Dorfen: Starke Argumente für ein Tempolimit auf Autobahnen – Erding | ABC-Z
Ein Tempolimit auf der A94 im Bereich der Stadt Dorfen und der Gemeinde Lengdorf lässt sich nicht mit dem Hinweis auf eine erhöhte Zahl von Unfällen begründen. Das Unfallgeschehen auf der Isentalautobahn ist laut der Statistik der Polizei nicht auffällig anders als auf anderen Autobahnen. Die Stadt Dorfen wird deshalb wohl keinen Antrag auf eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf der A94 im Abschnitt Dorfen stellen. „Wir würden uns blamieren“, brachte es Stadtrat Hans Baumgartner (CSU) auf den Punkt.
Allerdings keimte bei der neuerlichen Diskussion im Stadtrat eine andere Idee: Die Stadt Dorfen könnte sich an die Spitze einer Initiative stellen und gemeinsam mit weiteren Autobahn-Kommunen Überzeugungsarbeit für ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen leisten. Denn eines belegen die statistischen Unfalldaten der Isentalautobahn überzeugend und deutlich: Ein Tempolimit verringert die Zahl von Unfällen signifikant und ganz erheblich.
Diese Erkenntnis mag sich banal anhören, sie ist es aber nicht. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte wenige Monate nach der Eröffnung der Isentalautobahn zur Besänftigung der empörten und vom plötzlichen Lärm gepeinigten Anwohner auf dem 32 Kilometer langen Neubaustück der A94 eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 120 anordnen lassen. Dieses politisch aus dem Ärmel geschüttelte Tempolimit war nicht von langer Dauer. Das Verwaltungsgericht München kassierte es nach acht Monaten ein, weil es nicht ordentlich mit empirischen Daten, statistischen Erhebungen und sauberen Rechnungen begründet worden war.
Das Tempolimit im Jahr 2020 hat einen eindeutigen Einfluss auf das Unfallgeschehen gehabt
Dem eigenen Empfinden der Autobahnanwohner nach sorgte das Tempolimit zwar sofort und erkennbar für weniger Verkehrslärm. Doch persönliche Wahrnehmung interessiert auf behördlicher Ebene niemanden und zählt vor Gericht nichts. Lärmmessungen nach der Aufhebung des Tempolimits ergaben zudem, dass der Verkehrslärm der A94 im Rahmen des gesetzlich Zulässigen lag. Das Södersche Tempolimit schien ein totaler Flop zu sein. In der Auswertung der Unfallzahlen entfaltete es aber argumentative Wirkung für ein allgemeines Tempolimit.
Die Anzahl sowie die Art und Weise der Unfälle auf den A94-Abschnitten zwischen Heldenstein und Pastetten sind zwar offenbar ganz normal. „Insgesamt kann man sagen, dass das Verkehrsunfallgeschehen im Vergleich zu anderen Autobahnen im Bereich unseres Präsidiums hier eindeutig geringer ist“, war das Fazit des Pressesprechers des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord. Der Leiter der Verkehrspolizeiinspektion (VPI) Hohenbrunn, die auf der A94 im westlichen Abschnitt bis Dorfen zuständig ist, sagte, es gebe „keinerlei Auffälligkeiten“. Auch bei Robert Gierden, dem Leiter der VPI Mühldorf, die die A94 östlich von Dorfen betreut, hört sich das ganz genauso an: „Keine Unregelmäßigkeiten und Auffälligkeiten.“
Doch eines bestätigt Gierden ausdrücklich: Das Tempolimit im Jahr 2020, „das hat schon einen Einfluss auf das Unfallgeschehen gehabt“.
Das ist kein persönliches Empfinden, sondern durch die Zahlen der polizeilichen Unfallstatistik belegt. Als 2020 die Geschwindigkeitsbegrenzung galt, wurden von der Polizei 74 Unfälle zwischen Pastetten und Heldenstein registriert, 18 Mal war die Ursache zu hohes Tempo. In den drei folgenden Jahren gab es jeweils etwa doppelt so viele Unfälle und die Zahl der Unfälle wegen zu hohen Tempos nahm sogar um 150 Prozent zu.
Dorfen kann zum Vorreiter werden und die Diskussion in Deutschland befördern
Bürgermeister Heinz Grundner (CSU) gab im Stadtrat zwar zu bedenken, dass die Verkehrszahlen von 2020 wegen der Corona-Pandemie womöglich nicht so gut für einen Vergleich taugten. 2020 und 2021 war auf den bayerischen Autobahnen weniger los. In diesen beiden Jahren war das Verkehrsaufkommen laut den offiziellen Erhebungen aber etwa gleich, die Unfallzahlen auf der Isentalautobahn verdoppelten sich jedoch. Außerdem war 2020 der Autobahnverkehr nur 20 Prozent geringer als in den darauffolgenden Jahren. Die Zahl der Unfälle auf der Isentalautobahn war während des Tempolimits jedoch nur halb so groß. Auch das macht das Södersche Tempolimit auf der A94 nachträglich zu einem wertvollen Modellversuch mit großer Aussagekraft.
Im Dorfener Stadtrat zögerten einige, eine allgemeine Tempolimit-Initiative zu ergreifen. Sven Krage (FW) sagte, das sei eine bundespolitische Angelegenheit. Hans Baumgartner (CSU) erklärte, die Kommunalpolitik sei „nicht zuständig“. Martin Heilmeier (Landlisten) erwiderte hingegen, „es kann doch nicht sein, dass uns die Autobahn egal ist, die geht doch durch unser Gebiet“. Und nun habe man sogar klare statistische Belege für die Wirksamkeit eines Tempolimits. Michaela Meister ist der Meinung, der Stadtrat sollte die „Diskussion über Tempo 120 befördern“, weil das aus vielen Gründen gut und richtig sei. Ursula Frank-Mayer (GAL) sagte, „dann machen wir halt eine Resolution“. Andreas Hartl (GAL) erinnerte daran, dass sich Dorfen an einer Initiative für Tempo 30 im innerstädtischen Bereich beteiligt habe, die von vielen Kommunen unterstützt wird. „Wir vertun uns nichts, wenn wir sagen, jetzt geben wir mal den Startschuss.“ Und Walter Zwirglmaier (FW) fragte ganz einfach, „warum sollten wir als Kommune mit 15 000 Einwohnern so etwas nicht fordern?“