Donald Trump: „Mit Zöllen wird den Amerikanern nicht geholfen“ | ABC-Z

Am
Wochenende verkündete Trump Zölle gegen Kanada, Mexiko und China. Am Montag darauf
setzte er diese für 30 Tage aus, zumindest für Kanada und Mexiko. Die
Begründung: Die Staaten hätten zugesichert, den Grenzschutz zu verstärken.
Justin Wolfers, Ökonom an der University of Michigan, erklärt im Gespräch
Trumps wahre Motive.
ZEIT ONLINE: Herr Wolfers, was will Donald Trump mit
seinem Zollmanöver bewirken?
Justin Wolfers: Es ist schwer, in den Kopf des
Kaisers zu schauen – vor allem, wenn er so eigenwillig handelt. Aber Trumps
Herangehensweise geht in etwa so: Wie vergrößere ich mein Stück des Kuchens?
Dafür nutzt er seine Verhandlungsmacht, und die sieht er im Zugang anderer
Staaten zu den US-Märkten.
ZEIT ONLINE: Kann man einem Präsidenten
vorwerfen, mehr vom Kuchen haben zu wollen?
Wolfers: In der Wirtschaft geht es um Beziehungen
und darum, zusammenzuarbeiten. Dadurch vergrößert sich der Kuchen für alle. Mit
seiner Verhandlungstaktik hingegen schadet Trump den Handelspartnern ebenso wie
den Amerikanern. Am Ende geht es beiden Ländern schlechter.
ZEIT ONLINE: Trump argumentiert, dass die Zölle
eine Art Sanktion sind – für Wettbewerbsvorteile anderer Länder oder weil diese
angeblich zu wenig gegen den Fentanylhandel unternehmen würden.
Wolfers: Wenn wir einen Zoll auf Kanada erheben,
bedeutet das aber nicht, dass die kanadische Bevölkerung oder die kanadische
Regierung dafür zahlen muss, um diese Waren in die Vereinigten Staaten zu
bringen. Sondern die Person, die die Ware importiert. Wenn ich also einen
Geschirrspüler aus Kanada importiere, muss jemand in Amerika 50 Dollar extra
bezahlen, um ihn aus dem Zoll zu bekommen und ihn an mich auszuliefern.
ZEIT ONLINE: Das trifft Hersteller wie Händler –
und die müssten diese Kosten nicht unbedingt an die Kundinnen und Kunden weitergeben.
Wolfers: Das ist völlig abwegig. Denn es würde ja
bedeuten, dass ein Unternehmen diese Kosten einfach selbst trägt. Es gibt
keinen Geschäftsinhaber auf der Welt, der das tun würde. Genau das haben wir in
der ersten Trump-Regierung gesehen: Es gab Zölle auf Waschmaschinen, die
praktisch Dollar für Dollar zu höheren Preisen für Waschmaschinen in den
Vereinigten Staaten führten.
ZEIT ONLINE: Wenn dadurch nur die Waschmaschinen
ausländischer Hersteller teurer würden, hätte Trump sein Ziel erreicht – denn
die würden dann weniger nachgefragt.
Wolfers: So war es aber nicht. Wenn die Konkurrenten eines
amerikanischen Waschmaschinenunternehmens plötzlich höhere Preise haben, sinkt
auf dieses Unternehmen der Druck, seine Preise zu senken. Das hat dazu geführt,
dass auch amerikanische Waschmaschinenunternehmen, die überhaupt keine Zölle
zahlen mussten, ihre Preise erhöht haben.
ZEIT ONLINE: Wer zahlt am Ende für die
Zollpolitik?
Wolfers: Die Amerikaner. Ich wollte zum Beispiel schon vor einiger
Zeit einen elektrischen Volvo kaufen. Die werden aber in China gebaut, gegen
das die USA Zölle verhängt haben. Bis die Zölle umgangen sind, zum Beispiel
durch die Verlagerung der Produktion, dauert es. Deshalb muss meine Familie seit einem Jahr auf
ein sicheres Elektrofahrzeug verzichten. So wird den Amerikanern nicht
geholfen, sondern sie werden geschädigt.
ZEIT ONLINE: Volvo könnte ein Werk direkt in den
USA bauen. So hat das Unternehmen auch auf die EU-Zölle gegen China reagiert
– und produziert das E-Modell seither in höherer Stückzahl auch in Belgien.
Wolfers: Das Problem dabei ist: Der Bau einer
Fabrik in den Vereinigten Staaten ist unglaublich teuer. Wenn man davon
ausgeht, dass die Zölle mehrere Jahrzehnte anhalten, dann könnte sich so eine
Investition lohnen. Aber Trump hat mit seiner Taktik bisher kaum jemanden
überzeugt. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass die Zölle in vier Jahren
wieder auf ein niedriges Niveau oder sogar auf null gesenkt werden.
ZEIT ONLINE: Was sollten Unternehmen tun, die auf
den US-Markt angewiesen sind?
Wolfers: Entweder man übersteht den Sturm für ein paar
Jahre oder man tätigt eine kostspielige Investition, von der man sich in vier
Jahren wünscht, man hätte sie nicht getätigt. Ich glaube, die Zölle werden
niemanden veranlassen, langfristige Investitionen in den Vereinigten Staaten zu
tätigen.
ZEIT ONLINE: Als Druckmittel scheinen die Zölle
zu funktionieren: Mexiko hat zugesichert, mehr Soldaten an die Grenze zu verlagern,
um den Fentanylhandel und illegale Migration zu bekämpfen. Einige
Hundert sollen am Dienstag schon mobilisiert worden sein.
Wolfers: Trump mag glauben, dass er
Zugeständnisse von Mexiko und Kanada erlangt hat. Und ja, die Staats- und
Regierungschefs dieser Länder haben ihm gegenüber Verpflichtungen beteuert. Nur
handelte es sich um Verpflichtungen, Dinge zu tun, die sie ohnehin bereits
taten.
ZEIT ONLINE: Sagen Sie, Trump hat sich
austricksen lassen?
Wolfers: Die Frage ist eher: Versucht Trump, das
zu tun, was für das amerikanische Volk am besten ist? Oder versucht er, das zu
tun, was politisch am besten für ihn ist, seine Macht zu festigen? Eine Möglichkeit,
die Präsidentschaft Trump zu verstehen, ist, sie wie eine Fernsehshow zu
betrachten. Die Zölle sind eine Möglichkeit, die Aufmerksamkeit auf ihn zu
lenken. Und er hat es geschafft: Trump ist zur Hauptnachricht des Tages
geworden.