Drohende Übernehmen: Commerzbank in der Unicredit-Falle | ABC-Z
Nach dem Einstieg der Unicredit versucht die Commerzbank-Führung immer noch, die Kontrolle zurückzugewinnen. Während der Chef der italienischen Großbank einen klaren Plan verfolgen dürfte, sind die Optionen in Frankfurt begrenzt. Dort setzt man anscheinend vor allem auf ein Ziel.
Von Manfred Knof spricht in der Commerzbank schon nach wenigen Tagen keiner mehr. Interessierte, die sich nach dem Termin der Abschiedsfeier des Ende September ausgeschiedenen Vorstandschefs erkundigten, erfuhren, dass es wohl gar keine geben werde. Im Groll sind Bank und Knof deshalb nicht auseinandergegangen.
Angeblich soll der Ex-Chef den Markt bereits nach neuen Aufgaben sondieren. Angesichts seiner respektablen Bilanz dürfte sich eine angemessene, vermutlich deutlich weniger aufreibende Anschlussverwendung finden lassen.
Bei seinem alten Arbeitgeber bleibt der Druck auf das verbliebene Vorstandsteam auf vorerst unabsehbare Zeit enorm. Der Einstieg der italienischen Großbank Unicredit vor einem Monat hat das Führungspersonal der Commerzbank komplett kalt erwischt.
Seitdem bemüht sich das Team um die neu installierte Vorstandschefin Bettina Orlopp, das Geschehen unter Kontrolle zu bekommen und aktiv in die erwünschte Richtung zu steuern. Wie die fortgesetzte Selbstständigkeit gesichert werden soll, ist mittlerweile deutlich erkennbar. Letztlich bleiben die Handlungsoptionen jedoch beschränkt. Der Ball liegt ganz klar in Mailand bei Unicredit-Chef Andrea Orcel.
Bisher ist es den Commerzbank-Oberen nicht gelungen, Taktik und Motive des erfahrenen Investmentbankers zu entschlüsseln. Dass der mit den Usancen der Branche gebrochen und sich mehr oder weniger heimlich neun Prozent der Aktien der Commerzbank gesichert hat, können sich auch wichtige Insider des Frankfurter Instituts immer noch nicht erklären.
„Vermutlich wollte er einfach einen Fuß in die Tür bekommen und verhindern, dass andere ihm zuvorkommen“, sagt einer. In einem Gespräch zwischen Orlopp und Orcel vor zwei Wochen hat sich der Nebel kaum gelichtet. Der Italiener habe sich als interessierter Großaktionär präsentiert, Details eines möglichen Zusammengehens seien aber kein Thema gewesen. Seitdem hat es keine weiteren Unterredungen gegeben.
Orcel dürfte klaren Plan verfolgen
Dabei werten die Insider das Schweigen aus Mailand nicht als Indiz für Ratlosigkeit. Der von einem bereits in seiner Zeit als Investmentbankchef der Schweizer UBS erprobten Kernteam unterstützte Orcel dürfte einen klaren Plan verfolgen – und erst einmal abwarten. Wenn die Europäische Zentralbank (EZB) ihm die beantragte Genehmigung erteilt, könnte er den Anteil an der Commerzbank auf bis zu 21 Prozent aufstocken. Die entsprechenden Optionen lässt sich Unicredit einen womöglich dreistelligen Millionenbetrag kosten.
Der höhere Anteil würde den Handlungsspielraum erweitern. Denn angesichts der überschaubaren Präsenz bei Hauptversammlungen können schon knapp unter 30 Prozent der Aktien bei Abstimmungen die Mehrheit bedeuten. Vermutlich werde Unicredit dann Vertreter in den Aufsichtsrat entsenden, heißt es in Frankfurt.
Dass den Vertretern der Frankfurter Bank diese Aussichten missfallen, wird in Gesprächen offensichtlich. Zunächst heißt es in diesen zwar, dass man prinzipiell offen für einen Zusammenschluss sei. Dann folgen jedoch ausschließlich Bedenken. Die lieferte auch Orlopp Anfang der Woche reihenweise in einem Interview mit dem „Handelsblatt“.
Bei Firmenkunden etwa gebe es zwischen der deutschen Unicredit-Tochter HypoVereinsbank und der Commerzbank „große Überlappungen.“ Eine kombinierte Bank würde deshalb in großem Stil Erträge verlieren, ein Insider hält Einbußen von bis zu 2,5 Milliarden Euro für möglich. Diese müssten durch harte Sparmaßnahmen ausgeglichen werden. Langjährige Kenner der Bank halten das Thema zwar für relevant, die Zahl jedoch für deutlich übertrieben.
Orcel dürfte den möglichen Kundenschwund jedenfalls ebenso im Blick haben wie die von Orlopp genannte komplexe Integration der IT. Diese Hindernisse bestehen schließlich bei jedem Zusammenschluss und sprechen nicht von vornherein gegen eine Transaktion.
Das gilt auch für den hohen Bestand an italienischen Staatsanleihen in den Unicredit-Büchern. Den bewerten die zuständigen EZB-Aufseher seit Jahren als vollkommen unproblematisch. Auch eine von Commerzbank-Vertretern befürchtete Herabstufung der eigenen Kreditwürdigkeit hätte wohl überschaubare Folgen. Schließlich arbeitet Unicredit mit einer mäßigeren Bonitätsnote viel profitabler als die deutsche Bank.
Die wichtigste Aufgabe der Commerzbank-Führung scheint deshalb die Wertsteigerung. Mit überzeugenden Ergebnissen und ehrgeizigen Ankündigungen könnte es gelingen, den Aktienkurs derart in die Höhe zu treiben, dass sich Orcel die Übernahme nicht mehr leisten kann. Wie ein Insider berichtet, hat man dafür intern eine konkrete Schwelle ausgerechnet.
In den kommenden Wochen dürfte Orlopp weitere Pläne vorstellen. „Sie wird nicht die erste Vorstandsvorsitzende sein, die eigenen Akzente setzen will“, heißt es im Konzern. Seit dem Einstieg der Italiener hat der Commerzbank-Kurs um fast 30 Prozent zugelegt. Mit 20 Milliarden Euro ist sie heute so viel Wert wie vor dem Höhepunkt der Finanzkrise.
Auf Hilfsmaßnahmen der Politik will man in der Bank nicht setzen. Es gilt als ausreichend, dass der Bund die verbliebene Beteiligung in Höhe von zwölf Prozent vorerst nicht auch noch verkaufen will. Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) sieht sich dennoch in der Pflicht. Im Landtag lobte er die Commerzbank als „Flaggschiff“, dem neuer Auftrieb verliehen werden müsse „anstatt es zu versenken“.
Als Lehre aus dem Fall will die Landesregierung nun ein „Finanzplatzkabinett“ einrichten. Das soll gemeinsam mit Branchenvertretern eine Strategie entwickeln, „um Frankfurt zu stärken“. Orcel dürfte die Initiative interessiert zur Kenntnis genommen haben. Er kann warten.
Jan Dams ist Ressortleiter Wirtschaft und Finanzen von WELT und WELT am Sonntag.
Cornelius Welp ist Wirtschaftskorrespondent in Frankfurt. Von dort aus berichtet er über Banken, Versicherungen und Finanzinvestoren und Unternehmen.