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Drei Jahre Krieg in der Ukraine: Rumänien ist im hybriden Fadenkreuz Russlands | ABC-Z


Drei Jahre Krieg in der Ukraine

Rumänien ist im hybriden Fadenkreuz Russlands

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Die rumänische Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr brachte zwar nicht den von Moskau mutmaßlich gewünschten Wahlsieger hervor. Aber das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler in den Wahlprozess ist erschüttert.

„Welchen Weg sollte Rumänien Ihrer Meinung nach hinsichtlich politischer und militärischer Allianzen einschlagen? West (EU, USA, Nato) oder Ost (Russland, China)?“ Konfrontiert mit dieser Frage, sprachen sich kürzlich 87,5 Prozent der befragten Rumäninnen und Rumänen für den Westen und nur 4,1 Prozent für den Osten aus. Ein klares Votum, das sich in Zeitungsartikeln, Fernsehinterviews und den Social-Media-Kommentarspalten spiegelt.

Auch die rumänische Politik bildet diese klare Haltung ab: Rumänien stellte sich sofort nach der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 an die Seite seines angegriffenen Nachbarlands. Flüchtlinge aus der Ukraine wurden an allen Grenzübergängen von der rumänischen Zivilgesellschaft in Empfang genommen und großzügig humanitär unterstützt.

Rumänien stellt wichtige Komponenten des Abschreckungs- und Verteidigungsdispositivs der Nato im östlichen Teil des Bündnisgebiets. In den letzten Jahren wurde die Präsenz der Nato durch die Aufstellung multinationaler Gefechtsverbände in Rumänien verstärkt. Nahe der Stadt Constanţa am Schwarzen Meer wird derzeit ein Militärflughafen zum größten Nato-Luftwaffenstützpunkt in Europa ausgebaut. Im südlichen Deveselu ist eine Nato-Raketenabwehrbasis eingerichtet.

Zu eigenen Waffenlieferungen an die Ukraine äußert sich die rumänische Regierung grundsätzlich nicht. Die öffentlichkeitswirksame Übergabe eines Patriot-Systems im September 2024 war die einzige Ausnahme von dieser Regel. Debatten über die Lieferung von Helmen oder das permanente Revidieren roter Linien erspart sich das Land. Dennoch ist klar, dass ein substanzieller Teil der Waffenlieferungen in die Ukraine auch über Rumänien abgewickelt wird.

Rumänien will auf keinen Fall Russland als direkten Nachbarn haben

Die Beziehungen zwischen Rumänien und Russland waren über Jahrhunderte hinweg von Höhen und Tiefen gekennzeichnet. Im kollektiven Gedächtnis Rumäniens wirken insbesondere die Annexion Bessarabiens durch die Sowjetunion 1940, die massiven Verbrechen sowjetischer Soldaten an der rumänischen Zivilbevölkerung zum Ende des Zweiten Weltkrieges und die folgende kommunistische Unterdrückung bis heute nach. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat rumänische Ur-Ängste reaktiviert.

Um es kurz zu fassen: Rumänien möchte auf keinen Fall Russland als direktes Nachbarland haben. Auch deshalb unterstützt Rumänien die Ukraine nicht nur im Rahmen von militärischer und humanitärer Hilfe, sondern auch im Hinblick auf die EU-Integration. Das wichtigste außenpolitische Ziel Rumäniens ist zwar die EU-Integration der Republik Moldau und deren Stabilisierung im Westbündnis. Aber auch hierfür ist eine stabile, westintegrierte Ukraine ein wichtiger Baustein.

Warum also führt mit Călin Georgescu ein prorussischer Ultranationalist die Präsidentenwahl Ende 2024 an, bevor diese wegen Unregelmäßigkeiten annulliert wurde? Warum erfreut sich eine offen prorussische Skandalpolitikerin wie die Europaabgeordnete Diana Şoşoacă einer durchaus beträchtlichen Beliebtheit in Rumänien? Die Antwort ist: Nicht weil sie prorussisch sind, sondern obwohl sie prorussisch sind. Im Falle von Georgescu wurden seine prorussischen Einstellungen im Wahlkampf sorgfältig verborgen. In den kuratierten und ausgeleuchteten Tiktok-Videos, mit denen er die Rumäninnen und Rumänen zig-millionenfach erreichte, spricht er sich mit ruhigem und gemessenem Ton für Frieden aus. Erst Wochen später lässt er in einem Interview fallen, dass die Ukraine für ihn gar kein Land sei, und er beansprucht ukrainische Territorien für Rumänien. Diana Şoşoacă wiederum wird von vielen ihrer Anhänger gar nicht als Politikerin wahrgenommen, sondern eher als Pop-Komödiantin mit unschlagbarem Unterhaltungswert. Fast 70 Prozent der Rumäninnen und Rumänen können sich grundsätzlich vorstellen, einen nationalistischen Kandidaten zu wählen. Sollte ein solcher Kandidat jedoch eine Annäherung Rumäniens an Russland vertreten, würden über 80 Prozent dieser Wähler nicht mehr für einen solchen Kandidaten stimmen.

Wahlkampfbudget: null Euro

Generell kann festgestellt werden, dass die Bevölkerung in Rumänien Angst vor russischer Aggression hat. Angst davor, in den Krieg in der Ukraine hineingezogen zu werden. Aber auch Angst vor den Auswirkungen des Krieges, wie beispielsweise einer Reaktorkatastrophe in einem der ukrainischen Kernkraftwerke. Mit dieser Angst arbeitet Moskau und füttert entsprechende Narrative im Rahmen seiner hybriden Kriegsführung in rumänische Diskurse ein. Insbesondere im Bereich der sozialen Medien. Wie in vielen anderen europäischen Gesellschaften sind auch in Rumänien die Polarisierung und Spaltung der Gesellschaft sowie die Diskreditierung der europäischen Integration ein Hauptziel der russischen hybriden Kriegsführung.

Zurück zum Debakel der rumänischen Präsidentenwahl Ende 2024: Nachdem der ultranationalistische Călin Georgescu seine Kandidatur im Oktober eingereicht und ein Wahlkampfbudget von null Euro angegeben hatte, führte er fast ausschließlich online Wahlkampf – hauptsächlich auf Tiktok, aber auch auf den Plattformen des Meta-Konzerns. Vor der Wahl war Georgescu der breiten Öffentlichkeit wenig bekannt. Vier Wochen vor der Wahl konnte er in Umfragen weniger als 1 Prozent der Stimmenabsichten auf sich ziehen. Drei Tage vor der Wahl wurde er mit 10,6 Prozent gemessen. Am 24. November 2024 erhielt Georgescu dann 23 Prozent der Stimmen. Selbst massive politische Fehlleistungen der politischen Konkurrenz und Mängel im Bereich der Medienkompetenz in der breiten Bevölkerung können so ein exponentielles Wachstum nicht erklären.

Die rumänischen Behörden machten nach der Wahl Geheimdienstberichte öffentlich, die von Manipulationen auf den Plattformen von Tiktok und Meta sowie dem verdeckten Einsatz von Influencern zu Propagandazwecken berichteten und die Beteiligung eines ausländischen staatlichen Akteurs nahelegen. Diese Informationsmanipulationen wurden auch von einer großen Anzahl von Cyberangriffen auf mit den Wahlen verbundenen IT-Systeme begleitet. Nur staatliche Akteure verfügen über einen so umfangreichen Apparat. Nur Russland hat das Interesse, Rumänien in dieser Form zu destabilisieren.

Das rumänische Verfassungsgericht annullierte die Wahlergebnisse der ersten Runde der Präsidentenwahlen am 6. Dezember 2024. Das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler in den Wahlprozess wiederherzustellen, ist mühsam. Zumal Rumäniens Demokratie ohnehin oftmals eher an ein potemkinsches Dorf als an ein starkes Bollwerk erinnert. Der politische Schaden ist immens. Will sich Rumänien in Zukunft effizient gegen russische Einflussnahme wehren, muss zunächst das politische System demokratische Resilienz aufbauen. Es sollte dabei nicht zögern. Moskau wird nicht untätig bleiben.

Die Autorin: Katja Christina Plate leitet das Länderbüro Rumänien der Konrad-Adenauer-Stiftung in Bukarest.

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