Wirtschaft

Dudenhöffer warnt vor US-Zöllen: „Trump saugt bei uns die Arbeitsplätze in der Autoindustrie ab“ | ABC-Z

Macht US-Präsident Donald Trump seine Zoll-Drohungen war, würde es die deutsche Autoindustrie besonders hart treffen. Es gebe aber weitere Gründe für eine allmähliche Deindustrialisierung Deutschlands, sagt Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer. Einen Ausweg sieht er in der Zusammenarbeit mit China.

ntv.de: US-Präsident Donald Trump hatte diese Woche Zölle von 25 Prozent unter anderem auf Autos aus der EU angekündigt. Wie hart würde es deutsche Hersteller treffen, falls er die Aufschläge tatsächlich einführt?

Ferdinand Dudenhöffer: Das ist bei jedem Hersteller unterschiedlich. Diejenigen mit großen Produktionsanlagen in Amerika haben Ausweichmechanismen. Mercedes und vor allem BMW produzieren bereits viel in den USA und exportieren auch von dort aus – überwiegend SUVs. Beide Hersteller importieren zugleich aus Deutschland auf den US-Markt, vor allem Limousinen; BMW etwa den 3er, 7er und 5er. Die Unternehmen befinden sich damit in so einer Art Zwischenposition. Zölle könnten sie nicht so hart treffen, denn üblicherweise würden ihre Exporte aus den USA angerechnet werden auf ihre Importe aus anderen Ländern, wie etwa aus Deutschland. Es muss aber abgewartet werden, ob das bei Trumps Zöllen der Fall wäre. Volkswagen produziert auch in den USA, aber wesentlich kleinere Mengen als Mercedes und Audi. VW will im US-Bundesstaat Tennessee die Produktion des Scout ausbauen. Am härtesten würden die Zölle Audi treffen, weil das Unternehmen keine Produktion in Amerika hat. Das Gleiche gilt für Porsche.

Ferdinand Dudenhöffer leitet das Bochumer CAR-Center Automotive Research. Der Volkswirt zählt zu den renommiertesten, aber auch bissigsten Marktkennern. Bis zu seiner Pensionierung lehrte er an der Universität Duisburg-Essen.

Ferdinand Dudenhöffer leitet das Bochumer CAR-Center Automotive Research. Der Volkswirt zählt zu den renommiertesten, aber auch bissigsten Marktkennern. Bis zu seiner Pensionierung lehrte er an der Universität Duisburg-Essen.

Trump sagte: „Ich will, dass deutsche Autokonzerne zu amerikanischen Autokonzernen werden. Ich will, dass sie ihre Fabriken hier bauen.“ Er möchte mit seinen Zöllen bezwecken, dass deutsche Hersteller ihre Produktion noch stärker in die USA verlagern. Wird das klappen?

Ja, die Direktinvestitionen deutscher Autohersteller in den USA werden steigen. Das hängt aber auch mit der miserablen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zusammen. Ich gehe davon aus, dass sowohl bei den Zulieferern als auch bei den Autobauern die Produktion in Amerika ausgebaut wird. Man muss abwarten, ob das nur für die Produktion von SUVs gilt oder ob auch die Limousinen dazukommen, die bislang vor allem in Deutschland hergestellt werden. Um die Zölle zu umgehen, könnten aus Deutschland auch sogenannte Completely Knockdowns, kurz CKDs, in die USA geliefert werden. CKDs sind im Grunde Autos, die in Kisten verpackt sind, und zwar in Einzelteilen. Diese Teile werden dann im Bestimmungsland zusammengeschraubt. Damit könnten Zölle, die nur für den Import fertig montierter Autos gelten, umgangen werden.

2023 haben deutsche Herstellern 908.000 Fahrzeuge in den USA produziert – so viele wie noch nie und doppelt so viele wie aus Deutschland in die USA exportiert wurden. Das lässt für Deutschland als Produktionsstandort nichts Gutes erahnen, oder?

Dieser negative Trend wird sich aufgrund der Wettbewerbsschwäche Deutschlands fortsetzen und würde durch US-Zölle weiter verstärkt. Deshalb muss man davon ausgehen, dass in Deutschland die Wertschöpfung im Automobilbereich sinken, die Produktion abgezogen wird und Jobs ins Ausland verlagert werden. Man kann sagen: Trump saugt bei uns die Arbeitsplätze in der Autoindustrie ab.

Wie viele Arbeitsplätze wären dadurch in Deutschland betroffen?

Das ist schwer zu sagen, weil noch nicht klar ist, wie die Zölle aussehen und wie die deutsche Autoindustrie reagiert. Trump hat 25 Prozent angekündigt, aber bei ihm weiß man das nie, ob das auch so kommen wird. Was man sagen kann: Heute gibt es in Deutschland 760.000 Stellen in der Automobilindustrie. Dass die Arbeitsplätze in der nächsten Zeit dramatisch zurückgehen werden, wird bereits deutlich angesichts der großen Kündigungswellen, zum Beispiel bei Bosch, ZF, Conti, aber auch bei anderen Zulieferern. Deutschland wird im Automobilbereich allmählich deindustrialisiert. Es könnte sein, dass es in Deutschland in zehn Jahren nur noch 500.000 Beschäftigte in der Automobilindustrie tätig sind. Eine zuverlässige Prognose gibt es nicht.

Hat es Trump besonders auf deutsche Autos abgesehen?

Nein, er hat es auch auf chinesische Autos abgesehen. Auf die Japaner zum Beispiel nicht, weil sie ihre Autos bereits zum überwiegenden Teil in Amerika herstellen. Die Autoindustrie ist für Trumps Provokationen besonders nützlich, weil es ein Thema ist, das jeder kennt. Würde er irgendwelche Lebensmittel nehmen, dann würde es die Leute nicht so interessieren. Ein Grund, warum Trump immer wieder über deutsche Autos spricht: Aus Deutschland werden vor allem Premiumfahrzeuge in die USA importiert. Und was wertvoll ist, wird in den USA gut verkauft.

Wie kann Deutschland jetzt gegensteuern?

Für uns bietet sich die Chance, ein besseres Verhältnis zu China aufzubauen, um von der starken Industrie und dem technischen Know-how dort zu profitieren. Außerdem ist China der größte Automarkt weltweit. Dort sind allein im letzten Jahr 27 Millionen Autos produziert worden, in den USA nur 10 Millionen. Technisch hinken deutsche Autohersteller bereits hinterher, was dazu führt, dass ihre Marktmacht in China abnimmt. Viele wichtige Technologien, ob bei der Batterieproduktion oder der Künstlichen Intelligenz, haben mittlerweile in China ihr neues Zuhause. Das Auto von morgen entsteht also dort. Die Deutschen müssen stärker mit China zusammenarbeiten, um weiter Spitzen-Technologie in ihre Autos zu integrieren.

Deutsche Autohersteller haben ihre Produktion auch deshalb weiter in die USA verlagert, um unabhängiger von China zu werden. Diese Entwicklung müsste aus Ihrer Sicht also zurückgedreht werden?

Welchen Sinn hat es, noch näher an Trump zu rücken? Er ist völlig unberechenbar. Er ist nur auf den eigenen Vorteil aus und raubt andere Länder aus. Was wollen Sie noch mit Trump anfangen?

Könnten deutsche Autohersteller in China denn nicht Probleme bekommen, falls Peking Taiwan angreift?

Die USA sind unter Trump auch imperialistisch. Trump hat den Golf von Mexiko in den Golf von Amerika umbenannt. Er will auch die Kontrolle über Grönland. Es gibt das Risiko, dass der Panamakanal amerikanisch besetzt wird. Im Gazastreifen will Trump die Bevölkerung vertreiben, um eine „Riviera des Nahen Ostens“ aufzubauen. Ich halte die Gefahr, dass China Taiwan angreift, für gering – weil China dadurch nichts gewinnen könnte.

Für deutsche Autokonzerne ist China also als Produktionsstandort sicherer als die USA?

Sicherer würde ich nicht sagen. China ist aber dynamischer und hat mehr Wachstumspotenzial als die USA. Was ist Sicherheit? Das sind verschiedene Variablen, die man zusammenpackt, um eine Risikoanalyse zu erstellen. Da spielt für Unternehmen vieles mit rein: Das Risiko für politische Unruhen, Militärstärke, Inflationsgefahr, auch die geografische Lage wegen Naturkatastrophen wie Erdbeben. Von daher glaube ich, dass die Planungssicherheit in China genauso groß ist wie in Amerika.

Mit Ferdinand Dudenhöffer sprach Lea Verstl

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