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Donald Trumps Expansionspläne: Geostrategisches Schachspiel | ABC-Z

Von Grönland bis zum Panamakanal sind es rund 7500 Kilometer Luftlinie. Von dort weiter nach Kanada sind es noch einmal knapp 6000 Kilometer gen Norden. Ewiges Eis auf der größten Insel der Welt, ein 82 Kilometer langer Kanal durch eine Landenge mit tropischem Klima und ein florierendes, freies Land, das ein Sehnsuchtsort für Auswanderer ist – die drei Ecken der Welt verbindet mehr, als es den Anschein hat. Donald Trump, der nächste amerikanische Präsident, und seine Berater wissen darum.

In den vergangenen Tagen hat Trump erneut angedroht, Kanada zur 51. Provinz der Vereinigten Staaten zu machen, Grönland zu kaufen und den Panamakanal zurück in die Hände der USA zu überführen. So unterschiedlich die Ziele klingen, auf die er ein Auge wirft, so sehr ist sein Interesse in jeder der drei Regionen geopolitisch und geoökonomisch bestimmt. Es geht darum, Chinas Vordringen auf der Weltbühne etwas entgegenzusetzen, Russland einzugrenzen. Trump will den Amerikanern Bodenschätze, Seewege über und unter Wasser und Militärstützpunkte sichern.

Erinnerung an Pekings Pläne

Sein Vorgehen zwischen Kaufofferten und Drohungen mit wirtschaftlicher Isolation und militärischer Gewalt entspricht in etwa jenem Vorgehen, das Peking seit vielen Jahren im Pazifik betreibt oder mit Tibet vorgeführt hat. Mit dem Hinweis auf historische „Beweise“ – die Neun-Strich-Linie – versucht die chinesische Regierung ihre Einflusszone auszuweiten. Dafür setzt sie militanten Fischereischutz, Küstenwache, die militärische Befestigung von Inseln sowie finanzielle und militärische Hilfen für den Gewinn der Zustimmung kleiner Pazifikinseln ein.

F.A.Z.-Karte: Swierczyna

Unter dem Strich belegt Trumps Vorgehen einmal mehr, dass er nicht auf Zusammenarbeit, Freihandel und globale Allianzen zielt, sondern auf wirtschaftlichen Zwang und unilaterale Macht. Peking verbrämt seine Muskelspiele immer wieder mit Unterstützung der Entwicklung kleinerer Länder. Trump braucht diesen Umweg nicht, sondern prescht vor. „Das Signal von Grönland und Kanada, sowie das von Panama, geht klar in Richtung China und Russland“, sagt der frühere deutsche Botschafter in Singapur und Argentinien, Ulrich Sante. „Trump sucht nicht nur die inhaltlichen, sondern nun offenkundig auch die räumlichen Konfrontationslinien!“ Die norwegische Zeitung „Aftenposten“ bemerkt: „Trumps Rhetorik ähnelt auf unangenehme Weise der des russischen Präsidenten Wladimir Putin.“

Das amerikanische Militär braucht Grönland

Alle geostrategischen Interessen Trumps laufen auf Grönland zusammen. Seit 1867 versuchten die Amerikaner schon die Insel, deren Küstenlänge die Länge des Äquators übertrifft, zu übernehmen. Präsident Harry Truman bot Dänemark nach dem zweiten Weltkrieg 100 Millionen Dollar für Grönland. Der Versuch bot sich erneut an, nachdem die Dänen schon im ersten Weltkrieg mehrere kleinere Inseln an Amerika verkauft hatten. Auch sind den Amerikanern Käufe von fremdem Land nicht fremd: Sie erwarben Alaska von Russland oder Florida von den Spaniern.

Trump sprach 2019 von der Inbesitznahme der um ihre Autonomie von Dänemark ringenden Insel. Nun bezeichnete der künftige Präsident deren „Besitz und Kontrolle“ „als absolute Notwendigkeit“. Die Insel ist strategisch extrem wichtig – sie bildet ein, schmelzendes, Bollwerk aus Eis zwischen Amerika und Russland. Die Amerikaner unterhalten hier, nur 1500 Kilometer vor dem Nordpol, die Luftwaffenbasis Pituffik Space Base (Thule) mit rund 200 eigenen Soldaten.

Sie überwachen mit einem Frühwarnsystem Raketenflüge – eine Notwendigkeit mit Blick auf Russland und China. Der frühere amerikanische Sicherheitsberater John Bolton fasst es so zusammen: „Wir wissen, dass China immer wieder versucht, seinen Einfluss auszuweiten, dass sie eine arktische Macht werden wollen. Aufgrund der geographischen Nähe Grönlands zu Amerika ist es ganz offensichtlich von strategischem Interesse.“ Auch ist die Insel Teil der GIUK-Lücke, einer gedachten Linie zwischen der Südseite Grönlands und der Nordspitze Großbritanniens. Sie bildet einen militärisch wichtigen Engpass auf dem Weg Russlands in den Atlantik.

Die Passagen durch das ewige Eis

Die riesige Insel mit ihrem Eiskern bietet auch Zugänge: Zum einen als Ausgangspunkt für das Vordringen in die Arktis. Dort ringen – wie in der Antarktis – Weltmächte und Anrainer um Einfluss. Denn auch dort werden Bodenschätze vermutet. Zum anderen führen die Nordwest- und die Nordostpassage entlang Grönlands – im Osten entlang der russischen, im Westen entlang der kanadischen Küste. Im Herbst 2007 hatten Satellitenbilder erstmals eine eisfreie und damit schiffbare Passage gezeigt. Setzt sich aufgrund der Erderwärmung das Schmelzen des ewigen Eises fort, wäre die nördliche Verbindung von Europa bis in den Pazifik offen.

Eine Beispielrechnung zeigt deren Logik: Ein Containerschiff fährt von einem chinesischen Hafen nach Rotterdam auf seiner Route durch den Suezkanal rund 22.000 Kilometer. Die Angriffe der Huthi zwingen allerdings immer mehr Schiffe, um das Kap der Guten Hoffnung und damit weitere gut 5000 Kilometer zu fahren. Die Entfernung über die Nordostpassage, zwischen Russland und Spitzbergen sowie Grönland beträgt aber nur 16.000 Kilometer. Auf der Nordwestpassage, zwischen Kanada und Grönland, schmilzt die Strecke um weitere 2000 Kilometer.

Der Stadtstaat Singapur im tropischen Gürtel Südostasiens, den alle Schiffe gen Ostasien in der Meerenge der Malakka-Straße passieren müssen, bereitet sich schon seit Jahren auf ein Öffnen der Routen oberhalb des Polarkreises vor – seine Rolle als Welthafen würde darunter leiden.

Eisbrecher als strategischer Vorteil Russlands

Bislang hält Russland mit seinen atomgetriebenen Eisbrechern ein Monopol auf die Nordostpassage. Das aber könnte sich ändern, wäre die Nordspitze Grönlands in amerikanischer Hand. Inzwischen bereiten sich die Amerikaner auf offenere Wasserstraßen vor, und das schon unter Trump-Vorgänger Joe Biden: Am Rande des NATO-Gipfels in Washington im vergangenen Juli haben die USA, Kanada und der neue NATO-Partner Finnland von der Öffentlichkeit unbemerkt den Icebreaker Collaboration Effort (ICE-Pakt) vereinbart, um „Erfahrungen, Informationen und Fähigkeiten“ über den Bau einer Flotte von Eisbrechern auszutauschen. „Die Nachfrage nach diesen spezialisierten, schwer zu bauenden Schiffen ist mit mehr als 80 offenen Projekten in westlichen Ländern wohl so hoch wie nie zuvor“, erklärte der kanadische Schiffsbauer Davie nach dem Abkommen.

Geopolitik im ewigen Eis: Die chinesische Xuelong 2 bahnt sich ihren Weg Richtung Südpol.
Geopolitik im ewigen Eis: Die chinesische Xuelong 2 bahnt sich ihren Weg Richtung Südpol.picture alliance / Xinhua

Eisbrecher sind notwendig, um Wasserstraßen für die Handelsmarine offen zu halten. Erst Eisbrecher ermöglichen es auch Kriegsschiffen, im „ewigen“ Eis bis vor die russische Küste zu gelangen. Trump denkt weit in die Zukunft. Denn noch sind Durchfahrten durch die Passagen Visionen: Das Eis dürfte auf Jahre zu stark bleiben, die Tiefen der Nordwestpassage sind auf weiten Strecken für Großfrachter zu gering.

Hoffnung auf kritische Rohstoffe

Doch geht es Trump auch um Grönland selbst: Denn dort werden große Mengen an Bodenschätzen vermutet, darunter vermutlich auch kritische Mineralien und seltene Erden. In einer breit angelegten Untersuchung des dänischen Center for Minerals and Materials (MiMa) schrieben die Wissenschaftler im vorvergangenen Jahr, dass „Grönland ein günstiger Standort für das Auffinden und die Ausbeutung kritischer Mineralien“ sei. Obwohl die erreichbare Landmasse rund um die vereiste Insel nur 0,4 Millionen Quadratkilometer misst, finden sich schon hier 34 der von der Europäischen Union 38 klassifizierten kritischen Mineralien, elf von deren Vorkommen stuften die Forscher sogar als „hoch“ ein. Sie alle sind unerlässlich für den Lauf der Volkswirtschaften und zugleich knappe Güter.

Der Klimawandel könnte beim Schmelzen des Eises weitere Lagerstätten und riesige Trinkwasserreservoirs im Landesinneren öffnen. Der Klimawandel treibt die Schmelzgeschwindigkeit voran: Seit 2012 verliert Grönland jährlich rund 13 Mal so viel Eis wie noch in den Neunzigerjahren.

Pekings langer Arm nach Panama

Historisch betrachtet ist die Forderung Trumps nach einer Kontrolle des 82 Kilometer langen Panamakanals nicht überraschend: Anfang des vergangenen Jahrhunderts bauten Amerikaner den Verbindungsweg zwischen Atlantik und Pazifik. Bis der gerade verstorbene Trump-Vorgänger Jimmy Carter ihn von 1977 an an Panama übertrug – was Trump nun als „Dummheit“ bezeichnete –, lag er in Händen der Amerikaner. Nun weckt Trump Erinnerungen an Weihnachten 1989. George W. Bush hatte seinen Truppen die Invasion angeordnet, um den Machthaber Manuel Noriega zu stürzen.

Auch hinter dem neuerlichen Vorstoß Trumps in Panama schimmert Peking durch: Die beiden Häfen am Ein- und Ausgang der Panamastraße werden vom Hafenbetreiber CK Hutchison aus der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong geführt. Die Nähe seines Gründers Li Ka-shing zur chinesischen Regierung ist seit Jahrzehnten bekannt. Deshalb warnt Trump davor, dass der Kanal „in die falschen Hände fallen“ könne. Mit derselben Logik müsste er allerdings auch Australien angehen, weil das seinen militärstrategisch wichtigen Hafen in Darwin, wo auch Tausende amerikanische Soldaten stationiert sind, an einen chinesischen Betreiber verpachtet hat.

Das Preisschild für die Durchfahrt

Und schließlich will der Geschäftsmann Trump Panama zwingen, die aus seiner Sicht zu hohen Gebühren für die Durchfahrt zu senken. Sie können, wenn sich Containerschiffe stauen, etwa weil der Kanal im Klimawandel trockenfällt, in der Tat bis zu vier Millionen Dollar betragen, drängt ein Reeder auf bevorzugte Durchfahrt. Bis zu 14.000 Schiffe jährlich passieren die Landenge, 40 Prozent des amerikanischen Containerverkehrs gehen durch den Kanal. Die Kanalverwaltung plant, wegen der wachsenden Trockenheit in den nächsten Jahren ein Rückhaltebecken und eine Landbrücke für Container für jeweils mehr als eine Milliarde Dollar zu bauen.

Eine grönländische Flagge weht in der Ortschaft Igaliku im Wind
Eine grönländische Flagge weht in der Ortschaft Igaliku im Winddpa

Die Gebühren für das Buchen einer Durchfahrt ein Jahr im Voraus hat Panama gerade um bis zu 3000 Dollar erhöht. „Wir werden über den Tisch gezogen“, ließ Trump verlauten – obwohl die Gebühren unter Reedern als „marktüblich“ gelten. Trump schloss an: „Ein sicherer Panamakanal ist entscheidend für den amerikanischen Handel, die schnelle Verlegung der Marine vom Atlantik in den Pazifik und kürzt die Schifffahrtswege zu den amerikanischen Häfen drastisch.“ Panamas Präsident José Raúl Mulino wies die Drohungen scharf zurück: „Jeder Quadratmeter des Panamakanals und des umliegenden Gebiets gehört zu Panama und wird es auch weiter tun.“

Die Kanadier brauchen die USA

Trump fabuliert auch von einer Annexion Kanadas als „51. Bundesstaat“. Ob das als – misslungener – Scherz oder als Vorhaben gedacht war, bleibt offen. Das Vorgehen, einen Ball in die Luft zu werfen und zu schauen, was daraufhin passiert, ist immer sein selbes Muster. Der Ansatz Trumps liegt auf der Hand. Bei einem Anschluss würden die Vereinigten Staaten das flächenmäßig größte Land der Erde, größer als Russland. Der Küstenstreifen würde Handelsräume sichern und der Navy noch größeren Bewegungsraum sichern. Kanada sitzt auf unglaublichen Bodenschatzvorkommen, hat endlos erscheinende Naturreserven von Proteinen aus Fisch und Fleisch bis hin zu Holz.

Dabei hängt es, was den Geschäftsmann Trump ärgert, zu Teilen am amerikanischen Tropf: 78 Prozent des Exports der Kanadier gehen in die Vereinigten Staaten. Doch geben die Kanadier nur 1,4 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Rüstung aus – noch unterhalb der NATO-Grenze von zwei Prozent, weit entfernt von den angestrebten drei Prozent. Schon im November hatte Trump angekündigt, kanadische Importe mit einem Zollsatz von 25 Prozent zu belegen. Hinzu kommt: Die Freiheitsliebe der Kanadier ist rechtsgerichteten Amerikanern, die Trump tragen, ein Graus.

Frachtschiffe vor der Durchfahrt durch den Panamakanal
Frachtschiffe vor der Durchfahrt durch den PanamakanalAP

Die Antwort aus Ottawa war klar: Ablehnung. Und der Verweis auf die Historie: Als die Amerikaner Kanada 1812 erobern wollten, endete der Krieg zwei Jahre später damit, dass die Kanadier das Weiße Haus niederbrannten. Kanadische Politiker rechneten den Amerikanern im Internet genüsslich ihre Schwächen vor. Während Grönländer und Dänen sich ernsthaft mit den Ideen Trumps beschäftigen, reagieren neben den Kanadiern auch die Mexikaner mit Spott: Trump hatte auch vorgeschlagen, den Golf von Mexiko in „Golf von Amerika“ umzubenennen. Die mexikanische Präsidentin Claudia Sheinbaum erwiderte, stattdessen könnte doch der Süden der Vereinigten Staaten auch in „America Mexicana“ umgetauft werden. Denn so war er schon auf Karten im 17. Jahrhundert verzeichnet.

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