Dortmund in der Champions League: Achtung, Spitzenteam, bitte nicht stören – Sport | ABC-Z

Der letzte Gegentreffer in der Nachspielzeit hatte für den Ausgang der Begegnung keine Bedeutung mehr. Trotzdem haderte Sebastian Kehl, Sportdirektor von Borussia Dortmund, nach dem deutlichen 1:4 bei Manchester City in der Champions League mit keinem Tor mehr als mit dem zum Endstand. „Das hat mich extrem geärgert“, sagte Kehl mit erhobener Stimme vor dem Stadionausgang. Denn am Ende der acht Spieltage könnte aus seiner Sicht in der Tabelle das Torverhältnis entscheiden, ob der BVB zu den acht besten Vereinen zählt, die sich direkt für das Achtelfinale qualifizieren. Derzeit steht Dortmund mit sieben Punkten nur auf Rang 14 – und mit einem bescheidenen Torverhältnis noch dazu, nachdem die Mannschaft von Niko Kovac bereits elf Gegentore an vier Spieltagen vorzuweisen hat. Bloß drei Vereine haben in der Mammuttabelle mit 36 Mannschaften mehr kassiert: die weit hinten klassifizierten Ajax Amsterdam, FC Kopenhagen und Royale Union Saint-Gilloise.
Dabei wäre der Treffer von Manchester Citys Rayan Cherki für die Borussia auf zwei Wegen zu verhindern gewesen. Einmal sportlich auf dem Rasen, als die Dortmunder Spieler den Franzosen nahezu ungehindert mit dem Ball von der linken Außenseite in den Strafraum ziehen und frei abschließen ließen. Aber auch jenseits des Feldes, weil der Verein wiederholt kurz davorstand, Cherki selbst zu verpflichten. Vor einem Jahr waren sich die Dortmunder mit dem seinerzeit finanziell angeschlagenen Klub Olympique Lyon und dem Spieler im Prinzip einig. Die Ablösesumme sollte ungefähr 20 Millionen Euro betragen, Cherki markierte damals sogar eine entsprechende Meldung der französischen Sportzeitung L’Équipe positiv auf Instagram.
Doch der Deal scheiterte überraschend „an Uneinigkeiten“ im Dortmunder Management, wie Lyons Generalmanager Michael Gerlinger kürzlich bei Sky verriet. Verschiedene Medienberichte zeichnen nach, wie der damalige Dortmunder Kaderplaner Sven Mislintat den Wechsel maßgeblich vorangetrieben haben soll, aber die Zweifel seiner Mitstreiter offenbar nicht ausräumen konnte. Ein halbes Jahr später bot sich dem Klub aus dem Ruhrpott erneut die Chance, den zunehmend begehrten Offensivspieler zu einem nur unwesentlich höheren Preis zu verpflichten. Diesmal zögerten die Verantwortlichen wohl zu lange, sodass Lyon keinen Ersatz mehr gefunden habe und absagte, wie Gerlinger rückblickend erklärte. Wieder sollen unterschiedliche Auffassungen innerhalb der Dortmunder Führung der Grund gewesen sein. Kurz darauf trennten sich Borussia Dortmund und Mislintat im Einvernehmen – und Cherki, inzwischen 22, wechselte im Sommer für 40 Millionen Euro zu Manchester City.
Die Episode um Cherki ist nur ein Beispiel für die Handlungen des BVB auf dem Transfermarkt in den vergangenen Jahren, aber sie passt zu einer durchaus geläufigen Bestandsaufnahme: Das Dortmunder Management wirkte manchmal zögerlich. Und damit wiederum passte die Cherki-Episode zum Fußball der Mannschaft an diesem Abend in Manchester.
Durch Treffer vom Doppeltorschützen Phil Foden (22. Minute/57.) und dem früheren BVB-Stürmer Erling Haaland (29.) hatte City früh die Grundlage für den Erfolg gelegt. Die Dortmunder erinnerten in ihrer mutlosen Spielweise an den jüngsten Auftritt beim FC Bayern. In der ersten Halbzeit brachten sie keinen einzigen Schuss auf das gegnerische Tor zustande. Erst als die Gastgeber im Hinblick auf das Premier-League-Spitzenspiel gegen Liverpool am Sonntag sichtbar ihre Kräfte schonten, kam Dortmund zu Torchancen und zum Ehrentreffer von Waldemar Anton nach einem Freistoß (72.).
Kovacs Stil bringt in der Bundesliga Ergebnisse, international sind Überraschungen kaum möglich
Die Analyse des Auftritts fiel später ähnlich blass aus. Kehl räumte zwar immerhin ein, er habe sich „mehr ausgerechnet“ und sich „eine bessere Leistung“ gewünscht. Abwehrspieler Nico Schlotterbeck merkte an, dass man „teilweise zu statisch“ spiele, „gegen Topteams wird jeder Fehler bestraft, da müssen wir noch eine Schippe drauflegen“.
Bei Kehl überwog allerdings die Einschätzung, der Blick müsse „relativ schnell nach vorne“ gehen – die Qualität des Gegners sei schließlich „sehr, sehr hoch“ gewesen. Immer wieder verwiesen er oder Kovac im Fazit auf die angebliche Übermacht von Pep Guardiolas Mannschaft. Dabei hat der englische Serienmeister nach der für seine Verhältnisse enttäuschenden Vorsaison und einem damit verbundenen Kaderumbruch in dieser Spielzeit in der Premier League bereits gegen Tottenham, Brighton und Aston Villa verloren. Also gegen Klubs, mit denen sich der BVB mindestens auf Augenhöhe wähnen dürfte.
Noch immer wartet Dortmund in dieser Saison auf den ersten Sieg gegen einen Spitzengegner. „Wir sind noch nicht so weit“, bilanzierte Kovac. Das will man ihm und seinen Spielern zugestehen – schließlich übernahm er den BVB erst im Februar in schwieriger Lage und stabilisierte die Mannschaft seither beachtlich. Allerdings ist von spielerischer Entwicklung eher wenig zu sehen. Kovacs Konzept setzt vor allem auf Robustheit, Stabilität, Pragmatismus. Das bringt in der Bundesliga knappe, solide Ergebnisse ein, lässt international jedoch bisher kaum Raum für positive Überraschungen.
Immerhin: Die eigenen Fans werden den hohen Ansprüchen definitiv gerecht. Sie unterstützten ihre Mannschaft auch in Manchester lautstark – und beklatschten sie nach Abpfiff.





















