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Drogenflut aus dem Norden?: Trump verbreitet Fentanyl-Märchen über Kanada | ABC-Z

Aus Mexiko und Kanada gelangen tödliche Drogen in riesigen Mengen in die Vereinigten Staaten. So behauptet es zumindest US-Präsident Trump. Die Zahlen seiner eigenen Behörden widersprechen dem aber fundamental.

Donald Trump pöbelt ohne Unterlass in Richtung der Nachbarn im Norden und Süden. Drogen und Migranten würden sowohl aus Mexiko als auch Kanada unentwegt ins Land strömen. Seine Lösung: mehr Grenztruppen, markige Worte auf Social Media und das Allheilmittel: Zölle. Dabei ist die Gleichsetzung der beiden Nachbarländer absurd.

Aus dem von Justin Trudeau regierten „Great White North“ gelangen 2024 nur geringe Mengen an Fentanyl – auf welches der US-Präsident besonders abhebt – über die fast 9000 Kilometer lange Grenze. Gerade einmal rund 43 amerikanische Pfund (rund 19,5 Kilo) werden dort im vergangenen Jahr beschlagnahmt – von insgesamt 21.889 Pfund (rund 9930 Kilo), wie aus Daten der US-Behörden hervorgeht.

Damit machte über Kanada eingeführtes Fentanyl gerade einmal 0,2 Prozent der beschlagnahmten Menge der tödlichen Droge aus. Dagegen werden im Süden 21.148 Pfund (rund 9592 Kilo) und somit über 97 Prozent an der Grenze entdeckt.

Weißes Haus liefert keine Begründung

Kritische Rückfragen zu den verhängten – und nun teils bereits wieder ausgesetzten – Zöllen und deren Begründung mit der Drogenflut sind im Weißen Haus offensichtlich nicht erwünscht. Reporterfragen werden abgebügelt.

Es habe einen Zuwachs von über 2000 Prozent bei den Fentanyl-Beschlagnahmungen an der Nordgrenze gegeben, erklärt Trump-Sprecherin Karoline Leavitt in einer Pressekonferenz am Mittwoch. Ein Reporter hakt nach: Es handle sich bei der Gesamtmenge von 43 Pfund doch nur um weniger als das, was in einen Handgepäckkoffer passe. „Ist das viel Fentanyl im Vergleich zu Mexiko? Die große Mehrheit kommt aus Mexiko. Was muss Kanada denn noch machen?“, fragt der Journalist.

Eine Antwort auf die Frage? Gibt es nicht. „Sie fragen mich, was die Begründung des Präsidenten für die Zölle ist? Das ist nicht Ihre Entscheidung, Sie sind nicht der Präsident“, weist Leavitt ihn zurecht. „Ehrlich gesagt, ist es ein wenig respektlos gegenüber den Familien in diesem Land, die geliebte Menschen durch das tödliche Gift verloren haben.“

Kanada sichert Grenze gegen Migranten und Drogen

Trump instrumentalisiert die Zehntausenden Fentanyl-Toten pro Jahr, um gegen den nördlichen Nachbarn Stimmung zu machen. „Ich habe dem kanadischen Gouverneur Justin Trudeau gesagt, dass er die Probleme, die wir mit ihm haben, größtenteils durch seine schwache Grenzpolitik verursacht hat, die es ermöglicht hat, dass enorme Mengen von Fentanyl und illegalen Ausländern in die Vereinigten Staaten gelangen“, schreibt Trump am Mittwoch auf Truth Social. „Diese Politik ist für den Tod vieler Menschen verantwortlich.“ Bei öffentlichen Auftritten umgibt er sich auch mit Angehörigen von an Überdosen gestorbenen Personen.

Allerdings sieht selbst die US-Strafverfolgungsbehörde für Drogendelikte DEA Kanada als kein Problemland hinsichtlich Drogenschmuggels. In deren Gefahrenanalyse für das vergangene Jahr taucht auf 57 Seiten das von Trudeau regierte Land kein einziges Mal auf.

Ähnlich agiert Trump auch bei den angeblichen Massen an Einwanderern, die über die Grenze strömen sollen. Die Zahl der illegalen Grenzübertritte ist an der Gesamtzahl gemessen gering. US-Behörden zufolge wurden im Norden im vergangenen Jahr 24.000 Menschen registriert, die unerlaubt in die USA einreisten. Ein Bruchteil dessen, was an der Südgrenze vor sich geht. Dort wurden im selben Zeitraum 1,5 Millionen entsprechende Vergehen dokumentiert.

Fentanyl-Tote in den USA nehmen ab

Trump sind die Zahlen offensichtlich egal. Er wiederholt seine Vorwürfe unentwegt. Obwohl Kanada mit Hunderten Millionen Euro die Grenzsicherung ausbaut, diese mit zusätzlichen Blackhawk-Hubschraubern und Dutzenden Drohnen mit Wärmebildkameras überwacht. Um dem Drogenschmuggel zu begegnen, werden zusätzliche Scanner für die verbotenen Stoffe und mehr Spürhunde angeschafft.

Gleichzeitig sinken auch die Zahlen der Todesopfer von Fentanyl in den USA. Während Trump in einer Kabinettssitzung von 300.000 Toten pro Jahr spricht, weist die Gesundheitsbehörde CDC zwischen September 2023 und September 2024 55.000 an Fentanyl gestorbene Menschen aus. Ein Rückgang von 30 Prozent im Vergleich zu den Vorjahren.

Experten zufolge sind dafür aber nicht zunehmende Grenzkontrollen verantwortlich. Maßnahmen unter anderem im Bereich der öffentlichen Gesundheit wie die Bereitstellung von medizinischen Präparaten bei Überdosen senken laut „New York Times“ die Todeszahlen. Mit US-Bundesmitteln konnten sich Kommunen Vorräte anlegen. Bereitgestellt wurden diese nicht von Trump, sondern von Joe Biden.

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