Durfte der Hamburger SV Felix Magath überhaupt sperren? – Sport | ABC-Z

Felix Magath war zufrieden und bester Dinge, was die Zukunft anbelangt. Der Hamburger SV, der zu einem gewissen Anteil auch sein HSV ist, zumindest mit Blick auf die Geschichtsschreibung des Klubs, hatte gerade den ersehnten Aufstieg geschafft und sieben Jahre Zweitklassigkeit bewältigt. Wie man sich denken kann, hatte Magath, 71, wenig Freude an dieser unwürdigen Unterhausepisode. Und eben deshalb hatte Magath auch was vor. Um derlei Ungemach künftig zu verhindern, wollte Magath Hamburger Vereinspräsident werden, seine Kandidatur hatte er im Gespann mit dem früheren Torwart Richard Golz eingereicht. Doch noch während die Aufstiegsfeierlichkeiten im Gange waren, erhielt Magath einen Anruf: Wird nix, Felix, Kandidatur abgelehnt. Das war vor zwei Wochen.
Magath, Torschütze des Siegtreffers im Europokalfinale 1983, einer der wichtigsten Mitbegründer des Mythos HSV also, hat danach ausnahmsweise keine öffentlichen Standpauken gehalten. Nach Eingang der Nachricht, heißt es, soll er irritiert und wütend gewesen sein. Und wie sich zunehmend herausstellt, ist er damit nicht der Einzige. Interessenkonflikte und mögliche Satzungsverstöße machen den Ablehnungsbescheid für Magath zu einer mindestens kontroversen, möglicherweise zu einer juristisch heiklen Angelegenheit.
Die Entscheidung darüber, ob eine Präsidentschaftskandidatur positiv oder negativ beschieden wird, liegt beim fünfköpfigen Beirat des HSV e. V., des Hauptgesellschafters der ausgegliederten Profiabteilung. Im Fall Magath soll jener Beirat zwei Kernvorwürfe identifiziert haben: Magath soll, erstens, nur unzureichend dargelegt haben, welche Vision er für den Breitensport im Verein habe, also für die 120 000 Vereinsmitglieder und die 30 Abteilungen unter dem Dach des e. V.; zudem soll Magath, zweitens, als einflussreiches Kluboberhaupt einen Radikalumbau des Aufsichtsrats angestrebt haben. Das Magath-Lager weist die Vorwürfe zurück; Belege dafür hat der Beirat bislang nicht vorgelegt und dies dem Vernehmen nach auch nicht vor. Zumal Richard Golz, dessen Konzept (naturgemäß) deckungsgleich mit jenem von Magath ist, für die Wahl zum Vizepräsidenten zugelassen wurde.
Eigentlich sitzt der Vorsitzende des Ehrenrates im Beirat. Aber der ist befangen
Doch das ist nicht der einzige Widerspruch, denn es gibt in diesem ganzen Vorgang noch eine Art personifizierten Interessenkonflikt: Kai Esselsgroth, Unternehmer und langjähriger Akteur in den Gewerken des HSV e. V., hat die Prüfung des Beirats bestanden und darf bei der Mitgliederversammlung am 21. Juni somit zur Präsidiumswahl antreten. Was nicht wirklich überrascht, da Esselsgroth bis vor Kurzem noch selbst dem Beirat angehörte – bis er selbst Präsidentschaftsambitionen anmeldete und das Amt ruhen ließ, angeblich, um eine neutrale Prüfung der Kandidaten zu gewährleisten. Und obendrein ist da noch die Sache mit dem Vorsitz des HSV-Ehrenrates, einem von den Mitgliedern gewählten Gremium, das innerhalb des e. V. eine Kontrollfunktion über andere Gremien wahrnimmt – und die würzt die Sache nun besonders an.
Denn laut Paragraf 19 der Vereinssatzung ist der Vorsitzende dieses Gremiums qua seiner Funktion auch „geborenes Mitglied des Beirats“. Und zum Vorsitzenden des HSV-Ehrenrats gewählt wurde: Kai Esselsgroth. Nachdem er nun in den Wahlkampf gezogen war, rückte an seiner Stelle der Ehrenratskollege Andreas Peters in den Beirat nach. Doch beim lockeren Stühlerücken haben die Beteiligten eines allem Anschein nach nicht bedacht: Die Satzung sieht nur den Vorsitzenden als Beiratsmitglied vor. Und das ist, ausweislich der Darstellung auf der Homepage, nicht Peters, sondern bis heute Esselsgroth. Eine Änderung im Organigramm des Ehrenrats ist öffentlich nicht bekannt.
Nach SZ-Informationen ist, Stand Montag, mindestens eine Satzungsbeschwerde eines HSV-Mitglieds eingegangen. Es wird somit zu prüfen sein, ob der Beirat ohne „geborenes Mitglied“ überhaupt beschlussfähig gewesen sein kann, ob Mandate für dieses Gremium einfach nach Gutdünken verteilt werden dürfen. Und unabhängig von Paragraf 19 ist die Frage, wie seit dem Wahlkampfauftakt die Kontakte ausgesehen haben zwischen Esselsgroth und dem Beirat – und auch die zwischen Esselsgroth und Peters, die ja in ihrer Funktion als Ehrenräte zwangsläufig miteinander zu tun haben müssen. Auf einen kurzen Fragenkatalog der SZ vom Sonntagabend gab es bis zum Montagnachmittag keine Antwort.
Magath selbst sagt, er sei „baff“ und „erstaunt“
Zudem berührt der Ausschluss Magaths auch noch etwas Grundlegendes: Selbst wenn Magaths Fokus (was dieser bestreitet) zu, sagen wir, 90 Prozent der Profiabteilung und nur zu zehn Prozent dem Breitensport gegolten hätte – wäre das nicht auch eine Prioritätensetzung gewesen, die Vereinsmitglieder an der Wahlurne entweder hätten befürworten oder ablehnen dürfen sollen?
Der Fall Magath jedenfalls ist in Hamburg längst ein Politikum. Fanklubs haben öffentliche Stellungnahmen veröffentlicht und per Mail Beschwerden an Beirat und Ehrenrat gesendet, Vorwurf: vereinsschädigendes Verhalten und Voreingenommenheit gegenüber Magath. Der Logistikmilliardär und HSV-Investor Klaus Michael Kühne ließ ausrichten, dass er sich „unabhängig von der Person Felix Magath (…) einen demokratischen Prozess“ bei der Präsidiumswahl gewünscht hätte: „Insoweit hoffe ich, dass man die einseitige Entscheidung gegen ihn revidieren wird.“ Felix Magath selbst saß Sonntagabend im NDR-Sportclub und erklärte, er sei ob der Entscheidung „baff“ und „erstaunt“ gewesen; überdies sei ihm vom Beirat nahegelegt worden, von der Kandidatur zurückzutreten, ehe der Ablehnungsbescheid öffentlich wird.
Eine Klärung des Sachverhalts innerhalb der Vereinsgremien wäre jedenfalls ein kompliziertes Unterfangen. Ob der Beirat akkurat vorgegangen ist, darüber befindet der Ehrenrat. Und in dem sitzen Kai Esselsgroth und Andreas Peters.