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Meta, OpenAI, Google: Die große Angst vor der KI-Blase | ABC-Z

Geht es nach Mark Zuckerberg, dann entsteht im ländlichen Louisiana gerade die Zukunft des Facebook-Konzerns Meta . Dort soll bald unter dem Namen „Hyperion“ ein Rechenzentrum gigantischen Ausmaßes stehen, das für Künstliche Intelligenz (KI) perspektivisch eine Leistung von fünf Gigawatt erbringen soll. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren galten in Deutschland Rechenzentren mit einer Kapazität von zehn Megawatt noch als groß. Nun scheinen bald selbst brandneue 500-Megawatt-Campusse klein zu wirken. Auf die hauseigene Kurznachrichtenplattform Threads stellte Zuckerberg gar eine Grafik, auf der ein Entwurf des Rechenzentrums einen signifikanten Teil Manhattans einnahm.

Nicht nur Zuckerberg hat KI zur Schicksalsfrage für sein Unternehmen erklärt. Die Investmentbank Goldman Sachs geht davon aus, dass die fünf größten amerikanischen Cloudanbieter 2025 und 2026 zusammen 736 Milliarden investieren werden, zu einem großen Teil in Rechenzentren. Morgan Stanley rechnet bis 2028 mit 2,9 Billionen Dollar Kosten für die KI-Infrastruktur.

Der Betrieb und vor allem das Training Künstlicher Intelligenz benötigt immer größere Rechenkapazitäten – und Open AI , Microsoft , Google und Co. wollen im potentiellen Billionenmarkt KI auf keinen Fall den Anschluss verpassen. Mark Zuckerberg sagte vor einigen Monaten in einem Podcast, es sei zwar bedauerlich, sollte Meta am Ende ein paar Hundert Milliarden Dollar falsch ausgeben. Aber das Risiko, den Anschluss zu verpassen, sei höher.

Finanzierungslücke von 1,5 Billionen Dollar

Lange haben die Tech-Konzerne ihre Investitionen in die Künstliche Intelligenz und ihre Infrastruktur selbst gestemmt. Doch das ändert sich gerade. Denn die Investitionen wachsen nach den Berechnungen von Morgan Stanley schneller als der Überschuss an liquiden Mitteln. Die Investmentbank rechnet in den kommenden drei Jahren mit einer Finanzierungslücke von 1,5 Billionen Dollar. Laut einer Studie der Unternehmensberatung Bain müssten KI-Unternehmen bis 2030 jährlich rund zwei Billionen Dollar Umsatz erzielen, um die notwendige Recheninfrastruktur zu finanzieren. Die Analysten rechnen jedoch mit einer Lücke von etwa 800 Milliarden Dollar gegenüber diesem Ziel.

Für die traditionell fremdkapitalskeptische Tech-Branche bedeutet das einen Paradigmenwechsel: Sie verschulden sich, um im KI-Rennen dabeizubleiben. Das kann sehr klassisch aussehen. Der Softwarekonzern Oracle hat im September zur Finanzierung seiner KI-Cloud eine Anleihe über 18 Milliarden Dollar begeben, die bis dato zweitgrößte US-Anleihe-Emission des Jahres. Der Rechenzentrenbetreiber Vantage Data Centers hat sich zum Bau eines riesigen Rechenzentrums-Campus in Texas 22 Milliarden Dollar an Fremdkapital gesichert.

Zehn Mitarbeiter, zehn Milliarden Dollar Schulden

Aber nicht nur etablierte Milliardenkonzerne verschulden sich, sondern auch die zweite Reihe: Der hochdefizitäre KI-Clouddienstleister Core-Weave hat seit Anfang 2024 25 Milliarden Dollar eingesammelt – teils an den Aktienmärkten, hauptsächlich aber über Schulden. Als Sicherheiten dienen die KI-Chips des Unternehmens. Selbst das kleine britische KI-Cloud-Start-up Fluidstack , das im vergangenen Jahr gerade einmal zehn Mitarbeiter beschäftigte, soll Medienberichten zufolge bis zu zehn Milliarden Dollar von der australischen Investmentbank Macquarie geliehen haben. Auch hier dienen KI-Chips als Sicherheit.

Derartig hohe Schulden lesen sich nicht besonders hübsch in Bilanzen. Also werden die KI-Konzerne finanziell kreativ. Zunehmend nutzen sie sogenannte „Off-Balance-Sheet“-Finanzierungen – Konstruktionen, über die Schulden oder Vermögenswerte nicht in der eigenen Bilanz erscheinen.

Im Kontext der Rechenzentren funktioniert das beispielsweise so: Ein Projektentwickler oder Finanzinvestor gründet zusammen mit einem Techkonzern eine Projektgesellschaft (eine sogenannte Special Purpose En­tity, kurz SPE) zum Bau des Rechenzentrums. Die Schulden für den Bau liegen in dieser Gesellschaft, zumindest wenn gewisse Kriterien erfüllt sind: Der Techkonzern darf etwa keine Entscheidungsgewalt über die Geschäftspolitik haben, etwa weil diese als eine Art „Autopilot“ fest vorgegeben ist. Er verpflichtet sich im Gegenzug für mehrere Jahre zur Miete des Rechenzentrums. Diese künftigen Mieteinnahmen werden dann beispielsweise in Anleihen (sogenannte forderungsbesicherte Wertpapiere) verpackt und an Investoren verkauft, die am KI-Boom teilhaben wollen. Manche Rechenzentren-Entwickler nutzen das eingenommene Geld durch die verbrieften Anleihen direkt wieder für die nächste Runde.

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Für „Hyperion“ veranschlagt Meta zum Beispiel Kosten von 27 Milliarden Dollar. Das zahlt selbst ein finanzstarker, mit sprudelnden Gewinnen aus dem Werbegeschäft ausgestatteter Konzern wie Meta nicht aus der Portokasse oder will es zumindest nicht, um die Bilanz zu schonen. Prinzipiell wäre auch ein klassischer Bankkredit möglich, sogar zu günstigeren Konditionen, würde aber eben auch die Bilanz belasten.

Digitale In­frastruktur-Verbriefungen im Trend

Metas Lösung: ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem Investmenthaus Blue Owl Capital , das 80 Prozent an dem Joint Venture mit Meta hält. Meta hat sich zu einer Miete für vier Jahre verpflichtet mit einer Option zur Verlängerung. Kommt es nicht zu einer Vertragsverlängerung, soll Meta eine begrenzte Ausgleichszahlung leisten. Ein guter Teil der Finanzierung erfolgt über Anleihen, die durch die künftigen Mieteinnahmen besichert sind.

Das alles ist freilich vollkommen legal, Ratingagenturen halten die Konstruktionen grundsätzlich auch für unbedenklich. Einnahmen aus Rechenzentren eigneten sich grundsätzlich gut für forderungsbesicherte Wertpapiere, weil sie wegen der Bonität der Mieter und der Mietdauer gut vorhersagbar und modellierbar seien, heißt es auf Anfrage etwa von der Ratingagentur Scope. Die Bank of America geht davon aus, dass der Markt für digitale In­frastruktur-Verbriefungen von aktuell 79 Milliarden Dollar bis Ende 2026 auf 115 Milliarden Dollar anwachsen könnte – getrieben vor allem durch die Rechenzentren-Expansion.

Die US-Wirtschaft hängt an den KI-Investitionen

Nicht jeder blickt aber entspannt auf derartige Zahlen. Die „epischen“ Ausgaben für KI-Rechenzentren – teils basierend auf buchhalterischen Tricks – würden so lange gut gehen, bis sie es nicht mehr täten, schrieb der Hedgefonds-Berater und Investor Paul Kedrosky schon im Juni auf seiner Website. Dann könne es ein „großes Chaos“ geben – schließlich ist der US-Aktienmarkt genau wie die gesamte US-Wirtschaft stark abhängig von Techwerten.

Der Harvard-Ökonom Jason Furman hat ausgerechnet, dass 92 Prozent des amerikanischen Wirtschaftswachstums im ersten Halbjahr auf Investitionen in die IT-Infrastruktur zurückzuführen seien. Dabei dürften vor allem die Infrastrukturausgaben für Künstliche Intelligenz ein Treiber gewesen sein. Ohne die IT-Investitionen wäre das Bruttoinlandsprodukt der USA laut Furman im ersten Halbjahr nur um 0,1 Prozent gewachsen.

Mit der Zeit vor der Finanzkrise 2008 durch die geplatzte Immobilienblase will Investor Kedrosky die aktuelle Lage nicht vergleichen – noch nicht. Damals war die Verbriefung riskanter Kredite in komplexe Wertpapiere eine Ursache für die Krise. Die Vorhersagen zur KI-Nutzung könnten sich zwar als korrekt herausstellen. „Aber wenn die Renditen nicht schnell genug erzielt werden, wird das geringe Eigenkapitalpolster der Gläubiger der Projektgesellschafter schnell aufgezehrt sein.“

Schieben sich die KI-Konzerne die Milliarden nur hin und her?

Morgan Stanley geht davon aus, dass die 1,5-Billionen-Dollar-Finanzierungslücke der KI-Infrastruktur durch einen Mix unterschiedlicher Kapitalquellen geschlossen wird: 200 Milliarden Dollar durch unbesicherte Anleihen von Tech-Unternehmen, 150 Milliarden Dollar durch Verbriefungsmärkte, 800 Milliarden Dollar durch private Kreditvergabe durch spezielle Fonds außerhalb klassischer Banken und der Rest durch andere Kapitalquellen wie Staatsfonds, Private Equity oder Risikokapitalgeber.

Hinzu kommen Investitionen großer KI-Unternehmen in andere Mitglieder des Ökosystems. Der ChatGPT-Entwickler Open AI ist das prominenteste Beispiel: Der Chipkonzern Nvidia will sich mit bis zu 100 Milliarden Dollar an Open AI beteiligen – eine Art verstecktes Konjunkturprogramm für die eigenen KI-Chips, in deren Anschaffung das Geld zurückfließen soll. Gleichzeitig hat Open AI mit Oracle einen Cloud-Deal über zehn Jahre und 300 Milliarden Dollar abgeschlossen, was der Oracle-Aktie einen Kurssprung bescherte.

F.A.Z.-Serie Schneller SchlauDer KI fehlt die Infrastruktur

Anders als Google oder Meta haben Open AI oder andere mit Investorengeldern vollgepumpte Start-ups wie Anthropic oder Elon Musks xAI aber kein lukratives Werbegeschäft, sondern fahren hohe Verluste ein. Woher das Geld für Vereinbarungen wie die von Open AI irgendwann einmal kommen soll, ist zumindest aktuell noch nicht absehbar. Klar ist dafür, wohin ein Teil des Open-AI-Geldes für Oracle fließt. Für ein KI-Rechenzentrum in Texas will Oracle jedenfalls 40 Milliarden Dollar an Nvidia -Hochleistungschips kaufen.

Gates vergleicht KI-Boom mit Dotcom-Blase

Der KI-Infrastrukturboom erinnert manchen Beobachter an den Ausbau der Glasfaserinfrastruktur in den Vereinigten Staaten Ende der Neunzigerjahre. Damals investierten Unternehmen wie Worldcom oder Global Crossing Milliarden in die Grundlagen für das sich rasant entwickelnde Internet. Streaming-Unternehmen wie Netflix würde es ohne diese Investitionen heute nicht geben. Doch ihren Erfolg haben die Konzerne nicht mehr miterlebt. Als die Dotcom-Blase platzte, brachen viele Anbieter zusammen, weil die Kreditgeber des teuren Ausbaus ihr Geld zurückforderten. Worldcom ging als einer der größten Bilanzbetrugs- und Buchhaltungsskandale in die Geschichte ein.

Gerade erst hat Microsoft-Gründer Bill Gates den aktuellen KI-Boom mit der Dotcom-Blase verglichen. Damals hätten einige Unternehmen Erfolg gehabt, viele Nachahmer seien aber zurückgefallen und hätten Kapital verbrannt. KI sei zwar die größte technische Entwicklung, die er je erlebt habe. Aber eine Menge KI-Investitionen würden sich als Sackgasse herausstellen. Ähnlich hat sich auch schon Amazon-Gründer Jeff Bezos geäußert. Selbst Open-AI-Chef Sam Altman hat vor zu hohen Erwartungen an die KI gewarnt, wähnt sein Unternehmen aber freilich auf der Gewinnerseite.

Die Investitionen der Techkonzerne basieren auf zwei Prämissen. Erstens: dass Künstliche Intelligenz bahnbrechende Produktivitätsfortschritte mit sich bringen wird und entsprechende Profite winken. An dieser Prämisse gab es zuletzt aber immer wieder Zweifel. Eine Studie des Massachusetts Institute of Technology kam zuletzt zu dem Ergebnis, dass sich 95 Prozent der untersuchten KI-Projekte in Unternehmen finanziell nicht ausgezahlt hätten.

Ist größer immer gleich besser?

Die zweite Prämisse der Techkonzerne ist, dass immer mehr Rechenleistung auch immer bessere KI-Modelle hervorbringen wird. Auch an dieser Skalierungsannahme gibt es von durchaus prominenten Stimmen Kritik, etwa durch den bekannten Neurowissenschaftler Gary Marcus oder sogar Metas Chef-KI-Wissenschaftler Yann LeCun. „Die Zukunft von KI wird nicht generative KI sein“, sagte er zuletzt.

Anfang des Jahres vernichtete ein bis dato höchstens in Fachkreisen bekannter chinesischer KI-Entwickler an nur einem Tag bis zu eine Billion Euro an Börsenwert. Das Unternehmen Deepseek hatte ein KI-Modell entwickelt, das in Tests ähnlich gut abschnitt wie die des Marktführers und ChatGPT-Entwicklers Open AI – und dabei offenbar nur einen Bruchteil der Ressourcen im Training brauchte. An den Märkten machte sich Panik breit, ob die Milliardeninvestitionen der Techkonzerne in Rechenzentren oder der Halbleiterkonzerne wie Nvidia in KI-Chips womöglich überflüssig werden könnten.

Risikofaktor Energieversorgung

Ein weiterer Risikofaktor ist die Energieversorgung. Rechenzentren benötigen viel Strom und Wasser, die Branche läuft in einen Energieengpass. In Irland haben die Behörden etwa Google schon verboten, ein neues Rechenzentrum zu errichten, weil der Konzern Sorgen um die Erhaltung der Energieversorgung nicht ausräumen konnte. Die Regierung in Singapur, ein wichtiger Rechenzentrenmarkt, hat zwischenzeitlich in bestimmten Regionen sogar ein temporäres Moratorium für den Bau neuer Rechenzen­tren verhängt. Techkonzerne investieren daher links und rechts in kleine Atomreaktoren, die irgendwann einmal die Energieversorgung sichern sollen – wann und ob diese marktreif werden, ist aber noch unklar.

Technologieanalyst John Lovelock vom unabhängigen Beratungsunternehmen Gartner hält die These einer KI-Blase dennoch für übertrieben. „Wir befinden uns in einer turbulenten, aber notwendigen Übergangsphase“, sagt er. Diese werde gut ein Jahr anhalten. Das Erscheinen von ChatGPT habe zunächst einen Goldrausch ausgelöst, aus dem Tausende Anbieter von KI-Modellen und -Anwendungen hervorgegangen seien. Jetzt werde ausgesiebt, welche Anbieter tatsächlich nützlich seien. „Wir gehen davon aus, dass in den kommenden Jahren nur noch zehn Prozent der aktuellen KI-Start-ups eigenständig operieren werden“, sagt Lovelock. Das heiße aber nicht, dass der Rest scheitern werde – er rechnet mit einer großen Zukaufswelle.

Die Erwartungen an Künstliche Intelligenz seien in Unternehmen zwar zuletzt gesunken, langfristig werde sich die Technologie aber durchsetzen, ist Lovelock überzeugt. „Die großen KI-Anbieter befinden sich in einem Rennen bis zum letzten Mann“, sagt er. Am Ende würden sich wahrscheinlich nur zwei Anbieter großer KI-Modelle durchsetzen. Einen Kollaps der Verlierer dieses Rennens erwartet der Analyst aber nicht und verweist auf den Wettbewerb auf dem Cloudmarkt. „IBM und Oracle haben auch mit großen Investitionen versucht, so große Marktanteile wie Amazons Cloudsparte AWS zu erringen.“ Das habe nicht geklappt – geplatzt sei deswegen aber nichts.

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