Berlin

Gastkommentar von Oliver Schwedes: Die Partei der Nein-Sager sollte mehr „Miteinander“ wagen | ABC-Z

U nsere Mobilitätspolitik setzt auf ein Miteinander und nicht auf ein Gegeneinander“, heißt es im Koalitionsvertrag von CDU und SPD. Doch seit die CDU nach der Wiederholungswahl 2023 das Verkehrsressort übernahm, schaffen die Konservativen vor allem ab, was ihnen nicht gefällt: keine autofreie Friedrichstraße, keine neuen Radwege, kein Tempo 30 auf Hauptstraßen, und, als wenn das nicht genug wäre, nun auch keine Kiezblocks. Mit dem Stopp des Kiezblocks in Mitte statuierte die Verkehrssenatsverwaltung gleich eine „grundsätzliche Entscheidung für zukünftige Projekte dieser Art im gesamten Stadtgebiet“.

Die CDU hat sich den Habitus des pathologischen Nein-Sagers zugelegt und arbeitet sich ausschließlich an der Verkehrspolitik der grün-roten Vorgängerregierung ab. Sie pflegt damit, entgegen dem lautstark propagierten Miteinander, das altbekannte Gegeneinander.

Oliver Schwedes ist freiberuflicher Mobilitätsexperte. Von 2014 bis 2023 war er Gastprofessor an der TU. Von ihm ist zuletzt erschienen „Verkehr(t). Der mobile Mensch am Limit“.

Ebenso standhaft wie im alten Märchen des Suppenkaspers – „Ich esse meine Suppe nicht! Nein, meine Suppe ess’ ich nicht!“ – weigert sich die CDU, eine konstruktive Verkehrsprogrammatik zu entwickeln. Stattdessen dient ihr die medienwirksam veröffentlichte Kampagne eines Miteinanders aller Verkehrsteilnehmenden als Feigenblatt, hinter dem sie ihre fehlende verkehrspolitische Programmatik versteckt.

Dabei bieten sich gerade die Kiezblocks für ein Miteinander an, geht es doch darum, Durchgangsverkehr aus Wohnstraßen herauszuhalten, die dafür nicht ausgelegt sind und die Lebensqualität der An­woh­ne­r:in­nen gravierend einschränken. Die An­woh­ne­r:in­nen wiederum dürfen wie andere Anlieger auch (Lieferverkehr, Rettungsfahrzeuge, Müllabfuhr) weiterhin mit ihrem Auto in das Gebiet fahren.

Feindbild Poller

Die berüchtigten Poller sollen also eine verkehrliche Fehlentwicklung korrigieren und den Durchgangsverkehr auf die ihm zugewiesenen Hauptverkehrsstraßen zurückverweisen. Wie Helmut Höge in seiner „Pollerforschung“ zeigt, übernehmen Poller die Aufgabe von Verkehrspolizist:innen: „Es sind stumme Polizisten, die ebenso wie die Beamten verkehrsordnend intervenieren (sollen).“

Leider kann sich Berlin nicht so viele Beamte leisten, wie Poller notwendig sind, denn das hätte den Vorteil, dass die Po­li­zis­t:in­nen den durchfahrenden Menschen vor Ort erklären könnten, dass ihr jahrelanges Gewohnheitsrecht niemals rechtens war und für die An­woh­ne­r:in­nen eine unzumutbare Belastung darstellt. Diese vermittelnde Aufgabe der Po­li­zis­t:in­nen können die stummen Poller nicht leisten, weshalb sie von den Betroffenen, die ihren Sinn nicht verstehen, weil es ihnen niemand erklärt, als Zumutung empfunden werden.

An dieser Stelle könnte die CDU mit ihrem Konzept des Miteinanders tätig werden, indem sie medienwirksam allen Parteien erklärt, dass für den Durchgangsverkehr immer schon die Hauptverkehrsstraßen vorgesehen waren und nicht die engen Wohnstraßen. Das lässt sich in den verkehrstechnischen Regelwerken nachlesen, die mit Blick auf den Paragrafen 1 der Straßenverkehrsordnung entworfen wurden: „Wer am Verkehr teilnimmt, hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird“.

Es wäre somit ganz im Geiste eines Miteinanders, wenn sich die Verkehrspolitik der CDU auf die Straßenverkehrsordnung und die etablierten technischen Regelwerke besinnt. Sie sollte den Menschen endlich erklären, warum es Zeit ist, sich auf das Miteinander zu besinnen.

Andernfalls geht es der CDU wie dem Suppenkasper im Märchen, der verhungert – beziehungsweise im nächsten Jahr abgewählt wird.

Back to top button