhe getrieben und die Auswertung damals verzerrt haben.
„Eine Trendwende bei der Akzeptanz von Elektroautos in der privaten Bevölkerung scheint sich anzudeuten“, bewertet Rheinländer die Ergebnisse bewusst vorsichtig. „Abzuwarten ist noch, ob die Ergebnisse der nächsten Quartalsauswertungen das bestätigen. Aber es sieht danach aus.“
Angesichts der schwierigen Lage in der Automobilindustrie zwischen Zöllen, Stagnation und allgemeinen Absatzschwierigkeiten sind Prognosen schwierig. Zum Anstieg beigetragen haben dürfte aber das deutlich breitere Angebot – sowohl an Marken als auch an Modellen. Für quasi alle Größen und Bedürfnisse ist mittlerweile ein E-Auto mit schnellerer Ladetechnik im Angebot, die Zahl der öffentlichen Ladesäulen hat sich seit Januar 2023 mehr als verdoppelt. Und nicht zuletzt die Preise sind drastisch gefallen: Der Abstand zum Verbrenner lag im Mai etwa bei nur noch 3655 Euro, wie eine Auswertung des Center Automotive Research Bochum ergab.
Damit schwindet langsam ein Phänomen, das in den vergangenen Jahren die Debatten um einen E-Umstieg beherrscht hatte: die Reichweitenangst. Den Huk-Daten zufolge verabschiedeten sich Vielfahrer, die mehr als 12.000 Kilometer im Jahr fahren, prozentual am häufigsten vom Verbrenner – und bleiben dann dabei. „80 Prozent derjenigen, die bislang schon ein E-Auto haben und mehr als 12.000 Kilometer im Jahr fahren, wählen beim Fahrzeugwechsel erneut ein reines E-Auto“, sagt Rheinländer. „Ihre Erfahrungen auf längeren Strecken mit Reichweite und Lademöglichkeiten sind also offenbar nicht so schlecht.“
Trotz Trendwende bleiben E-Autos bislang ein Nischenprodukt. Im Bundesdurchschnitt sind 3,21 Prozent des Autobestandes bei der Huk bisher batterieelektrische Fahrzeuge. Spitzenreiter sind wenig überraschend die Auto-Länder Bayern und Niedersachsen, Schlusslichter hingegen sind die ostdeutschen Bundesländer Sachsen und Sachsen-Anhalt.
Doch auch diese Zahlen dürften wachsen. Zusätzlich zur Auswertung der Versicherungsdaten führt die Huk bundesweit eine repräsentative Online-Befragung zur Einstellung gegenüber Elektroautos durch. Mit 48 Prozent erklärte darin erstmals eine relative Mehrheit der über 16-Jährigen, dass sie E-Autos „gut“ oder „sehr gut“ finden – nur noch 45 Prozent sind hingegen keine Fans. Gerade bei Vielfahrern, die jedes Jahr mehr als 20.000 Kilometer zurücklegen, hat sich die Einstellung zum elektrischen Untersatz deutlich aufgehellt: Hier finden 54 Prozent E-Autos mittlerweile gut oder sehr gut – fast doppelt so viele wie noch vor einem Jahr.
Steffen Bosse ist Wirtschaftsredakteur und berichtet für WELT über alle Themen aus der Autoindustrie und der Beratungsbranche.