Drei Os: Zipse, Blume, Källenius: Die Autobosse müssen jetzt die Industrie retten | ABC-Z
Drei Os: Zipse, Blume, Källenius
Die Autobosse müssen jetzt die Industrie retten
29.10.2024, 10:29 Uhr
Nicht nur bei VW brennt es lichterloh. Deutschlands gesamte Schlüsselindustrie wankt. Mitten im Crash richten sich die sorgenvollen Blicke auf die Konzernlenker von BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen. Einer von ihnen hat viel richtig gemacht.
In der Autoindustrie kracht es: Das wichtige China-Geschäft bricht ein, der E-Auto-Absatz sackt ab, neue Konkurrenten wie Tesla, BYD, Geely oder Chery attackieren die deutschen Hersteller. Gleichzeitig steckt die Konjunktur in der Dauerrezession und der deutsche Industriestandort ist international kaum mehr wettbewerbsfähig. Und die irrlichternde Ampel-Regierung und eine überregulierende EU verschlimmern alles noch. Eine Hiobsbotschaft folgt auf die nächste: Im dritten Quartal verzeichnete Mercedes einen beängstigenden Gewinneinbruch von 54 Prozent, BMW meldet einen bösen Absatzeinbruch von 13 Prozent, Audi gar 16 Prozent und Volkswagen kündigt nun Werksschließungen und Personalabbau an.
Auch die Auto-Zulieferer geraten reihenweise in Schwierigkeiten, überall werden Produktionen zurückgefahren oder stillgelegt, Zehntausende von Arbeitsplätzen werden gestrichen. Alleine ZF Friedrichshafen muss bis zu 14.000 Arbeitsplätze abbauen. Beim weltgrößten Autozulieferer Bosch stehen 7000 Stellen auf der Kippe, von Conti bis Brose, von Schaeffler bis Mahle – überall rappelt es. Die Industrieproduktion von Personenkraftwagen lag 2014 bis 2017 bei mehr als 5,6 Millionen Fahrzeugen im Jahr. Jetzt kommt Deutschland mit Mühe noch auf 4 Millionen. In wenigen Jahren hat Deutschland also ein Produktionsvolumen von gut 1,6 Millionen Autos verloren.
Die bangen Blicke richten sich mehr denn je auf die Lenker der drei großen Konzerne: Oliver Blume von Volkswagen (mit Porsche und Audi), Oliver Zipse von BMW und Ola Källenius von Mercedes-Benz. Drei Autobosse, die nicht nur mit ähnlichen Vornamen daherkommen. Alle drei sind pragmatische Macher, alle gelernte Maschinenbauer, alle sind verblüffend firmentreu (Blume seit 1994 bei VW, Zipse seit 1991 bei BMW, Källenius seit 1993 bei Mercedes) und alle waren zudem länger im Ausland.
Oliver Zipse hat in den USA studiert und war Werksleiter im britischen Mini-Werk in Oxford. Källenius absolvierte sein Studium in der Schweiz und arbeitete später als bei Mercedes-Benz in den USA (Alabama) und Großbritannien. Blume verschlug es nach China. In Shanghai schloss er seine Promotion ab. Fünf Jahre war er zudem in Spanien Planungschef bei Seat.
VW ist verletzlicher als Luxusmarken
“Die drei Os” haben also verblüffend viel gemein – vor allem die derzeitigen Branchenprobleme. Einem von ihnen geht dabei jedoch noch relativ gut. Am schlimmsten leidet der VW-Chef. Für Volkswagen ist das China-Geschäft besonders wichtig, 40 Jahre lang war VW sogar Marktführer in China. Jetzt liegt der chinesische Hersteller BYD vorn. Der Einbruch des China-Geschäfts trifft Volkswagen daher besonders hart, weil der Konzern Marktvolumen verliert und die neue Konkurrenz genau im VW-Segment angreift.
Anders als BMW oder Mercedes, die Upmarket viel bessere Margen verteidigen können und darum profitabler sind, ist Volkswagen im Massengeschäft bei Preisattacken der Konkurrenz verletzlicher als Luxusmarken. Dazu hat Oliver Blume ein zweites Sonderproblem, das die beiden anderen mächtigen Konzernlenker in Stuttgart und München nicht haben. Volkswagen ist ein hochpolitisierter Konzern. Der Staat (in Form des Landes Niedersachsen) ist Großaktionär, die Gewerkschaften sind mächtig, und alle mischen sich ein. Nicht immer zum Vorteil des Unternehmens.
Neben Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) zog Julia Willie Hamburg, eine wirtschaftsferne, grüne Kultusministerin ohne Ausbildung in das Gremium ein, mit der Ansage, VW noch schneller zum reinen E-Autoanbieter machen zu wollen. Es rächt sich jetzt, dass Rot-Grün im Aufsichtsrat wie in der Bundespolitik einseitig auf die E-Mobilität gesetzt und sich aus ideologischen Gründen – wohl auch, um den Diesel-Skandal vergessen zu lassen – zu sehr gegen Verbrenner positioniert hat.
“Überraschungssieger” Zipse – der “Realo” in der Branche
Einer, der dieses Problem nicht hat, ist Oliver Zipse. Er hat BMW konsequent technologieoffen aufgestellt. Das zahlt sich nun aus. Die Bayern sind im Dreigestirn der Konzerne noch am besten unterwegs. Die Münchner haben allen schwierigen Rahmenbedingungen zum Trotz 2023 ein kleines Autowunder hingezaubert und weltweit 2.555.341 Einheiten verkauft – mehr Premium-Automobile als jemals zuvor. Mit dem Rekord-Absatz ist BMW erstmals wieder über Vor-Covid-Niveau – und das als einziger deutscher Konzern. Die Forschungs- und Entwicklungskosten von BMW stiegen um 14 Prozent auf 7,5 Milliarden Euro und erreichten damit einen neuen Höchststand.
Das Innovationsgeld setzt Zipse aber nicht einseitig auf E-Mobilität. Er plädiert vielmehr deutlicher als Branchenkollegen für alternative Antriebe und konzentriert sich auf die Ingenieursqualitäten im Autobau. Zipse entwickelt die Verbrennertechnologie weiter und setzt auf völlig neue Ansätze. So soll 2028 die Serienproduktion eines Wasserstoffautos mit Brennstoffzelle starten. Zipse wurde anfangs für diese Strategie kritisiert, heute gilt er als “Realo” in der Branche, während die Wolfsburger Fundis mit der übertriebenen Elektromobilität-Fixierung an die Wand zu fahren drohen.
Dabei hat BMW im E-Markt durchaus eine starke Position. Die dortigen Investitionen stiegen im vergangenen Jahr um 8,5 Prozent auf 8,8 Milliarden Euro. Bei der BMW-Kernmarke wurden 330.596 Elektro-Einheiten verkauft, was einem Plus von 92,2 Prozent entspricht. Die ungewöhnlichen E-Auto-Erfolge werden global genau registriert. Die “New York Times” urteilt: “BMW ist einer der wenigen etablierten Automobilhersteller, der erfolgreich mit Tesla konkurrieren konnte.” Und weiter: “BMW ist Überraschungssieger bei Elektrofahrzeugen”.
Zipse könnte sich also als E-Mobilitätsmeister inszenieren, macht aber als Realo genau das Gegenteil. Er ist derjenige, der die Ambivalenzen und Probleme der klimafreundlichen Verkehrswende offen anspricht. So ruft er die neu gewählte EU-Kommission auf, das europäische Verbrennerverbot zu hinterfragen. Die internationalen Gesprächspartner von BMW würden den Kopf schütteln über den Kurs der EU-Kommission, mahnt Zipse: “Sie fragen: Warum verbietet die EU eine Technologie, bei der Europa den größten Wettbewerbsvorteil hat und die durch CO₂-arme Kraftstoffe noch so viel Potenzial bietet? Und gleichzeitig sollt ihr alles ausgerechnet auf die Technologie setzen, die Europa in eine gewaltige Rohstoff-Abhängigkeit führt?”
Der BMW-Chef warnt: “Was nicht passieren darf: Die EU-Kommission liefert eine Scheinlösung, in der das Verbot von Verbrennungsmotoren ab 2035 allein durch eFuels gelockert wird. Und dann zieht sie sich aus der Verantwortung und tut nichts, um den Hochlauf CO₂-armer Kraftstoffe zu beschleunigen.” Seit Fazit: “Das Verbot der Verbrennungsmotoren war aus unserer Sicht naiv und muss angepasst werden.